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Montag, 18. März 2019

Wer gesund ißt, stirbt früher

Noch einmal Udo Pollmer, der wieder gegen den Diätwahn unterwegs ist. Und wieder einmal die Dicken verteidigt, was wir dankbar und erleichtert annehmen. Es ist der Druck, sagt Pollmer auch hier, der einen Menschen je nach Konstitution dick (oder dünn) macht. Es sind die Cortisol-Hormone, die seelischer Belastung entspringen und die Fettbildung (oder das Abmagern) bewirken.

Auch die Rede vom Body-Maß-Index ist Unsinn eines Normierungswahns. Schon wer längere Oberschenkel hat oder breite Schultern, wer also einfach kräftiger gebaut ist, wäre dieser Norm gemäß übergewichtig. Aber jeder hat eben seine Veranlagung. Auch darin, seelische Eindrücke zu verarbeiten, möchte man hinzufügen. Denn Druck muß gar nicht immer von außen kommen, die Reaktion auf die Welt ist durchaus subjektiv, situationsgemäß und damit immer unterschiedlich. 

Abgesehen von der wie immer hanebüchenen Erklärungsmanie durch Evolution, bleibt die Aussage interessant, daß das Kochen eine hinausverlegte Verdauung ist, die Sinn hat. Anders als die Tiere müssen wir unsere Nahrung zubereiten, um sie verwerten zu können. Unser Verdauungstrakt, der darauf eingestellt ist, ist Zeugnis dafür, daß wir eben Kulturwesen sind. Auch unser Gebiß zeigt, daß es dafür ausgelegt ist, mit Hilfsmitteln (Löffel, Messer und Gabel) zu speisen. Wir sind eben keine Affen, die kurz mal von den Bäumen heruntergekommen sind und sich nun darum zu kümmern hätten, daß sie ihre rohen Nährstoffe möglichst "biologisch" serviert bekommen. Anders als Tiere, hat der Mensch einen langen Dünndarm (und einen kurzen Dickdarm), und dadurch kann er aus der Nahrung mehr Energie gewinnen. Und die ist für das (im Vergleich mit Tieren große) menschliche Gehirn unbedingt notwendig. 

Das Gehirn ist eben das Organ, das die meiste Energie braucht. Der Körper reguliert sich über zwei Dinge - die Zuführung von Energie, und die Abgabe über Verbrennung. Er gibt also über Körpertemperatur ab. Wer mehr abgibt, nimmt sozusagen ab. (Deshalb wohl auch die Verankerung der Grundregel im Typus; Anm.) Der Grund, warum Sport "schlank" machen kann, ist deshalb darin begründet, daß unsere Lebensweise heute oft zu wenig Energie verbraucht. 

Und das heißt, wenn wir mit unserer eigenen Gedankenreihe weiterbauen, daß es von der Selbstaktivierung abhängt. Wer sich wenig aktiviert, also etwa geistig-seelisch träge ist, vielleicht sogar depressiv, lethargisch ist, oder wie mancher Typ und Charakter ein eher beobachtender, nicht aktiv teilnehmender Mensch ist, oder warum auch immer sich innerlich wenig aktiviert, verändert deshalb sein Körpergewicht. In Zu- oder Abnahme. Worin wir den Hinweis auf Zustände in einer Kultur sehen müssen.*

Wird sie menschenfeindlich, menschenwidrig, haben wir die bekannten Gewichtsprobleme als Massenphänomen. Das läßt die vielen schwer Übergewichtigen in den USA (und anderen Ländern) recht einleuchtend deuten. Und macht auch eine recht stimmige, präzise Aussage dazu, wenn es heißt, daß die heutigen jungen Menschen immer häufiger Übergewicht haben. Das grob gesprochen weit mehr eine Erscheinung der Verwahrlosung, der fehlenden Einbindung in wesentliche Lebensantworten ist, als des sogenannten Wohlstands. Damit schließen sich viele Gedankenkreise!

Wir sollten uns um ideologische Nahrungslehren aber gar nicht kümmern, meint Pollmer. Noch dazu sind viele der heutigen Ernährungsrichtlinien blanker Unsinn, wobei das Übel vor allem in der mit Druck verbundenen Vorschrift einer angeblich "gesunden Norm" liegt. Denn zwar könne man nicht sagen, daß z. B. Rohkost an sich schädlich sei, das muß jeder für sich selber entscheiden, ob und wieviel er davon mag, aber schädlich ist auf jeden Fall zu sagen, daß man möglichst viel Rohkost essen sollte, weil man sonst krank würde.

Wie ist es jetzt mit der provokanten These, daß der, der gesund ißt, früher stirbt? Pollmer erklärt, daß der Mensch als junger den Körper aufbaut. Das geht im Älterwerden bis zu einem Zenit. Dann wendet sich das Blatt, und der Ältere beginnt wieder abzunehmen. (Wir können auch darin einen Hinweis auf die oben angerissene These der Selbstaktivierung und Kulturbedingtheit sehen; Anm.) 

Wer aber auf diesem Zenit zu wenig Substanz hat, stirbt somit auch früher. Ihm geht schlicht die Energie aus. Auf keinen Fall kann man also sagen, daß wir gesünder oder älter werden, wenn wir uns ängstlich an bestimmte selbst- oder fremdauferlegte Ernährungsvorschriften halten. Eine solche Wirkung läßt sich durch nichts belegen. Belegen lassen sich aber viele Gesundheitsschäden, die AUS solchen Ernährungsideologien stammen. Aus einer versuchten (und dann wieder aufgegebenen) Studie über die Lebensgewohnheiten von Menschen, die über hundert Jahre geworden sind, geht hervor, daß sie sich alle nicht um irgendein Geschwätz über "gesunde Ernährung" oder "gesunde Lebensweise" gekümmert hätten. Sie haben vielmehr ihr Ding durchgezogen, könnte man sagen, sich nur darum gekümmert, was sie für sich als richtig angesehen haben. Zwar heißt das nicht, daß nun jeder hundert Jahre alt wird, aber diese Unbekümmertheit und Selbststärke ist eben ein Merkmal der Hundertjährigen, meint Pollmer.






*Diese Aussage verändert sich nicht, wenn man sich der Tatsache zuwendet, daß viele, die eine Fasten- oder andere Diätkur machen, berichten, daß sie viel klarer und rascher denken könnten, sich geistig viel freier fühlten. Ganz frei und leicht wird sich der Geist nämlich fühlen, wenn Leib und Seele sich im Tod trennen, das nur als Hinweis. Die graduelle Lösung des Geistes von der Last des Leibes (den der Geist ja als Gestaltform bewegen muß) durch Mangel ist zwar zuweilen sinnvoll (weshalb Fasten immer eine geistige Vorbereitung auf einen Ewigen Gehalt früher sogar sehr häufig war, man denke an die vielen Fastenvorschriften, die auch die Kirche immer kannte), weil sie eine distanziertere, also geistigere Betrachtung ermöglicht, aber allgemein gesehen entspricht es nicht dem Wesen einer Gesellschaft. Die ja konkret, also fleischlich ist. Solche forcierte Geistigkeit kann immer nur ein Ergänzungsphänomen sein, nicht Allgemeinzustand. Als im 12. und 13. Jahrhundert Kasteiungsbewegungen als dauerhaftes - also nicht temporäres - Massenphänomen auftraten, überlegten Fürsten und die Kirche, was dagegen zu tun sei, denn es gefährdete real die Kultur. Spanien hat das ab dem 17. Jahrhundert auch tatsächlich vorgemacht (Cervantes/Don Quijote!)





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