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Donnerstag, 7. März 2019

Aber warum gibt es diesen Orden dann noch? (2)

Teil 2) Wahrheit macht immer sehend



Der Orden selbst war als hermetische Gesellschaft aufgebaut, in der sich größte Abhängigkeiten mit gehirnwäscheartigen Methoden verbanden. Jeder der diesem Orden beitrat (auch Steve Skojac gehörte ihm einige Zeit an) wurde nach und nach in ein System aus totaler Isolation, Schweigepflicht und psychischem Druck - also Depersonalisierung - eingebunden. Das dazu führte, daß diejenigen, die nicht absprangen (und das waren wenige, zu groß war die Abhängigkeit und die daraus resultierende Angst, und es kam anschließend zu regelrechten Verfolgungen, wie man es von anderen Sekten kennt) nach und nach ihrer eigenen Urteilskraft verlustig gingen, weil alle Entscheidungen von einem Mann getroffen wurden, der Gottes Pläne und Vorhaben besonders gut kannte, weil er ihm eben so nahe war: Dem "lebenden Heiligen" Marcial Maciel. Dessen Orden sogar den Ruf aufbaute, besonders "katholisch, konservativ, papst- und kirchentreu" zu sein. Wo immer Anschuldigungen auftauchten, und das war immer öfter der Fall, wurden sie zum Beweis des Gegenteils umgedeutet: Daß Satan die Heilige Mission durch Verleumdung bekämpfte. Diese Paranoia, die sich aufbaute, besteht nach Aussagen mancher bis heute im Orden.

Diese Hermetik war eben, schreibt Skojac, von einem größenwahnsinnigen Pathos getragen, der vielfach wie eine "Entlohnung" für die totale Kontrolle, das "gaslighting"* wirkte, dem man ausgesetzt war. Wenn es nicht direkter sexueller Mißbrauch war, den ihnen der Ordensgründer zufügte, der sich sogar die Macht zuschrieb zu entscheiden, was Sünde sei und was nicht. Zu mancher (sonst sündlichen) Handlung hatte ihm nach eigener Aussage sogar der Papst persönlich die Einwilligung gegeben. Ein gottgleicher Guru im eigentlichen Sinn also, um den ein Kranz von Legenden aufgebaut wurde. Sodaß er als Übervater erschien, der alle Eigenschaften aller Heiligen in sich vereinte und "alles sah". Und die Ordensmitglieder glaubten ihm, denn sie hatten ja gar keine sonstige Identität, waren vom Orden existentiell wie psychisch abhängig. Und sie wurden erpreßbar.

Ein Ethos, in dem sich die Ordensmitglieder als besonders erwählte, allen "da draußen", aber auch jedem übrigen Kleriker und Orden überlegene Elite sahen, die einen speziellen Auftrag von Gott hatten. Aber was soll das für eine Heiligkeit sein, die meint, Freiheit nicht zu brauchen, die nur auf der Basis der Vernunft möglich ist? Ist es gar, weil viele der sogenannten "Erneuerungsbewegungen", die im Vatikan so hohen Stellenwert genießen, genau denselben Weg verfolgen, höchstens graduell da und dort etwas anders gelagert?

Skojac wurde wieder und wieder eingeredet, er sei zum Priester berufen, obwohl er innerlich wußte (ohne zu wissen, daß er es wußte), daß das nicht der Fall ist. In einem erschütternden Zeugnis berichtet er, daß er aber das Urteil über sich selbst vom Ordensgründer erhoffte, denn er war bereits zu verwirrt. Erst ein befreiendes Gespräch mit einem Priester in seiner Heimatgemeinde hatte ihm die Augen geöffnet, und er war unverzüglich ausgetreten. Sein dumpfes Gefühl hatte sich zur Gestalt gewandelt, er war wieder in der Lage, zu erkennen. 

Der Motor von OnePeterFive sagt aber dazu, daß er bis heute seelische Schäden aus dieser Zeit hat, auch wenn er körperlich von Maciel nicht molestiert worden war. Und auch mit Maciel nie persönlich gesprochen hatte. Also muß im Orden etwas existieren, das den geistigen und geistlichen Skandal, der vielleicht noch schwerer wiegt als die sexuellen Mißbräuche und Verfehlungen des Ordensgründers, strukturell trägt und perpetuiert. Und wenn es das nicht mehr tut - warum beharrt man auf dem Fortbestand dieses Ordens? Was soll jenes Gründungscharisma sein, an dem man festhält und das man weiter verfolgt, das es doch ganz offensichtlich gar nie gegeben hat? Und dessen Weg mit so vielen Opfern gepflastert ist.






*Als "gaslighting" bezeichnet man eine Methode, mit der man Menschen um ihren Verstand und in direkte Abhängigkeit bringen kann. Indem man ihnen eine Wirklichkeit vorstellt, die im Gegensatz zu ihrer eigenen Wahrnehmung steht. Dadurch verlieren sie das eigene Urteilsvermögen, denn sie sind nun von der äußeren Quelle der Weltinterpretation abhängig. Der Leser sieht schon, daß dies in abgemilderter Form das Wesen der Lüge überhaupt ist. Sie setzt an der anthropologischen Tatsache an, daß jeder Mensch von einer Quelle abhängt - der Quelle der Wahrheit. Die Wahrheit selbst aber macht frei, sie geht also niemals gegen die Wahrheit und die eigene Vernunft. 

Die selbst natürlich nach sittlicher Haltung geformt werden muß, denn jede ungeordnete Begierde, jede ungeordnete Leidenschaft ist selbst wieder eine Quelle der Abhängigkeit und Fremdherrschaft. Vor allem aber kann die göttliche Wahrheit die Wahrheit der Welt nur überhöhen, ihr nicht widersprechen, denn in Gott, der die Welt geschaffen hat und ihr damit einen Sinn (logos) gab, gibt es keinen Widerspruch. Sie kann sich also nie gegen die Wahrnehmung wenden, muß mit den Abläufen der Welt übereinstimmen, auch wenn das nicht immer und auf den ersten Blick leicht zu erkennen ist. Wahrheit macht nicht nur nicht blind, sondern immer sehend, auch in der Welt.





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