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Samstag, 2. März 2019

Der Samstag-Nachmittag-Film

Eigentlich ist es ein wunderbar gelungener Unterhaltungsfilm mit einem großartigen Gustav Knuth, der da vor uns abläuft. In seiner Dramaturgie sauber und geschlossen läuft "Großer Ring mit Außenschleife" vor uns ab und ist von der ersten bis zur letzten Minute sehenswert und sogar spannend. Aber was ihn darüber hinaus sehenswert macht, ist seine äußerst treffende, punktgenaue Sozialkritik! Nicht im linken Sinn, sondern die Figur des Straßenbahnfahrers, der einfach der Bürokratie zum Opfer fallen soll, sich das aber nicht bieten läßt und um ein Recht kämpft, das über allen Gesetzen steht (weil diesen nur zugrundeliegen muß) und dem zunehmend kapitalistischen Nutzenkalkül, das in alle Ebenen unserer Gesellschaft nach den ersten Wiederaufbaujahren nach dem Krieg 1945 einzog. Freilich, erst als man das nicht mehr brauchte, was die Basis schuf, auf der sich so ein Wirtschaftsdenken überhaupt erst breit machen konnte. Das das Vorhandene schlicht und einfach an sich riß.

Wie sehr das Unrecht ist, zeigt der Film recht überzeugend und mit dem Augenzwinkern eines kleinen Schelmenstücks. Die Wirtschaft muß dem Menschen dienen, sie darf ihn nicht umgekehrt zu einem bloßen Faktor abwerten. Besonders tragisch und kaltherzig-anonym und technisch wird das, wenn so ein Denken öffentliche Einrichtungen erfaßt. Für die sich ein interessanter "Ausweg" zeigt, der auf den ersten Blick nicht auffallen mag - die Korruption. Die Korruption ist es auch in diesem Film, so klein und amüsant sie daherkommen mag, die diesem Moloch wieder ein menschliches Gesicht abzwingt, weil eine zweite Ebene einzieht, die der Oberfläche aber überlegen ist, sie beherrscht. War es Absicht, war es Zufall, daß dieses im Kapitalismus entscheidende, umso heftiger abgeleugnete (!) Moment in diesem Film dramaturgisch entscheidend wird?

Oder muß (oder kann) man darin eine geschickte Strategie des Regisseurs erblicken? Denn immerhin ist Eugen York Deutsch-Russe. Auch wenn York schon in der Kindheit aus dem zaristischen Rußland nach Berlin gekommen war, so liefert seine Vita durchaus Hinweise auf eine recht Kapitalismus-kritische Sichtweise. Die manchen Herrschern über den westdeutschen Film nicht unsympathisch gewesen sein mag. Immerhin hat York seine Karriere dann im öffentlich-rechtlichen Bereich erst so richtig realisiert. Nachdem das deutsche Publikum seinen kurz nach dem Kriege fabrizierten KZ-Film nicht nur nicht angenommen, sondern angefeindet hat, mag in ihm so manche Kränkung gewisse Haltungen verschärft haben. Könnte es sein, daß York eine gewisse schuldbeladene Haltung des Deutschen sui generis verlangt, aber nicht erhalten hat? Könnte es also sein, daß seine Kritik am deutschen Wirtschaftswunder auch fragwürdige Motive zum Vater hat?

Wie auch immer, es ändert nichts an der Gültigkeit dieser im Film gezeigten, sehr konkret und realistisch-nachvollziehbar gemachten Kritik.








*070118*