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Montag, 7. Januar 2013

Das "hätte" und das "haben"

Mit Gold, so titelt die NZZ, könne man die Kaufkraft retten. Denn ein jüngst errechneter "Bier-Maß-Index" habe ergeben, daß der Goldpreis 2012 etwa den Erwerb von 136 Maß Bier pro Unze ermögliche. Im Höchstjahr 1980 seien es gar 227 Maß gewesen. Zwischendurch falle das freilich schon mal, auf 87 Maß etwa, das "historische Mittelmaß". Gold sei also sicher. Für Biertrinker allemal.

Vielleicht fehlt aber in diesem Bericht und eine Wortform aus einem bestimmten Grund völlig - der Konjunktiv nämlich. Die Form also, in der all die Goldbesitzer und Geldretter ihr Vermögen in Wirklichkeit haben. Als könnte. Als würde. Als hätte. Fiktiv. Virtuell (ach, wie zeitgemäß). 

Denn will man die Kaufkraft mit Gold sichern darf vor allem eines nicht passieren: daß die Goldbesitzer wirklich ihre 136 Maß Bier konsumieren wollen. Dann müßten sie wieder schnödes Papiergeld eintauschen, gegen ihr rettendes Gold, und möglichst rasch, um die ersten zu sein. Ihre gesicherte Kaufkraft ist nämlich lediglich hypothetisch, und nur solange überhaupt existent, als sie mit Papiergeld gegenverrechenbar ist.

Denn - immerhin, das erwähnt der Artikel - ein Bullenmarkt wie Gold (also: stetig steigend) berge ein klitzekleines und nicht zu unterschätzendes Risiko. Das genau dann schlagend wird, wenn die Besitzer ihrer Goldbarren aus dem "könnte" ein "kann" machen wollen. Dann könnte es ein unsanftes Erwachen geben. Weil physisches Gold diese - gewiß, völlig vernachlässigenswerte - Besonderheit hat, nur in funktionierenden Märkten "Kaufkraft zu retten". Weil zu spiegeln. Zu spiegeln, nicht mehr allerdings. Mit allen fatalen Eigenschaften eines Spiegels: er spiegelt, was DA ist. 

Ja, es stimmt, ein Anzug vergleichbarer Qualität hat im 18. Jhd. seine drei Unzen gekostet, und tut es noch heute. Aber eben nur, wenn die Wirtschaft normal funktioniert. Dann pendeln sich die Dinge auf wunderbare Weise wieder auf ein immer gleiches Maß, in aller regionalen und historischen Relativität, zwischen Arbeit, Geld-/Goldäquivalent, und Produkt. Im Spanien des frühen 17. Jhds. zum Beispiel hätten aber auch fünfzig Unzen nicht für einen Anzug gereicht. Wer hätte ihn genäht? Dabei erstickte das Land förmlich an Gold, das laufend aus Südamerika anlandete. Niemand aber wollte noch arbeiten. 10 % der Bevölkerung ging überhaupt ins Kloster, dann mußte man vermeintlich nicht einmal mehr leben. Viele wollten aber reich werden, und meinten, sich mit Gold retten zu können. Pech gehabt.

Die definitive Einführung einer Goldwährung heute - weil man darauf vielleicht spekuliert - wäre also gleichfalls nur dann sinnvoll, solange sie in ruhigen Zeiten stattfindet. Dann zeigt der Spiegel aber auch wieder nur dasselbe, wie sich im Papiergeldäquivalent abzeichnet. Von "möglich" wollen wir bei einer Goldwährung gar nicht erst reden. Denn diese Möglichkeit gibt es gar nicht mehr. Gold ist eben kein "Wert an sich", es ist nur Ware (als Schmuck und für den Kult) und Tauschäquivalent, das seinen Wert hat, sofern er Ware garantiert. Darin unterscheidet sich Gold in nichts vom popeligen, abgegriffenen Papierschein. Der sich ja aus Gold- und Preziosen-Einlagequittungen entwickelt hat.

Vielleicht also wären doch Zigaretten empfehlenswerter.

Ist das also Zufall, daß im Artikel jede Menge um das Wohl und Wehe der Geldretter besorgte Bankleute zitiert werden? Jetzt, so vor Weihnachten, wo man nicht weiß, wohin mit dem Weihnachtsgeld? Oder fürchten die Banken gar die Konkurrenz von Marlboro und Benson & Hedges? Immerhin sind sie die einzigen, die wirklich am Gold verdienen. Weil sie seltsamerweise immer so schlau waren und sind, aus dem "hätte" und "würde" der Würde-gerne-Geld-retter lieber sofort ihr "haben" und "ist" zu machen, in Form von saftigen Spesen (weil prozentual berechnet bei einem hohen Geldkurs umso satter) und (wie unsicher sind doch die Zeiten, nicht wahr? An jeder Ecke ein Einbrecher!) Depotgebühren. Oder haben Sie schon einmal gehört, daß eine Bank* Gold kauft, um ihre Aktiva zu retten? Mit gutem Grund retten die ihre Werte lieber anders.



*Nationalbanken ausgenommen, die Gold aber auch nicht "für sich" kaufen, sondern in eher bescheidenem Maß in immer weniger nachvollziehbarer Motivation für die Währung, die sie bewirtschaften.




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