Ein Interview, das durch seine Besonnenheit wohltut, brachte die Welt. In ihr äußert sich der frühere Energiemanager und Umweltpolitiker der SPD, Fritz Vahrenholt, zur Energiewende und zum Klimawahn.
Die Welt:
Derzeit findet
wieder ein Klimagipfel statt, auch noch in einem Sünderland wie Katar.
Tausende Delegierte reisen an und wohl demnächst wieder ab.
Fritz Vahrenholt:
20.000 Teilnehmer genau. Und sie reisen unverrichteter Dinge wieder ab.
Denn das Weltklima hat kein Thermostat, an dem die Menschen rumdrehen
und eine ihnen genehme Temperatur einstellen können.
[...] Deswegen ist auch das Zwei-Grad-Ziel vermessen. Weil
sich in der Vergangenheit die Temperatur der Erde schon um mehrere Grade
nach oben und nach unten und jedes Mal aus natürlichen Gründen
verändert hat. Und das wird sie auch in Zukunft tun. Ich bin nach wie
vor der festen Überzeugung, dass der Weltklimarat einen großen Irrtum
begangen hat. Sein Fehler war, die unstreitige Erwärmung der letzten 30
Jahre allein dem CO2 zugemessen zu haben. Diese Dämonisierung ist zu
eindimensional, ja geradezu banal. Schon jetzt sieht man, dass wir seit
15 Jahren ein Plateau haben. Die Temperatur beginnt abzusinken, so wie
sie es in der Vergangenheit immer in großen 60-jährigen Zyklen tat. In
den nächsten Jahren werden wir auf den Boden der Tatsachen zurückkommen.
Alle Prämissen werden sich nicht erfüllen, die man zugrunde gelegt hat
für die große Energiewende und die Transformation der Gesellschaft.
Der Klimawahn sei von einer Angst motiviert sei, die ihn zu einem wahren Glaubenskrieg in unseren Ländern mache. Dessen Opfer die Vernunft ist. Selbst, wenn man von einer Veränderung des Klimas ausgehe - dabei verflachten sich die Temperaturen seit 15 Jahren - sei es wenig sinnvoll, in Deutschland den CO2-Ausstoß verringern zu wollen, während China die deutschen Bemühungen alleine durch zusätzliche Kohlekraftwerke, von denen derzeit alle 8 Tage ein neues fertiggestellt wird, locker wettmache.
Wir haben in Deutschland für 100 Jahre Erdgas in unserem Schiefergas.
Aber das wird ja nicht einmal untersucht! Weltweit reicht der
Kohlevorrat noch 200, 300 Jahre. Amerika ist kurz vor einer neuen
Reindustrialisierung aufgrund gesunkener Erdgaspreise, Stichwort
Schiefergas. Die Chinesen bauen alle acht Tage ein Kohlkraftwerk und
haben mittlerweile eine Pro-Kopf-CO2-Erzeugung, die Frankreich und
England überholt hat. Und im nächsten Jahr uns. Wir dürfen nicht
glauben, dass wir mit unseren Maßnahmen in irgendeiner Weise überhaupt
irgendeinen Einfluss auf das Weltklima haben. Alles das, was wir in
Deutschland mit großen, großen Anstrengungen, aber auch
Wohlstandsverlusten und Naturbeeinträchtigungen in den nächsten
Jahrzehnten tun werden, nämlich die Verminderung von 300 Millionen, 400
Millionen Tonnen CO2, macht China in zwei Monaten wieder wett.
Aber Vahrenholt weist noch auf eine andere furchtbare Logik hin: Die Folgeschäden der neuen Energieformen seien enorm, und schon jetzt absehbar. Riesige Flächen, die Mais und Getreide für Biosprit anbauten, veränderten gravierend die Fauna und Flora, Vor allem aber der Wald werde nachhaltig zerstört.
20 Prozent der agrarisch
genutzten Flächen sind mittlerweile für Energiepflanzen reserviert. Das
wird noch schlimmer werden, wenn wir dem nicht Einhalt gebieten. Ein
Kohle- oder ein Kernkraftwerk mit 1000 Megawatt braucht einen
Quadratkilometer Fläche. Windenergie braucht mit dem gleichen Ergebnis
1000 Quadratkilometer, die dreifache Fläche Hamburgs. Das ist also eine
flächenverzehrende oder flächenextensive Energieform. Und viele
Folgeschäden hat niemand bedacht.
Die Welt: Sogar die Fledermäuse sterben unter den Rotoren der Windräder.
Vahrenholt:
Bis jetzt haben wir bei meinem früheren Unternehmen REpower ja immer
versucht, die Windräder dort aufzustellen, wo die Natur möglichst wenig
beeinträchtigt wird. Nun hat aber die Energiewende zum Programm,
Windkraftwerke auch in den Wald zu bringen. Wenn Sie das wollen, dann
müssen Sie um das Windkraftwerk etwa 30.000 Quadratmeter freihalten,
drei bis vier Hektar. Und alle 500 oder 600 Meter haben Sie ein neues
Windkraftwerk, das erschlossen werden muss durch breite, befestigte
Straßen. Dann ist der Wald schnell mehr oder weniger hinüber.
Wir betreiben eine angstgetriebene Energiepolitik.
Und die Angst ist so groß gemacht worden, die Angst vor der
Klimakatastrophe, dass wir Deutschen, die wir doch Vorbild sein müssen
und die Welt retten, jetzt sogar Weizen importieren, um unsere
Biospritquote zu erfüllen. Immer haben wir Weizen exportiert, jetzt
nehmen wir ihn anderen weg. Wir legen Windkraftanlagen in den Wald, wir
vermaisen ganze Landschaften und nehmen der Natur den Raum. Weil wir gut
sein wollen. Doch sind wir in Wahrheit selbstzerstörerisch.
Vahrenholt schließlich:
Zeit meines Lebens, meines beruflichen Lebens, seit 30 Jahren bin ich
mit erneuerbaren Energien beschäftigt. Das war schon als Umweltsenator
so, das war bei der Shell so, das war bei REpower so. Ich habe ja
schließlich diese großen Offshore-Windkraftanlagen mitentwickelt und in
meiner Zeit bei RWE aufgestellt. Doch ich befürchte, dass wir nun auf
dem Wege sind, riesige Belastungen für die Menschen, insbesondere die
kleinen Leute, zu erzeugen mit den EEG-Umlagekosten, dass wir dabei
sind, hochenergieintensive Industrie aus dem Lande zu treiben und, was
noch viel wichtiger ist, als Standort für sichere Stromversorgung
ausfallen! Das war immer ein Markenzeichen Deutschlands, dass wir mit
99,95 Prozent Versorgung Blackouts nicht kannten. Wenn wir aber in eine
Situation kommen, wo ein Blackout eher zur Regel wird und dann am Ende
klar wird, dass der Grund für diese ganzen Nachteile, nämlich die
Klimaveränderung, obsolet ist. Dann werden sich die Menschen von den
Erneuerbaren abwenden. Ich weiß ja, wie schnell eine Energieform in
Deutschland im Mülleimer landet. Denke ich an die Kernenergie und Helmut
Schmidt, der 1978 in Dortmund sagte: 50 Prozent der Zukunft soll
Kernenergie sein, 50 Prozent Kohle. Nun ist beides sozusagen auf dem
Müll gelandet.
*070113*