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Montag, 14. Januar 2013

Europäische Wünsche (1)

Natürlich ist es klar, daß Berlusconi längst mitten im Wahlkampf steht, wenn er dagegen anschreit, daß Italien unter Monti zu einem Anhängsel deutsch-französischer Politik wurde. Und die Töne werden wieder moderater werden. Wenn er wieder im Palazzo del Grimsci Angela Merkel auf den Po klopft, worauf sie neckisch aufschreit, und Francois Hollande am Gruppenphoto ein Doppelhorn hinterlegt. 

Aber der Sache nach hat er recht. Und deshalb trifft er ganz sicher die Stimmung im eigenen Lande so gut. Neuerlich so gut. Das kann man nur, wenn man die Dinge in Aspekten erfaßt, die real und für sich zumindest wahr sind. Mit Erfindungen kann man das nicht.

Der Verfasser dieser Zeilen macht keinen Hehl daraus, daß er gleichfalls der Ansicht ist, daß Europa unter einer deutsch-französischen Gewaltpolitik leidet, ja ersticken wird. Der Kontinent hat seit 100 Jahren sein Gleichgewicht verloren, das er sich in vielen Jahrhunderten erstritt und erfocht, so fragil das auch war, und das kann ja gar nicht anders sein bei vitalen Völkern, in denen es immer brodelt und gärt und sich sein Rückgrat schon im Generationenwechsel immer neu ausschmelzen muß.

Deutschland - und das hat seine unmittelbaren Auswirkungen auf das Verhalten Frankreichs - ist zu groß für diesen Kontinent, und gleichzeitig fehlt es an ausreichend mächtigen Gegenspielern. Der Kontinent kann nur durch ein Reich zusammengehalten werden, aber ganz sicher nicht durch einen Zentralstaat. In dem sich das bei weitem stärkste Glied, Deutschland, selbst wenn es das nicht wollte - und "böse Absicht" wollen wir schon gar niemandem unterstellen, ja das schließen wir aus - zum Alleinherrscher durchsetzen wird. Das hat mit der inneren Logik von großen Organismen zu tun, die gar nicht anders können als sich um einen Kopf, eine Mitte zu gliedern. Und sie tun das auch, sonst gehen sie auf jeden Fall zugrunde.

Die Reichsidee ist kein Staat. Sie bindet lediglich seine Glieder zu einem Ganzen, bindet sie vor allem aber an eine Herrschaftsidee, die nur im Religiösen ihre Wurzel haben kann. Denn ob unausgesprochen, gewollt, oder nicht - Legitimität ist immer eine religiöse Frage. Ein europäisches Reich braucht aber eine Ordnung, und diese Ordnung muß eine Hierarchie sein. Und in dieser Hierarchie muß sich ein harmonisches Verhältnis der Teile zueinander ausdrücken. Ein Reich kann nicht akzeptieren, daß ein Glied so stark wird, daß es den übrigen seine Charakteristik aufprägt. Alles in einem Organismus muß im Gegenteil seine Eigenart bewahren. Die Niere wird nie Sauerstoff aufnehmen wie die Lunge. Aber die Lunge wird kollabieren, wenn ihr Lebenssaft, der sie ans Ganze anbindet, vergiftet ist, weil die Niere nicht arbeitet. Zugleich kann sich ein Reich nicht mit Organen abfinden, die so stark sind, daß sie das Geschehen des Ganzen (ob still, ob explizit) zwingt.

Auch Deutschland braucht also diese übergeordnete Instanz. Nur ist die EU in heutiger Form eine Perversion des Reichsgedankens.* Das heutige Deutschland ist die zufällige Folge einer Mißgeburt, einer Scheinordnung, wie Egon Rosenstock-Huessy es einmal nennt. Über die historischen Gründe wurde und wird hier immer wieder gehandelt. Es steht nur vor der Wahl, seinen Zusammenhalt zum einen durch Technizismus aufrechtzuhalten, zum anderen, als "geistiges" Pendant, durch Nationalismus, der sich auf diese künstliche Idee bezieht. Es war damit zu einer Politik der Dominanz verdammt, die sich ungebrochen bis heute fortsetzt.**

Ja, die die Politik auch der Gegenwart kennzeichnet, weil die sich gegen diesen Druck, der von "innen heraus" kommt, zur Wehr setzt, und damit erst recht nachgibt weil getrieben ist. So hat sich selbst der deutsche "Helferkomplex" (aus Wiedergutmachungsmentalität heraus) ins Gegenteil pervertiert. So wurde deutsche Finanzhilfe, die die anderen stärken sollte, zum Gegenteil: noch nie war Deutschland so mächtig! Und noch nie war es so getrieben.

Aber diese Macht ist aus ihrer Natur heraus ungeordnet, und das macht sie sogar zur Gefahr. Denn es fehlt ihm der wirkliche Nährboden eines Organismus - die gemeinsame Kultur. Zu der Definitionen wie "Abendland" nicht ausreichen. "Abendland" kann nur ein Reich motivieren, nicht seine Länder.

So verwaschen diese Identifikationsebenen bereits geworden sind. Sie sind dennoch da ,und brechen auch immer wieder (im "Separatismus") auf. Als kleinster gemeinsamer Nenner des Deutschseins heute aber ist nur Technizismus, Wohlstandsideologie auszumachen, und der Wille zum Zusammenbleiben wird mehr durch die Verlockung von Macht und Stärke und von der Angst vor Wohlstandseinbußen und Bequemlichkeitsverlust befeuert, als durch fundamentale Mentalität. 

Die Idee hat man offiziell einfach untersagt. Aber doch flackert sie immer wieder auf, und das wird auch nicht enden, bis sie wieder ihren Drachenschädel erhebt. Denn diesem künstlichen Organismus fehlt die Seele. Deutschland ist im Ganzen gesehen seelenlos, war nie mehr als eine rationalistische Idee. Seele haben nur seine Regionen in sich, für sich, so schwach sie oft noch durchscheint, so sehr sie sich oft verflüchtigt zu haben scheint.

Morgen Teil 2 - Der Wunsch nach Zerstörung des Bestehenden






*Das war in den Augen des Verfassers dieser Zeilen leider der Grundirrtum, die Verkennung, die Otto von Habsburg's politisches Wirken so tragisch gemacht hat. Habsburg ist - das hat er auch immer gesagt - von der Reichsidee ausgegangen. Er hat aber übersehen, daß sie einer europäischen Einigung voraus gehen muß, nicht übergestülpt werden kann. Was ganz sicher im persönlichen Erleben, ja in der Herzensgüte dieses Mannes begründet lag. Dessen Weltbild deshalb ohne Arglist war.

**Die andere Länder sehr richtig ahnen. Die Tschechen zum Beispiel haben sehr hellsichtig seit 1918 ihre Allianz immer woanders gesucht, in den USA, in Frankreich, um dieser Macht nicht ausgeliefert zu sein.





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