In den Nachwehen der 68er Revolution im Jahr 1972 als Universitätsprofessor für Städtebau und Raumplanung an die Universität Innsbruck berufen, wurde ich mit einer geschichtslos aufgewachsenen Jugend konfrontiert. Die Ursache und Beziehung zwischen sozialer, militärischer, wirtschaftlicher und religiöser Geschichte einerseits und Städtebau andererseits waren den Studierenden unbekannt und mangels jeglicher Wissensbasis auch nicht zu erläutern. Historische Ereignisse aus dem Jahr 1800 wurden im Mittelschulunterricht vielfach übergangen, um nicht 'anzuecken', und nicht mit Sprüchen aus Maos 'Rotem Buch' mattgesetzt zu werden.
Auch ich erwarb eine solche Spruchsammlung im roten Plastikeinband, besitze sie noch heute und konnte sie, wie auch die Afrikabücher von Edgar Wallace, mit großem Erfolg nutzen, während viele meiner Kollegen der Konfrontation mit Diskutanten einen Krankenhausurlaub vorzogen.
[...] Der Versuch, den 'roten Faden' dieser Geschichte des Städtebaus nicht formal, sondern als Abfolge von Ursache, Wirkung und Gegenwirkung zu erläutern, stieß zunächst auf Unverständnis. Dies war, wie Recherchen ergaben, auf das Unvermögen zurückzuführen, Fakten der Sozial-, Wirtschafts- und Kriegsgeschichte mit solchen der Baugeschichte zu verknüpfen und dadurch Ursache-Wirkungszusammenhänge zu erkennen.
So ermangelte jede Relation; zum Beispiel, daß die Maya-Städte
- etwa 600 bis 900 n. Chr. mit Einwohnerzahlen bis zu hunderttausend Menschen eine weit höhere Bevölkerung aufwiesen als die großen Städte Mitteleuropas im selben Zeitabschnitt
- eine Bevölkerungsdichte von bis zu zwanzig Einwohner/Hektar aufwiesen, während sie am freien Land ca. zwei Einwohner/Hektar betrug - welche auch in unserer Zeit nicht ungewöhnlich ist,
- über eine Stadtfläche von bis zu 2500 Hektar verfügten;
- der Untergang der tradierten Stadtanlage durch Maximieren ihrer militärischen Sicherheit
- der Untergang der modernen zum Beispiel in Form der 'autogerechten Stadt', aber auch des Fußgängerverkehrs in ihrem Zentrum, ohne die benötigen peripheren Einrichtungen zu berücksichtigen,
jede Information über den beginnenden Zerfall sich multikulturell entwickelnder Megastädte - sie zerfallen in mehrere, nach Bevölkerungsgruppen und Nationalitäten unterschiedene Teilstädte, wie an den nordamerikanischen Städten, vornehmlich New York, beispielhaft zu sehen ist.
Aus dem Vorwort des 2008 erstmals erschienen Buches von
Franz Heigl, "Die Geschichte der Stadt"
*280113*