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Freitag, 11. Januar 2013

Der Schwanz der Katze - Japan (2)

Teil 2 - Rechnung ohne den Wirt




Staat und Wirtschaft fanden sich in Japan also traditionell und nun noch mehr getrieben zu einem fragilen Spiel ein. Mit allen Begleiterscheinungen, wie Korruption und Vetternwirtschaft. Wo unter ständiger und ständig wachsender Interventionsnotwendigkeit des Staates versucht wurde, das Wirtschaftswachstum und den Wohlstand aufrechtzuhalten, oder wieder zu erreichen, denn Japan befand sich damals in einer Rezession. Wirtschaftswachstum ist aber längst zur Notwendigkeit geworden  - für eine Zinswirtschaft essentiell, weil Zinsen Druck auf "mehr" auslösen. 

Mehr Effizienz, was immer heißt: Mehr Maschinen, mehr Verlagerung auf Umbau von Organisation vom Menschen weg auf technische Abläufe, und damit aber auch mehr Volumina, um die geringeren Margen aufzufangen, gleichzeitig aber keine Mitarbieter zu entlassen. Konsequenzen, die sich aus Maschineneinsatz ergeben, der anders kalkuliert werden kann bzw. muß. Um gleichzeitig den starken Yen abzufangen, der sonst die Preise am Weltmarkt nicht konkurrenzfähig gemacht hätte, anderseits über Mengen den Gesamtverdienst einzubringen.**

Aber dieses fragile Spiel hat nach und nach den Spielraum für Interventionen eingeengt, den für schöpferisches, freies Handeln - der eigentlichen Basis einer Volkswirtschaft - überhaupt aufgefressen. Alles ist zur Notwendigkeit geworden. Heute befindet sich Japan in einer scheinbar ausweglosen Zwickmühle: Rezession droht oder ist schon da, aber es gibt keine Steuerungsmittel mehr, um sie abzuwehren. Es zeigen sich Erscheinungen, die bisherige Termini der Volkswirtschaftslehre nicht mehr einfangen. Die Preise sollten sinken mangels Nachfrage und Überangebot, doch sie steigen. Gleichzeitig ist die Nachfrage gesunken, was auf einem Markt an sich zu geringeren Preise führen sollte. Das wäre Deflation, bislang das Schreckgespenst der Volkswirtschaftslehre, weil es zu einem völligen Zusammenbruch mit hoher Arbeitslosigkeit führt. Dem steuert man zum Beispiel durch Senkung der Zinsen, durch Erhöhung des Geldumlaufs gegen.

Die Zinsen können aber nicht mehr weiter gesenkt werden, sie gehen nämlich bereits gegen Null. Den Yen schwächen würde Kapitalflucht bringen, ihn stark zu halten weiterhin den Export erschweren, auf dem jede Hoffnung auf Wirtschaftswachstum aber ruht. Noch dazu bei einem ohnehin schwachen Weltmarkt, der von Rezessionen bedroht ist. Und es würde Kapital ins Land strömen lassen. Gleichzeitig würde dieses Mehr an Geld aber die Inflation weiter anheizen. Passiert aber nichts, setzt der Staat keine Konjunkturbelebung, droht endgültig jene Rezession, die seit 20 Jahren versucht wird fernzuhalten, und damit Massenarbeitslosigkeit. Diese Logik, die ja längst sämtliche Staaten der Welt plagt, ist in Japan offenbar endgültig ausgereizt.

Die Volkswirtschaft Japans steht damit heute vor einer seltsamen Situation: Sie wurde auf Gedeih und Verderb zu einem Gesamtorganismus, einerseits, um nach abstrakten Parametern steuerbar zu werden. Anderseits stellt sich nun heraus, daß die bekannten rationalen Steuerungsmechanismen nicht mehr funktionieren. Fördert man dies, schädigt man jenes, nimmt man hier weg, wird es dort mehr. Es ist nach Meinung vieler Kommentatoren nicht mehr voraussagbar, wie sich die Wirtschaft Japans weiter entwickeln wird. Steuerbar ist sie offenbar aber nicht mehr. 

Die Welt in Technik umzubrechen, führt sie an eine seltsame Grenze - Immanenz zeugt Immanenz, und damit Ausweglosigkeit weil Unwirklichkeit. Aber sie hinterläßt Wüsten.

Oder, von anderer Warte: Komplexe Systeme mit Rückkoppelung - wie es bei Organismen der Fall ist, also bei menschlichen Organisationen, Unternehmen etc. - werden ab einer gewissen Zusammenschließung zu großen kritischen Systemen. Und diese sind nicht nur nicht mehr steuerbar, sie sind auch nicht vorhersagbar. Jede Intervention in Einzelfunktionen, kleine Veränderungen oft, Einflußnahmen auf Teilfunktionen, selbst Erschütterungen, die jedes einzelne Organ noch locker verkraften würde, ja die oft und oft auch scheinbar das Ganze unverändert lassen, erhöhen die Spannungszustände der Beziehungen untereinander, und können unvorhersagbar und plötzlich und aus nichtigem Anlaß, wie er schon so oft nichts bewirkt hat, das große Ganze katastrophisch zerrütten. Das jede Steuerbarkeit verliert. Ja, kritische Systeme werden das tun. Das (und nur das, aber: das) IST vorhersagbar. Nur nicht wann.

Im Falle Japans, wo ein ganzes Land in ein abstraktes System gezwängt wurde, kommt nur ein weiterer Faktor, wie eine zweite Ebene, dazu - der einer vergewaltigten Anthropologie. Und das zeigt sich hier am deutlichsten. Der Mensch wie er immer ist, wie man ihn aber vergessen hat, ist der Wirt, ohne den heutige Wirtschaftspolitik ihre Rechnung macht. Aber er ist der einzige Ausweg.



**Marx zeigt sehr schön, wie dieses Kapital sich am Schluß aus eigener Logik heraus selbst auffrißt.



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