Neueste Erhebungen ergeben, daß 40 % aller säumigen Zahler jünger sind als 30 Jahre. Die Zahlungsmoral, so der Kurier, der eine Studie eines Inkassodienstes zitiert, sei bei jungen Leuten deutlich schlechter, als bei Älteren, schon gar verglichen mit der Altersgruppe ab 60 Jahre. War es früher eine selbstverständliche Tugend, pünktlich zu zahlen, habe sich dieses Bewußtsein verloren.
Die Gründe, die man in der Zeitung für solche hält, sind freilich lächerlich, und reihen sich in die allgemeine Blindheit ein, werden u. a. dem Wissen zugeordnet. Als gäbe es ein solches, ohne Mentalität und Haltung. Sie erklären nichts. "Oft geht es um den sogenannten Statuskonsum – Jugendliche kaufen sich
Dinge, um dazuzugehören. Aber auch ein schlechtes Vorbild des
Elternhauses und die unzureichende Thematisierung des Umgangs mit Geld
und Schulden in den Schulen spielen eine große Rolle."
Wenn Dinge ihre Mühe verlieren, verlieren sich die Dinge. Sie werden
wertlos, ihr Dingsein als Konstrukt von Beziehungen, in denen sie erst
im Bewußtsein vorhanden sind, wird nichtig. Bis auf einen Aspekt: den
der Funktionslisierung, ja der Einschränkung auf das bloße technische
Funktionieren, das an sich bereits als Sinn der Dinge gesehen wird.
Eine Generation, die alles, was ihr im Leben über den Weg läuft, als Recht und Anspruch definiert (erhält), ja wo diese Selbstverständlichkeit zum Erziehungsziel und mangelndes Bewußtsein über Abhängigkeiten und Zusammenhänge zum Merkmal von Mündigkeit erklärt wird, die erfährt, daß alles Bedürfen abstrakte Funktion ist - man muß nur Formulare ausfüllen, objektive Kriterien erfüllen, technische Abläufe bedienen - und mit konkreten Personen nichts zu tun hat, ja haben soll (als eines der obersten Ansprüche des Sozialstaates) ... wie soll so eine Generation begreifen, daß für fremde Leistung ein Wert, Mühe, "Schmerz" aufzubringen ist? So verliert sich selbst der Eigentumsbegriff, was sich im ebenfalls oft erfahrbaren Verlust von Verantwortungsgefühl von einer weiteren Seite
zeigt. Wo "Danke" und "Bitte" noch vor vierzig Jahren mit fast jeder Bedürfnisbefriedigung einherging, hat es genau diese Eingebettetheit in persönliche Beziehung - auch dem Sein selbst gegenüber - dargestellt und verfleischlicht.
Was genommen wird, ist nie "Anspruch", es ist immer letztlich geschenkt, und verlangt deshalb Dank und Dankabstattung in der Gegenseitigkeit. Wo soll dieses Gegenüber aber sein, wenn alles ohnehin nur noch physikalisch-chemische Abläufe, Recht und Pflichtverhältnisse sind, die nicht einmal mehr vom persönlichen Willen abhängen, sondern im Rechtsanspruch samt Sanktionsapparat mechanisiert sind?* Was sich aber vor allem in der Prägung des Handelns vermittelt.
Nicht nur das - Dankbarkeit und Bitte - als Erziehungsinhalt - als Formung der Gewohnheit, und damit der Haltung - gilt als völlig verpönt, ja moralisch verwerflich. Kinder kommen damit schon aus den Kindergärten mit dem geschulten Anspruch, auf alles, was ihnen möglich ist, auch ein Recht zu haben, und sei es: in der Ausbildung von Talenten. So, als wäre jedes Talent auch ohne Situationsrahmen (wozu auch die finanzielle Situation der Eltern zählt, in der alleine sich viel ausdrückt, als Aufgabe wie als Auftrag) einfach abstrakt zu entwickeln, und nicht in einen solchen Rahmen hinein, samt allen Behinderungen und Mühen, weil erst diese den besonderen Charakter einer Fähigkeit ausmachen - auch die Gebrauchtheit selbst definieren.
Die Nicht-Gebrauchtheit, in der sich heute so viele junge Menschen sehen, hängt direkt auch damit zusammen. Und hängt mit der Zahlungsmoral zusammen. Wenn gar nichts mehr gebraucht wird, sondern ohnehin dazusein hat und da ist, braucht auch der Lieferant keine Zahlung. Er existiert gar nicht mehr in seiner Bedürftigkeit (nach Bezahlung seiner Leistung.) Wie sollte eine Online-Bestellung (zu der sich ja schon die meisten Käufe reduziert haben, selbst im Laden) auch die Bedürftigkeit des Verkäufers erfahrbar machen?
Werte werden nicht durch Information oder Wissen vermittelt. Wenn Thomas v. Aquin schreibt, daß das Erkennen dem Willen vorangeht, so ist das nur dahingehend zu verstehen, daß der Wille ein konkretes Ziel braucht, um es - in der Liebe, der eigentlichen Kraft des Willens - anstreben zu können. Johannes Duns Scotus korrigiert (erweiternd) den Aquinaten deshalb dahingehend, als er Thomas zwar ontologisch recht gibt, den Willen aber dennoch voranstellt, und zwar psychologisch wie moralisch. Es braucht den Willen, um zu erkennen, das ein "Werden wie" ist. Und damit die Herzenshaltung, als Gehorsam einer Sachlage gemäß, die sich im Fleischlichen konkretisiert hat.
Dieses aber erwächst aus der konkreten Formung des konkreten Alltags. Begreift man ihn als "Ritus", der die Ordnung der Welt in der Einordnung, im Einfügen verfleischlicht, wird begreiflich, daß der Mensch diesen Konstellationen gemäß seine Werte und prägenden Haltungen erfährt und vollzieht.
In einer Welt, in der sich alle Dinge auflösen, weil über technische Abläufe definiert werden, kann sich keine "Moral" mehr bilden. Denn sie erschöpft sich im "Bedienen", im Funktionsablauf selbst bereits, dort liegt und bleibt das "Gelingen".
Im Fall der Zahlungsmoral der Jugend wird dieses Bedienen in seiner Wörtlichkeit zwangsläufig deutlich.
*Dankbarkeit von Kindern den Eltern gegenüber verliert sich heute schon prinzipiell. Über diesen Rechtfertigungsmechanismus, der alle Pflichterfüllung des anderen zu seiner Auswegslosigkeit erklärt, die er ohnehin zu erbringen hätte, ohne jede ethische Qualität: denn das Kind hat darauf einen Anspruch, ein Recht, und kann dieses Recht auch unabhängig von persönlicher Beziehung einfordern, und erfüllt erhalten. Wörtliche Antwort eines jungen Erwachsenen auf den Vorwurf, er würde geringschätzen, daß man ihn großgezogen habe: "War sowieso Deine Pflicht, hättest Du ohnehin müssen, indem Du mich in die Welt gesetzt hast - warum dafür dankbar sein?" Damit entledigt sich die mittlerweile zweite Generation ihrer Verbindlichkeit ihren Nächsten gegenüber, funktionalisiert und abstrahiert das menschliche Zueinander auf neutrale Abläufe, denen der Nehmende mit keinerlei Pflichten gegenübersteht. Damit bricht jeder zwischenmenschliche Respekt weg. Was sollte man noch respektieren? Abläufe? Teile von Mechanismen?
Tatsächlich wird das Verhalten den Eltern gegenüber an die Einhaltung bestimmten "Wohlverhaltens" gekoppelt, bestimmer Vorstellungen, die man sich von ihnen macht. Mehr noch, wird heute von Eltern verlangt, daß sie ihr eigenes Schicksal neutralisieren, sich selbst wie "wegschaffen", um "objektive" Bedingungen für die Kinder zu bieten, die "ohne soziale Prägung" aufwachsen sollen. Das heißt: ohne die jeweilige Personswürde der Eltern.
Es klingt heute gewiß befremdlich, aber der Verfasser dieser Zeilen hat erst in der Pubertät das erste mal seine eigene Mutter ins Gesicht geduzt. Sie wurde in der Familie, auch unter den Geschwistern, stets in einer etwas abgeschmirgelten Form des pluralis majestatis nur indirekt angesprochen: "Habt's Ihr das und das ..." Ob das bei "Erwin" und "Jutta" - Kinder nennen heute oft ihre Eltern sogar beim Vornamen - ähnlichen Respekt anzeigt? Vielmehr drückt sich in dieser Erziehungsverweigerung, die dahinter steckt, bereits die erwähnte erste Generation aus, die in dieser Haltung aufwuchs, und nun - unter der Lüge, es sei pädagogisch viel wertvoller - ihren Nachwuchs der Verwahrlosung (als Haltungslosigkeit) preisgibt, die Verantwortung verweigert.
SOLCHE Dinge können einem Angst vor der Zukunft machen, denn sie werden sich noch als eigentlicher Sprengsatz der Rentensysteme erweisen. Ja, wir sind längst mitten drin. Vor allem aber drückt sich darin eine furchterregende Gerinschätzung des Lebens selbst aus, das gar nicht mehr als ungeheures Geschenk erfahren wird, das immer Dankbarkeit fordert und rechtfertigt.
*Dankbarkeit von Kindern den Eltern gegenüber verliert sich heute schon prinzipiell. Über diesen Rechtfertigungsmechanismus, der alle Pflichterfüllung des anderen zu seiner Auswegslosigkeit erklärt, die er ohnehin zu erbringen hätte, ohne jede ethische Qualität: denn das Kind hat darauf einen Anspruch, ein Recht, und kann dieses Recht auch unabhängig von persönlicher Beziehung einfordern, und erfüllt erhalten. Wörtliche Antwort eines jungen Erwachsenen auf den Vorwurf, er würde geringschätzen, daß man ihn großgezogen habe: "War sowieso Deine Pflicht, hättest Du ohnehin müssen, indem Du mich in die Welt gesetzt hast - warum dafür dankbar sein?" Damit entledigt sich die mittlerweile zweite Generation ihrer Verbindlichkeit ihren Nächsten gegenüber, funktionalisiert und abstrahiert das menschliche Zueinander auf neutrale Abläufe, denen der Nehmende mit keinerlei Pflichten gegenübersteht. Damit bricht jeder zwischenmenschliche Respekt weg. Was sollte man noch respektieren? Abläufe? Teile von Mechanismen?
Tatsächlich wird das Verhalten den Eltern gegenüber an die Einhaltung bestimmten "Wohlverhaltens" gekoppelt, bestimmer Vorstellungen, die man sich von ihnen macht. Mehr noch, wird heute von Eltern verlangt, daß sie ihr eigenes Schicksal neutralisieren, sich selbst wie "wegschaffen", um "objektive" Bedingungen für die Kinder zu bieten, die "ohne soziale Prägung" aufwachsen sollen. Das heißt: ohne die jeweilige Personswürde der Eltern.
Es klingt heute gewiß befremdlich, aber der Verfasser dieser Zeilen hat erst in der Pubertät das erste mal seine eigene Mutter ins Gesicht geduzt. Sie wurde in der Familie, auch unter den Geschwistern, stets in einer etwas abgeschmirgelten Form des pluralis majestatis nur indirekt angesprochen: "Habt's Ihr das und das ..." Ob das bei "Erwin" und "Jutta" - Kinder nennen heute oft ihre Eltern sogar beim Vornamen - ähnlichen Respekt anzeigt? Vielmehr drückt sich in dieser Erziehungsverweigerung, die dahinter steckt, bereits die erwähnte erste Generation aus, die in dieser Haltung aufwuchs, und nun - unter der Lüge, es sei pädagogisch viel wertvoller - ihren Nachwuchs der Verwahrlosung (als Haltungslosigkeit) preisgibt, die Verantwortung verweigert.
SOLCHE Dinge können einem Angst vor der Zukunft machen, denn sie werden sich noch als eigentlicher Sprengsatz der Rentensysteme erweisen. Ja, wir sind längst mitten drin. Vor allem aber drückt sich darin eine furchterregende Gerinschätzung des Lebens selbst aus, das gar nicht mehr als ungeheures Geschenk erfahren wird, das immer Dankbarkeit fordert und rechtfertigt.
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