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Freitag, 4. Januar 2013

Entschiedene Auswahl

Die Liebe der Freundschaft kann nicht auf "viele" gehen, denn sie ist auswählend, hebt ein anderes Ich aus der Masse, auf daß es in der Treu zum Du werde. Sie ist unabhängig von der Eigenschaftlichkeit des anderen, denn sie geht auf die ganze Person. Deshalb ist sie auch unabhängig von seinen Veränderungen. Also muß sie gut überlegt und gewählt sein, denn in diesem Auserwählten wird auch das eigene Ich erst zu sich selbst, auf eine neue Weise, die sich aus dem Spiegel im anderen ergibt - wo das Du zum Ich wird. Dem einmal gewählten Freund kann man deshalb nicht ausweichen, er wird zum Merkmal eines selbst.

Es kann deshalb nicht viele "friends" geben. Viele Freunde führen automatisch zur Zerstreuung, zur Zersetzung, weshalb ausgewählt werden muß - dem Wesen der Freundschaft entgegenstehend - und sie verlangt die Unveränderlichkeit des Begehrten, das zum Objekt wird. Objekte aber kann man nicht lieben, sondern nur begehren. Viel-Ehe geht in die Begierde über, Viel-Freundschaft in die Gewinnsucht. (Diese Form der) Liebe - die Griechen unterschieden deshalb sehr wirklichkeitsgetreu derer 4 Formen - wählt aus, sie diskriminiert. Denn wer einen Freund hat, hat - in der Selbsttranszendenz auf einen Menschen hin, in dessen Du das Ich sich erfährt - einen Herrn. Man kann aber nicht vielen Herren dienen.

Wie immer die Stellung des in Freundschaft und Treue (bis zum Tod im Martyrium) Geliebten in der Gesellschaft und Masse sein mag - er bleibt der Auserwählte. Und er bleibt deshalb der Notwendige, denn ohne Freundschaft kann der Mensch gar nicht zu sich finden. Insofern ist jedes menschliche dem Mönchstum gleich, auch in der ehelichen Liebe und Treue, die sich in diesem Punkte von der Freundschaft nicht unterscheidet. Beide sind freie Entscheidungen des Willens, nur ist das eine in die Begehrensdimension gestellt, und damit in einem anderen Rang, das andere bleibt der Disposition (und damit Fehlbarkeit) des je aktuellen Willens anheimgestellt. Beide formen aber in der Geschichtlichkeit ihre immer tragendere Konkretion in der Welt. Sodaß auch die wahre Freundschaft als Willensentschluß nie aufhört. Gebrochene Freundschaft bleibt eine immerwährende Wunde, die gerade im Schmerz ihre Erfülltheit findet. Insofern sind es die Tränen, die die wahre Freundschaft erst recht kennzeichnen.

Freundschaft ist zugleich Wesen und Gestalt der Kirche, weil in ihr die Liebe neue Gestalt annimmt "Wo zwei oder drei in meinem Namen beisammen sind, da bin ich mitten unter ihnen." ist also keine quantitative "Minimalforderung", sondern Beschreibung des Aufbaus der Kirche - immer ausgehend von Freundschaft zweier bzw. weniger, nie unterschiedslos "allen" gegenüber, nicht in dieser, sondern nur in allgemeinerer Form des Wohlwollens. Diese hohe Form der Liebe ist klar und entschieden an je eine Person bzw. an wenige Ausgewählte gebunden. Man würde sie zerstören, würde man ihre Pflichten wie Privilegien allen zuweisen. Diese allumfassende Freundschaft ist nur Jesus Christus möglich, aber sie ist erst recht Auserwählung, in der jeder Mensch sein Du und im Du sein Ich hat.

Nur wo diese Liebe in der Auserwählung der Freundschaft wirkliche Gestalt wird, wird sie auch universal. Denn die Liebe, schreibt Florenski, hat das Heiligtum der Seele zur Wurzel und ist nur insoweit möglich, als dieses Heiligtum lebendig ist: die Liebe ist nicht nur universal, sondern auch begrenzt; sie ist nicht nur unermeßlich, sondern auch abgeschlossen. Das Geheimnis des Herzens darf nicht allen eröffnet werden - wo es Schweinen und Hunden vorgeworfen wird. Denn dieses Geheimnis entzieht sich menschlicher Machbarkeit: die reine Lossagung vom Selbst ist uns unmöglich, entzieht sich dem Verstand. Sie braucht die unbegreifliche Gnade der Dreipersönlichen Wahrheit.

So ist auch die Eifersucht - von der als Eigenschaft Gottes in der ganzen Bibel die Rede ist - meist völlig falsch gedeutet. Florenski schreibt, daß sie auf die Erfüllung der eigenen Liebe abzielt, indem sie den anderen "eifrig" drängt, sich diesem Du-Sein nicht zu entziehen, die Treue zu wahren, damit die Liebe zur Erfüllung und Vollkommenheit kommt. Sie zielt deshalb auf die Vollkommenheit des anderen ab, und ist unablässige Begleiterin der Liebe, die ihre Vollkommenheit will und sich meldet, wenn der andere, der Erwählte, diese verweigert. Was immer an Haß und Zorn der Eifersucht beigelegt wird, ist nicht diese, sondern Begierde, die auf die selbstsüchtige Nutznießung abzielt.

In der Eifersucht als Gegenwirkung auf den Treuebruch muß der Gewählte sich entscheiden - am Thron der Liebe, im Fest der Freundesliebe zu bleiben, oder in die Masse der Alltäglichkeit zurückzusinken. Wenn das Du aufhört, ein Du zu sein, und nicht zurückkehren will, müßte die Freundschaft gebrochen werden. Nur damit würde die Pflicht aufhören, dem anderen das Du zu sein. Weshalb mit dem Bruch immer ein Verlust des eigenen Ich einhergehen würde, denn bis zu diesem Punkt wurde dieses Ich bereits am Du. Im Achten einer nunmehrigen Fremdheit risse das Herz also ein Stück von sich heraus.




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