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Dienstag, 20. Oktober 2015

Geschenk des Scheiterns (2)

Teil 2) Ideen gehören dem Einzelnen. 
Sie sind aber der Gemeinschaft entnommen




Denn auch die Risikofaktoren sind Teil des Marktes, man kann sie nicht neutralisieren. Und sie sind immer lokal, als genau das was sie vollumfänglich faktisch einfach sind und so wie sie sind, und sind persönlich zu überwinden. Von allen zu verlangen, es sei nach einem Scheitern so zu tun, als sei nie etwas passiert, ist kontraproduktiv. Noch mehr: daraus gar ein Recht, einen Anspruch zu konstruieren würde jedem unternehmerischen Ethos Hohn sprechen. Unternehmertum heißt mehr, weit mehr, als irgendwelche technischen Skills zu besitzen. Erst in dieser Schule erweist sich die Umsetzungswürdigkeit auch einer technischen Idee. Viel mehr als technische Ideen (fälschlich meist als "Innovationen" bezeichnet) brauchen wir unternehmerisches "ganzheitliches" Ethos.

Denn was heute sowieso nicht mehr gesehen wird ist der soziale Faktor auch von Ideen. Nicht in der Übertreibung, daß Ideen des Einzelnen sowieso Allgemeineigentum sind, der Einzelne also auch gar kein Recht auf Urheberschaft hätte. Dieses heute so verbreitete Sagen ist nicht mehr als paradoxder Ausfluß einer allgemeinen Haltung: Angenehmes zu individualisieren, Unangenehmes abzuwälzen. Denn mit der Forderung nach Verallgemeinerung am Eigentum von Ideen werden immer die Ideen des anderen gemeint, die man sich (im nunmehr legitim gemachten Diebstahlsverfahren) aneignen will.

Nein, gerade die Urheberschaft ist eine Frucht der Individualleistung, ist vom Erbringer nicht zu trennen. (So historisch relativ eben Eigentum ist, was an diesen Aussagen hoffentlich deutlich wird; genau DESHALB ist es ja zu schützen.) Aber ihr Material entstammt der Allgemeinheit. In der sozialen Eingebundenheit und Bezogenheit des Einzelnen darauf sind erst jene Wirkkräfte zu finden, an der der Einzelne dann Anteil nimmt, der sie formt, in Gestalt bringt - durch Idee. Die sich aber gerade bei ihm, in dieser konkreten Situation, zu einer Verbindung einfindet, die ebenso einzig ist, wie sie der Allgemeinheit, der "Stimmung" (und wie immer man das bezeichnen möchte) entspricht. Es gibt kein menschliches Handeln, das nicht ein "Handeln für ..." wäre.

Im Schutz des Eigentums auch an Ideen wird das Individuum respektiert, ohne das solche Idee nie ausgeläutert und geboren wäre. Das ist weit mehr als eine nette Geste! Wenn man schon von "Bewahrung der Schöpfung" spricht, dann muß diese genau hier ansetzen: Weil das Wesen der Schöpfung darin liegt, daß ihre Gestalten aus ihrem Wesen her RELATIV, historisch sind, muß die historische Situation in den realen, konkreten Gestalten und Formen respektiert und geachtet werden. Man kann die Absolutheit Gottes, des Geistes, nicht gegen die an dieser Absolutheit nur teilhabenden, deshalb immer relativen (nur in der Bezogenheit seienden, sonst verfallenden) Geschichte ausspielen. Man kann nicht "die Elternschaft", "die Autorität", "den Staat" achten, aber die konkreten Eltern, die konkrete reale Autorität, den konkreten Staat ignorieren. Insofern IST im Konkreten eben tatsächlich das Absolute, das Konkrete Symbol des Absoluten, stellvertretende Maske des Ewigen, nur nicht mit diesem identisch.*

Was alles aber immer noch keine Aussage über die (am absoluten Sinn zu messende) Qualität einer Idee ist. Es gibt auch ein Erspüren zerstörerischer Stimmungen, damit: böse, falsche Ideen. Und die haben sogar meist den schnellsten Erfolg, wie alles, was auf Schwächen des Menschen zielt.

Kein Kollektivkörper "bringt" aber Ideen. Diese sind Konkretionen, und brauchen deshalb den Geburtsvorgang im, den Modus des Individuellen. Das ist ihr Ort, und das ist der Ort der Inspiration (die eine Inspiration "von" ist). Und weil das so ist, Individualität gewisse Einsamkeit voraussetzt, stammen die meisten großen Ideen - aus den Peripherien! Es ist das kleinste Senfkorn, das zum größten Baum wächst.

Aber das Individuum muß sich dieses Zusammenhangs bewußt bleiben, muß darum wissen. Geist ist immer ein Austausch, ein wechselseitiges Hauchen in Anruf und Antwort, nie einseitig. Und es ist im Individuum gleichermaßen ein wechselseitiges Zuhauchen mit der Vernunft, der Wahrheit, der Seinsordnung. (Auch und gerade dort, wo das bestritten wird.) Wo das vergessen wird, folgt eine unzulässige Überhebung, ein "Gotteswahn". Und dort wird dann auch ein solcherart falsch verstandenes Unternehmertum zum Krebsgeschwür.

Die Idee kann der Aufnahmebereitschaft einer Sozietät - sich zu einer Idee zu stellen ist ein eigenes Geschehen, das mit der Idee und ihrer Entsprechung in der Allgemeinheit nur zu tun hat, aber nicht automatisch formal anerkennt - weit voraus sein. Weshalb es nicht selten ist, daß die besten, die richtigsten Ideen am meisten abgelehnt werden. Ja, es kann eine kulturelle Stimmung entstehen, in der prinzipiell die richtigen Ideen abgelehnt werden. So eine Kultur ist dann zum Absterben verurteilt, die Geschichte ist voll von solchen Beispielen.

Es kann aber auch einen Punkt der Gestaltreife treffen, in der diese Idee - die man erst nachträglich als "eine Zeit auf den Punkt gebracht" erkennt - im Gemeinwesen explodiert. Geniale Menschen sogar sind deshalb immer eine Frucht, eine "Kulmination" einer Zeit und des Wesens einer Zeit. Sie sind nie isoliert zu betrachten, und sie sind ohne die Zeit und ihre Umstände, ohne die soziale Dimension des Genies, nicht zu denken. In der Anerkennung wie in der Ablehnung. Und beides hat Sinn.

Weshalb es auch banausischer, ja abstoßender und kontraproduktiver Technizismus ist so zu tun, als wäre Genie und geniale Idee züchtbar, etwa durch "Förderungsprogramme in den Schulen" - oder durch Unternehmensförderungsprogramme. Eher ist sogar das Gegenteil der Fall - geniale Ideen müssen immer eine Läuterung durch einen Kampf des Ideenträgers gegen Zeit und Umstände durchlaufen. Sie werden sonst vielleicht sogar zu für sich stehenden Krebsgeschwüren, die alles zerstören können. Und dabei als "so richtig" rezipiert werden.



Morgen Teil 3) Weshalb es ein schöpferisches Gelingen NUR aus dem Scheitern heraus gibt



*Ein Heraustreten aus diesem Respekt vor dem Konkreten bewirkt deshalb ein Heraustreten aus der Ordnung des Seins überhaupt. Hier handelt es sich um eine Grundsatzentscheidung, nicht um ein konkret isolierbares Einzelgeschehen, sagen wir: NUR DIESER Lehrer, NUR DIESER Vater, NUR DIESER Pfarrer, etc. (Natürlich auch: NUR DIESER Papst ...) Deshalb wirkt die Mißachtung des konkret Übergeordneten (Welt als Analogie zur Ewigen Ordnung der Ideen Gottes) direkt auf die einem selbst Untergeordneten. Als Beispiel illustriert: Wo der Vater, die Mutter den Pfarrer, den Lehrer, den Bürgermeister, den Chef, den Unternehmer als gesellschaftlich-hierarchisch Übergeordneten ...) mißachtet, werden sie in der Familie keine Autorität mehr aufrichten können, zerfällt auch die Lebenskraft der Familie. Das geht über jedes Denken in "Vorbildern" (als Imitation) um Dimensionen hinaus: Es ist ein Grundsatzerfahren der Bedeutung der Ordnung für die Welt.



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