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Samstag, 3. Oktober 2015

Gott hat es gegeben

Von größter Bedeutung für die Rechtsentwicklung ist die Frage nach der Besetzung des Landes und der Art der Ansiedlung. Denn ein Naturvolk wie die Germanen paßt sein Recht aufs engste der Wirtschaft an, und nicht nur sein agrarisches Recht, sondern auch sein Familienrecht, sein Erbrecht, sein Vermögens- und Strafrecht.

Griff eine Völkerschaft nach neuem Gebiet, so riß zunächst der Eroberer das Land an sich. Der Eroberer war die Gesamtheit. Starke Führer hielten sie zusammen. Das Volk eroberte und deshalb galt das Volk als Eigentümer. Die Okkupation verlieh den Rechtstitel, nicht nur weil der Eroberer die tatsachliche Macht über die eroberte Landstrecke besaß, sondern weil das durch Kampf erworbene als rechtmäßig erworben galt. Begleitete doch der Kriegsgott die ausziehenden Männer. Verteilte doch er Sieg oder Niederlage. Von Anfang an können wir beobachten, in welch inniger Verbindung Kraft und Recht standen. Was durch Kraftleistung erworben war, galt als rechtmäßig erworben.


Hans Fehr in seiner "Rechtsgeschichte" über die 
Ursprünge des Deutschen Rechts bei den alten Germanenstämmen



Zwar galt bei den Germanen ein erobertes Land als Volksland, aber dennoch war niemals die Rede davon, daß nun alle gleiche Rechte daran hätten, gar gleich viel Land zugeteilt bekommen hätten. Vielmehr galt, wie schon Tacitus schreibt, daß Würde, Verdienst, Stand und Rang dieses Maß bestimmten. Von Anfang an findet sich also auch hier der Grundsatz, daß Eigentum mit Persönlichkeit (der Kraft, eine Maske zu tragen, so könnte man es umschreiben, denn die Ordnung eines Volkes, eines Staates ist die einer Masken-Ordnung) einhergehen mußten. Und das ist auch ins Recht eingegangen weil allgemein als Recht empfunden worden. Das zeigt, daß schon die alten Völker den Rang, den Stand, ja selbst Besitz in einer göttlichen, transzendenten Ordnung begründet sahen. Deren man freilich auch wieder verlustig gehen konnte - indem man die Maske, die die Stelle in dieser göttlichen Ordnung stellvertretend beihaltete, nicht mehr zu tragen vermochte oder wollte.

Anders aber als bei den orientalischen Völkern, anders auch als bei Römern und Galliern, waren die einfacheren Leute, die Boden zur Bewirtschaftung in Leihe erhielten (man denke nur an weitere Zuwanderer, oder Söhne aus kinderreichen Familien, die nicht am Hausgut bleiben konnten oder wollten) nicht Sklaven, sondern blieben Freie - mit Abgabenpflicht. Das bewirkte, daß jeder die Abgaben überschreitende Ertrag zur privaten Verwendung blieb. Und so waren selbst die einfachsten germanischen Bauern seit je daran interessiert, gut zu wirtschaften, weil sie aus eigener Kraft etwas schaffen konnten.



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