Dieses Blog durchsuchen

Sonntag, 18. Oktober 2015

Vom Sehnen der Poesie nach Gott

Es wäre höchst bedauerlich (und der Konjunktiv überspielt bewußt manche Realität, die es als bereits eingetreten bezeichnen muß), wenn über aller Kritik am Islam sein poetischer und darin universaler Wert übersehen oder gar geringgeschätzt würde. Er ist wie alle Poesie der geöffnete Blütenkelch, der seine Mutterknoten mit geöffneten Schenkeln der Sonne entgegenreckt, um den befruchtenden Strahl der Gnade zu empfangen.

Womit man beim Wesen der Religionen überhaupt angelangt ist. Die allesamt ihre Erfüllung nur in dem finden, wo sich Übernatur und Natur ineinanderschlingen - im Katholizismus, der deshalb wesentlich keine Religion ist, wenn er auch der Religiosität - der Poesie s.o. - als nötiger empfahensbereiter Beitrag der Welt bedarf. Wieweit sich diese Katholizität auch außerhalb der römischen Kirche ereignen kann, bleibt ein Geheimnis, das zwar prinzipiell unmöglich, aber dennoch "für Gott" möglich ist. Davon freilich auszugehen, andere Religion quasi gleichberechtigt weil gleich zu behandeln, ist nur töricht. Sie bleiben irdisch gefangene, weltimmanente Sehnsucht, als solche sind sie zu schätzen. Aber sie bleiben unerfüllt. Denn ihnen fehlt die Teilhabe an der Gestalt des inkarnierten Gottes - Jesus Christus. Der der Welt die Erlösung deshalb brachte, weil er ihren Gestaltenkreis in Gott hinein erweiterte. Und Menschsein heißt: Teilhabe an menschlicher Gestalt, an jenem, der die Menschheit selbst IST. Und der (anders als die Menschen sind) zugleich Gott IST.*

Damit bleibt ihre Wirklichkeitsrelevanz gleichfalls weltimmanent, weil eben das Sehnen als Tangente ins Transzendentale hinein unerfüllt bleiben muß. Deshalb ist jede Religion eigentlich in zwei Bereiche zu teilen. Der eine bezieht sich auf dieses Sehnen, in dem die Analogie mit Gott, die die Welt ist, ins Unendliche hinein verlängert wird (ohne diese Verlängerung eigentlich zu sehen.) Hierin läßt sich tatsächlich in mehr oder weniger allen menschlichen Gesellschaften und Religiositätsformen Wertvolles finden. Sie alle enden jedoch an der äußeren Hülle der Welt, von der sie zurückprallen.

Alle (sic!) - und das erst macht sei ja zu Religionen - definieren nunmehr einen Ersatzweg, der diese (prinzipiell versagte) Erfüllung doch bringen soll. Und deshalb endet jede Religion in der Weltimmanenz, die zu überwinden ja ihr ursprüngliches Motivans war. Die Formen, in denen sich das äußert, sind äußerst vielfältig, und wohl so vielfältig wie es Menschen gibt. Sie bleiben alle in dieser Menschlichkeit (sieht man von den möglichen Ausnahmen ab, über die aber keine Aussage gemacht werden, die deshalb keineswegs als "Weg" gesehen werden kann, denn damit würde sie erst recht an einer Aporie, an einer contradictio in adjectio scheitern.) 

Erst dort kann eine kritische Auseinandersetzung mit dem Islam ansetzen. Gleichzeitig wird aus dem Gesagten auch klar, daß sich Islam und seine -ismen tatsächlich nicht trennen lassen.* Wo der einzelne Muslim vor dieser äußersten Grenze (s.o.) innehält, in Geduld und Unerfülltheit verharrt, dort kann er auch von der Gnade abgeholt werden. Die da letztendlich Bekehrung hieße.***

Jenem Punkt also, ab dem sich die Poesie tatsächlich zum Sakrament - zur sakralen Kunst im eigentlichsten Sinn - erfüllen würde.




*Wie tief dieses Wissen in allen Menschen verankert ist zeigt sich darin, daß jede Religion ihre Herkunft AUS Gott in möglichst direkter Weise zu belegen sucht und behauptet. Im Fall des Islam: Als unhinterfragbare Behauptung der Unantastbarkeit des Koran, der auf diese Weise zum (dem Katholischen Sakramentsbegriff angeglichenen) Sakrament wird. Genau dort übrigens ist seine genuine Schwachstelle, sein neuralgischer Punkt, auf die sich sämtliche weitere Religionserfüllung bezieht. Alles im real beobachtbaren Islam läßt sich aus diesem Punkt heraus begreifen. Und das erhellt auch seine historische Nähe zum Judentum.

**Nur keine Illusionen: Auch das Katholische kann zu einem -ismus werden, ja das tut er sogar in fast allen Fällen, und praktisch ständig - täglich 7 mal 70 mal! Er tut es nämlich überall dort, wo der Einzelne, der Katholik, nicht ausreichend selbst bekehrt ist. Und - das ist überall dort der Fall, wo er sündigt. Also - jeder. Katholizität ist also lediglich dort von anderen Religionen unterschieden, und er selbst, wo der Einzelne sich immer wieder neu aus seinem "-ismus" in die "-tät" hineinhebt, sich je neu öffnet, bzw. wo diese Offenheit zur Haltung geworden ist. Als Resultat der Erziehung, als kultureller Habitus. 

Was im übrigen die Verrücktheit von Aussagen zeigt, wonach der Katholik auch dort Katholik sein könnte, wo das Umfeld nicht mehr katholisch geprägt ist. Denn in solchem Umfeld (das dann zu einem a-kulturellen Umfeld wird) zu einer natürlich (!) katholischen Haltung, als bleibender Habitus, zu kommen - das möge bitte jemand demonstrieren. Wo immer der Katholik auf solch eine Situation trifft, wandelt sich seine Berufung in die eines Martyriums. Das ANZUSTREBEN, schon gar für andere vorzulegen, gar aus einer Situation heraus, in der diese Lage noch verhindert werden könnte, ist mehr als problematisch. Als Martyrium, das die wesenhafte Stellvertretung des Katholiken für die Menschheit insgesamt ist - das Freihalten ihres von viele Einzelnen noch unergriffenen, ja abgelehnten Platzes in der Kirche damit, ja deren Maß an Gnade im Martyrium, in der Sühne, in die Welt holend.

***Hierin muß sich auch klar scheiden, worin man einem Muslim väterlich-pädagogisch-kluge (!) Bestärkung zukommen lassen kann, und wo nicht. Nämlich überall dort, wo seine religiöse Praxis auf diesen nicht gekannten Gott hin verlängerbar wird. Was die Frage erhebt, ob da tatsächlich etwas übrigbleibt, denn etwa die (positivistisch-verabsolutierende) Haltung dem Koran gegenüber ist vom Prinzip her (wenn auch vielleicht im Einzelfall anders) völlig verschieden von der, die ein Christ der Hl. Schrift entgegenbringt. Einem Muslim aber etwa zum "Geburtstag des Propheten" zu gratulieren ist nicht nur Aberwitz, es ist u. U. die schwere Sünde des Zynismus. Vermutlich bleibt nur eine katholische Haltung dem Muslim gegenüber: Ihn je als Einzelfall eines religiösen oder religiös seienden Menschen zu sehen. Und keine Ansprache als "Mitglied einer Religion." Denn letztere sind das Problem.




***