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Mittwoch, 7. Oktober 2015

Worum es eigentlich geht

Es ist nicht das Verkehrteste, sich die Grundkonstellationen in Afrika und im arabischen Raum wieder einmal vor Augen zu führen, um den Faden durch die aktuellen Geschehnisse nicht zu verlieren, wieder zu finden, oder zu stärken. Und wer wäre da berufener als der verstorbene Peter Scholl-Latour. In diesem Video in einem bemerkenswerten umfänglichen Gespräch aus dem Jahre 2013, das zeigt, mit welcher Kenntnis, vor allem aber mit welcher Einschätzungskraft dieser Mann seine Urteile fällte. Hörenswert, gerade heute. Es zeigt, daß bloße Faktenkenntnis gar nicht reicht. Was es braucht ist das viel tiefergehende geistige Niveau eines Betrachters, der erst dann zum Gewährsmann wird.

Was ihm über die Jahren am meisten auffiel? Die Welt war immer chaotisch. Aber sie hat heute auch im Alltäglichen sehr viel früherer Gesittung verloren ... Die katholische Vorstellung vom "Tal der Tränen" ist sicher realistischer als die amerikanische Vorstellung der "pursuite to happiness".

Aber noch etwas zeigt sich in diesem Gespräch, einmal mehr. Man muß nicht überall gewesen sein, um zu einem richtigen, realistischen Urteil zu kommen. Dazu sind andere, geistig-sittliche Fähigkeiten weit zielführender, ja alleine zielführend. Viele sind durch Details sogar nur verwirrt, verlieren den Boden für ein Urteil, das sich auch in der fähigkeit zur Prognose zeigt. Gut, man kennt die einen oder anderen Details nicht. Aber um ein prinzipielles Urteil für eine Situation zu bilden muß man keineswegs "überall gewesen" sein.  Der Mensch ist überall derselbe. Wer hier den Boden der Wirklichkeit nicht findet, wird ihn auch an den "Brennpunkten" nicht finden. Für Details gibt es dann Bücher, oder solche Filme, mit Fakten, die den "Augenzeugen" meist sowieso fehlen.


Denn der Mensch sieht nicht induktiv, stoppelt sich aus einer Sammlung von Empirie ein Urteil. Nein. Er sieht schauend, ideogenetisch: In jedem Ding, in jeder Gestalt sieht er zuerst das Wesen, die Idee. Erst also das Allgemeine, das nach und nach zum Einzelnen erkannt wird. Sodaß hier gilt: pars pro toto. Es braucht zwar das Einzelne, aber es ist ein Modus des Alles. Ohne allgemeine Idee gibt es gar keine Einzelerkenntnis.


Kleines Nebendetail: Scholl-Latour gesteht in diesem Gespräch, daß er auf Latein bete. So sei er eben aufgewachsen. Er halte es aber für einen schweren Fehler der Kirche, ihre Sakralität, ihren Pomp sogar, so leichtfertig aufgegeben zu haben, um modern zu sein. So habe sie außerdem Kraft, Austrahlung und Renommée für die anderen Völker verloren. Nur dadurch aber, durch diese Sakralität, ja durch diesen sakralen Pomp, hat es z. B. die Orthodoxe Kirche in Rußland zu einer erstaunlichen Wiedererstarkung gebracht.  

Europa steht für die übrige Welt ohne Religion, ohne Jenseitigkeit dar, und davor kann etwa ein Muslim keinen Respekt haben, während weltweit die Mythen wieder aufbrechen, wie Scholl-Latour an anderer Stelle einmal sagt. Womit Europa ziemlich wehrlos, ja erbärmlich dasteht. Das exportierte Gerede von Menschenrechten und Demokratie interessiert in Wahrheit niemanden außer westliche Politiker. Der Moslem, so der ausgewiesene Islam-Kenner Scholl-Latour, nimmt einen Menschen ohne religiöse Überzeugung gar nicht ernst. Der ist für ihn gar kein Mensch. Vielleicht sollte man das einmal gutmenschbewegten Flüchtlingshelfern vom Westbahnhof sagen.









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