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Donnerstag, 8. Oktober 2015

Wir sind unsere Vergangenheit

Nein, es geht nicht darum, die Narrenkappe der Gebildetheit aufzusetzen, und mit Goethe, Schiller, Thomas Mann, Rilke, George, Robert Musil oder Heimito von Doderer herumzuwerfen. Nicht einmal um die Kenntnis von Zitaten geht es. Es geht auch nicht um theologisch-ausgefeixte Kenntnisse der Katholischen Dogmatik. Es geht auch nicht um das Wissen, ob Beethoven eine Hörmuschel oder eine Brille benutzte, ob Mozart seinen Finger in den Arsch steckte, und welche Kadenzen er auf welche Weise von Bach, Händel und Haydn abgeluchst hat. Um nichts, was "man wissen müßte". Denn ...

... diese Zitate, diese Güter verwenden wir sowieso. Denn es sind diese Männer gewesen, denen ein ganzer Sprachraum sein geistiges Niveau verdankt. Dazu müssen wir gar nichts um sie (bewußt) wissen. Sie leben einfach in uns, ja unser Ich wurde durch sie zu diesem Ich.

Wenn wir unsere eigenen Wurzeln aber nicht bewußt wissen, bewußt kennen, so sollten wir wenigstens den Respekt aufbringen, unsere Tradition zu schätzen, ja sie heilig zu halten. Es geht darum, sie aus diesem Heiligkeitsgefühl heraus an unsere Kinder weiterzugeben, und ihnen denselben Respekt vor diesen Männern beizubringen - weil es der Respekt vor uns selbst (und damit der unserer Kinder) ist! Denn selbst wenn so manches heutiges Zuckergoscherl sich nach Revolution und Offenheit für Fremdes verzehrt - es kann es nur, weil es auf diesem geistigen Berg sitzt. Und das nur nicht weiß.

Und das sind nur die Spitzen. Was mit unseren Vätern, mit unseren Müttern, mit dem was sie an uns weitergegeben, uns selber empfangen haben. Ein Berg, ein Schatz, schon gar über Europa, das Abendland gedacht, den es zu verteidigen weil zu bewahren gilt. In jedem Fall! Er ist nämlich nicht nur unser Schatz, aus dem wir heute denken, urteilen, leben. Es ist ein Menschheitsschatz, im wahrsten Sinn, Schatz eines Volkes, eines Sprachraumes, den es für die gesamte Welt bereitet hatte und bereit hält. 

Und dieser muß auf zwei Weisen verteidigt weil bewahrt werden: Von jenen, die nicht wissen daß sie wissen, daß ein Entfernen ihrer Wurzeln ihren Tod bedeuten würde, und zwar: wortwörtlich. Sie mögen einfach aus Treue bewahren. Und zum anderen von jenen, die es kraft ihrer Position in diesem Sprach- und damit Kulturraum wissen müßten und deshalb wissen müssen. Sie müssen aus Pflicht handeln.

Deshalb haben wir - wie jeder Sprachraum, wie jeder geistige Raum - das unbedingte Recht, auf "Neues", schon gar wenn es aufgedrängt ist, auch zu verzichten. Wir haben ein Recht darauf uns auf unser von uns nicht oder bestenfalls annähernd aussagbares Wissen zu berufen, das wir "einfach nur wissen". Wir haben nicht nur ein Recht auf unser Kirtage, Tanzabende und Stammtischrunden als Foren eines Volkes, bei Schmalztatscherln, Bratwürsteln, Bier, Brünnerstrassler Süßveltliner und Zwettler Nordhangperle. Wir haben die Pflicht dazu.

Niemand hat uns zu erklären, daß wir das ändern sollten, niemand hat uns für dumm zu erklären, weil wir einfach auf unsere Tradition vertrauen, niemand hat das Recht, über unsere Köpfe hinweg ein Ablassen von unserer Tradition - die ein Ablassen von unserem Ich bedeutet! - zu verlangen.

Wir sind deshalb keine bösen Menschen.

Im Gegenteil.




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