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Donnerstag, 15. Oktober 2015

Es geht restfrei auf

Auch dieses Video mit einer eineinhalbstündigen, vom Autor selbst vorgetragenen Zusammenfassung seines Buches "Zwischen den Fronten", zeigt neben interessanten weil überraschenden Sichtweisen durch seine Schlüssigkeit ohne jeden Rest auf. Peter Scholl-Latour spricht über die globalen Situationen, die Positionen der Mächte zueinander und gegeneinander, und bringt wie gewohnt auf sympathisch-selbstvderständliche Weise eine nüchterne Kulturkritik an, die immer hörenswert ist. Wiewohl der Film aus 2008 stammt, ist da kein Wort veraltet oder verstaubt.

Rußland wird überschätzt, es ist trotz seiner Bodenschätze zu klein. Amerika ist tief beleidigt, weil die Milliarden Bloßfüßigen sich seiner technisch überwuchteten Übermacht und schon gar seinem missionarischen Weltrettungsglauben nicht fügen will - ebenfalls. Als Verteidigerin der Menschenrecht hat Amerika sowieso jeden Kredit verspielt. Es weiß es nur noch nicht. Aber es erlebt somit, daß es als Globalmacht weder moralisch noch militärisch den Milliarden aus China und Asien sowie den Muslimen gegenüber keine Chance hat. Wo soll auch das Neue liegen? Wenn die im Sendungsbewußtsein des Gottesauftrags verzückten Amerikander unter "God is great!" in den Krieg ziehen - und die Muslime unter "Alahu Akhbar". Gott ist groß.

Und Europa mit seiner halben Milliarde Menschen? Das verspielt sich sowieso selbst. Mehr als ein verwischter Nebensatz ist dazu gar nicht zu sagen. Europa hat als Weltspieler ausgespielt. Es geht in Heuchelei und verworrenem Demokratiegeschwätz unter. Die entscheidenden Völker der Zukunft haben immer begriffen, daß diese Form der Demokratie einer Selbstschwächung gleichkommt.

Übrigens - Scholl-Latour weist darauf hin, der VdZ hat es gleichfalls schon mehrfach erwähnt: Mao Tse Tung zu lesen ist hilfreich. Es erschließt viel von der Gegenwart. Nicht nur durch seine Schriften zu den Partisanen. Auch und gerade für die Gegenwart Europas und seine "intellektuellen" Kräfte, die nach der Lektüre dieser Schriften wie ferngesteuert wirken.

Amerika hat - aus Ahnungslosigkeit und Ignoranz - diplomatisch im asiatischen Raum jedenfall völlig versagt. Scholl-Latour gibt dem in seinen Fundamenten umgebrochenen Land eigentlich nur zwei Möglichkeiten: Die der völligen Abschließung nach außen, oder die durch die Veränderung seiner Bevölkerung - als zukünftig nicht mehr europäisches Nachläuferland - zwangsläufig veränderte Sichtweise, die sie als Weltmacht aus dem Spiel nimmt.

Und Rußland? Angesichts der schweren Demütigungen der letzten Jahrzehnte folgt hier eine ganz erstaunliche Rückbesinnung auf seine spirituellen Wurzeln. Begleitet von einem unfaßbaren Wiedererstarken der Orthodoxie - nach sieben Jahrzehnten schwerer Unterdrückung durch den Kommunismus! Putins Stellung ist nicht das Ergebnis einer Manipulation, so Scholl-Latour, sondern sehr real fundiert. Die Apparatschiks der Kommismus, schon gar die (im Westen natürlich hoch gefeierten) "Reformer" nach 1989, haben das Land dem Untergang nahe gebracht. Davon haben die Menschen genug. Über westliche Vorstellungen von Demokratie wird hier eher mild gelächelt.

Die Ineinssetzung von Regierung und Göttlichkeit sei typisch asiatisch? Na, dann möge der westliche Leser doch einmal die Augen seiner eigenen Politik gegenüber öffnen. Die Zusammenhänge liegen nämlich weit tiefer, und sind auch im Westen nicht "überwunden", sondern taumeln in tief archaischen Gestaltenfragen. Nur gehört die Selbsttäuschung längst zum gesollten Repertoire des westlichen Verdummungsmenschen, ein Produkt übelen Zentralismus.

Und Europa? Als Wirtschaftsraum relativ leicht erreichbar. Aber politisch? Wie kann eine deutsche deutsche Kanzlerin sagen, es sei eine "Wertegemeinschaft" - und nicht: "christliche Wertegemeinschaft"? Denn Werte gibt es auch im Konfuzianismus oder im Islam oder ... Das sagt schon alles.

Der Rest ist einfach nur interessant, das Buch sowieso empfehlenswert. Weil es eine nach wie vor präzise und zutreffende Einschätzung der Weltlage liefert. Wer Scholl-Latour zuhört oder liest, könnte man in Abwandlung eines alten Werbespruchs sagen, weiß einfach mehr. 

Die Welt lichtet sich durch ihn. Und wird erst dadurch, übrigens, Welt. Kein zu fürchtender dunkeler Moloch verwirrendster Einzelheiten.

Wenn man zu hören versteht, wird noch etwas anderes klar. Daß das, worin alle Völker, alle Staaten, jede Politik eingespannt ist, weit größere, tiefere, historisch fundamentalere Bewegungen sind, als noch so charismatische oder propagandistisch aufgeblähte Politiker je bewirken könnten. Ja, sie vermitteln uns gern den Eindruck, als wären sie die Weltenschöpfer. Aber jedes Volk, jedes Land, jede Landschaft, ja jede Familie ist in einen jahrhunderte- und jahrtausendelangen Zusammenhang gestellt, dem es nicht nur nicht entfliehen kann, sondern der seine Gegenwart jeden Moment bestimmt. Und zwar umso mehr, als es ihn ignorieren oder korrigieren möchte, oder gar nicht kennt. Vor der Geschichte gibt es nur zwei Möglichkeiten: Sie zu erfüllen weil gestaltend zu erfassen, oder von ihr zernichtet zu werden. 

Wir werden von Archetypen beherrscht, gerade wenn wir sie zu ändern versuchen, wenn wir sie nicht mehr zu besitzen und zu tradieren vermögen. Grundkonstellationen, die weit tiefer reichen, als zum Plumpsklo des Geschwätzes degradierte europäische Dekadenz sich vorzustellen vermag. Als Allgemeines, das das Einzelne prägt. Ungewiß relativ ist nur das Einzelne.*






*Wunderbar im Film dargestellt bzw. erkennbar am Beispiel China, einem der vielen Filetstücke der Ausführungen des immer originär sehenden Scholl-Latour.




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