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Donnerstag, 8. Oktober 2015

No comment

Sie sitzen auf den Bahnsteigen, wischen an ihren modernen Handys herum, und haben ihre Papiere verloren. Oder gerade neue bekommen. Und warten, bis sich an ihnen die Nächstenliebe aller jener beweist, die sich genau damit öffentlich als Gute beweisen wollen.

Und nicht wenige Helfer, ja es ist das Helfersyndrom generell geworden, verlangen die Verteilung von etwas, das ihnen sowieso nicht gehört, weil sie es sich nie angeeignet haben, und es nie zu lieben gelernt haben.

Es wandern aber nur Junge aus, junge Männer? Naja, muß man relativierend sagen: Wer soll den sonst auswandern oder fliehen? 80jährige Frauen, deren Leben eigentlich schon vorüber ist? Mütter mit kleinen Kindern, die sich nie mit einem außerhäuslichen Leben angefreundet haben und vielen Gefahren ausgesetzt wären, denen sie sich nicht gewachsen fühlen? 

Ein neues Leben aufzubauen ist nur möglich, wenn man noch die Kraft und das Draufgängertum dazu hat. Aber auch: wo nicht ausreichend Verwurzelung da ist, sodaß die Belastung durch eine ungeordnete Situation im Herkunftsland rasch das subjektive Maß voll macht. 

Aber es waren nie und nirgendwo die Allerärmsten, die ausgewandert und geflüchtet sind. Nicht zuerst. Reisen sind immer kostspielig und vernichten Vermögen, das einmal da gewesen sein muß. Die Mythen von den sozialen Konflikten, die zwischen den Ärmsten und den reichen Kapitalisten ausbrechen, haben Marxisten erfunden, und sie werden bis heute perenniert weil sie höchst selten reflektiert, also an der Wirklichkeit geprüft worden sind, und weil sie einfach bequem sind. 

Solche Mythen taugen auch nicht für das ach so sentimentale, aber politiktaugliche Bild von den "Armen vor den Toren Europas". Umgestürzt, ihr Leben in die Hand genommen und verändert, Revolutionen angezettelt haben immer die Mittelschichten und ungebrauchten Eliten - die fundamental Wurzellosen also. Selbst bei den Massenauswanderungen aus Europa im 19. Jhd. waren es oft erst Einzelne, und Träumer, die vorgingen, um eine Basis zu schaffen, die Familie nachzuziehen. So sieht Amerika heute auch aus.

Freilich wanderten sie in ein Land aus, das jede Hand brauchte (weil leer und nicht-existent genug war, um Kriterien entwickelt zu haben), die zupacken konnte, auf daß Amerika einmal zur Gründungsidee nachdichten könnte, was es angeblich immer gewollt hatte; als Land, das groß, unkultiviert und leer genug war, daß tatsächlich für jeden Platz war, der etwas, egal was, aufbauen wollte, ohne daß er Angst haben mußte, sofort mit bestehenden sozialen und kulturellen Gefügen in Konflikt zu geraten. Denn diese Gefüge gab es damals gar noch nicht.

Auch das unterscheidet die Situation des heutigen Europa von damals. Kein Mensch hat von den USA des 19. Jhds. erwartet, daß man ihm hülfe. Man hat  nur gehofft, genug Freiraum zu haben, ein neues Leben aufzubauen. Und gar nicht wenige sind nach kurzer Zeit wieder in ihre alte Heimat zurückgegangen, weil sie dieser Geist des "Neuen" abgestoßen hat.




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