[Wer aber die staatsrechtliche Literatur auf ihre letzten Begriffe hin untersucht wird feststellen, daß überall der Staat - wie Gott -] eingreift, bald wie ein deus ex machina im Wege der positiven Gesetzgebung eine Kontroverse entscheidend, welche die freie Tat der juristischen Erkenntnis nicht zu einer allgemein einleuchtenden Lösung führen konnte, bald als der Gütige und Barmherzige, der durch Begnadigungen und Amnestien seine Überlegenheit über die eigenen Gesetze beweist;
immer dieselbe unerklärliche Identität, als Gesetzgeber, als Exekutive, als Polizei, als Gnadeninstanz, als Fürsorge, so daß einem Betrachter, der sich die Mühe nimmt, das Gesamtbild der heutigen Jurisprudenz aus einer gewissen Distanz auf sich wirken zu lassen, wie ein großes Degen- und Mantelstück erscheint, in welchem der Staat unter vielen Verkleidungen, aber immer als dieselbe unsichtbare Person agiert.
Die "Omnipotenz" des modernen Gesetzgebers, von der man in jedem Lehrbuch des Staatsrechts hört, ist nicht nur sprachlich aus der Theologie hergeholt. Aber auch in den Einzelheiten der Argumentation tauchen theologische Reminiszenzen auf.
Carl Schmitt in "Politische Theologie"
*100318*