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Samstag, 17. März 2018

Ein Verbrechen - verweigerte Integration - eine erste Enttäuschung des Ostens (3)

Teil 3) Man muß Churchill doch etwas zugute halten




Man muß Churchill zugute halten, daß er eine Berücksichtigung dieser Fakten in der Frage der russischen Gefangenen anregte. Anregte. Aber Minister Eden wies das zurück. Es sei in Anbetracht der strategischen Notwendigkeiten angeraten, die ursprünglichen Vereinbarungen einzuhalten. Man könne es sich nicht leisten, SENTIMENTAL zu sein. MAN DÜRFE EINEN STAAT NICHT DARIN BESCHRÄNKEN, IN DER FRAGE DER ZU SEINEM VOLK GEHÖRIGEN AUF IHRE ART ZU DENKEN.

Nun kommt ein immer wieder vorgebrachtes Argument: Viele britische, amerikanische, französische Kriegsgefangene befanden sich in Lagern in Ostdeutschland und Polen. Es lag also, angesichts des rasanten Vormarsches der Sowjetarmee im Osten Europas, die auch Lager um Lager "befreite", im Interesse des Westens darauf zu bestehen, die Kriegsgefangenen so bald als möglich in die Hände ihrer Herkunftsländer zu übergeben.

Ein Beteiligter der damaligen Zeit meint dazu, daß seiner Erfahrung nach die Russen in dem Moment nachgeben, in denen man ihnen gegenüber Härte beweist. Gab man nach, fügte man sich ihren Argumenten, würden sie den Verhandlungspartner verachten und noch mehr verlangen. Es gibt in den Dokumenten nicht den geringsten Hinweis, daß die Russen diesen Tauschhandel verlangt hätten. Es gibt in Wahrheit keine Evidenz, die belegen würde, warum der Westen gezwungen gewesen wäre, die Millionen Russen in Stalins Hände zurückzugeben.

(Aus Berichten über die Flucht aus Ostpreußen 1944/45 ist übrigens bekannt, daß die westlichen Kriegsgefangenen oft die treuesten Helfer der flüchtenden Bevölkerung waren, und generell mit in den Westen flohen.) Man hätte also viele viele tausend Russen retten können - trotz dieser historischen Gegebenheit. Churchill hat es sogar noch einmal vor dem Parlament probiert. Denn die Sowjetunion Stalins hatte nicht einmal die Genfer Konvention und das Abkommen über das Rote Kreuz unterzeichnet. Wie also hätte man sie humanitär binden wollen? Man muß, so ein Historiker im Film, direkt den konservativen Außenminister Anthony Eden dafür verantwortlich machen, der sich diesen Überlegungen nachweislich verweigert hatte. Und die USA folgten ihm.

Und jetzt kommt's: Außenminister Eden hat 1945 die logisch folgende Ansiedelung von Millionen Russen in England als ... kulturelle Bedrohung angesehen. Es seien zu viele, um sie hier anzusiedeln, denn sie würden dann bleiben. Obwohl alles dafür sprach, es genug Belege von Offiziellen gibt, die das bestätigen, daß sich die Russen problemlos einfügen würden.

Dazu kam eine seltsame Konstellation: Schriftsteller wie George B. Shaw hatten von der Sowjetunion ein überaus positives Bild gezeichnet. Damit sah man im Westen die sowjetische Propaganda über die Rote Armee und ihre humanitäre Mission in einem ziemlich falschen Licht. Die Freundschaft des Westens - vor allem in der Öffentlichkeit - beruhte also auf einem verklärten Bild des Kommunismus als Menschheitsziel, das auch für den Westen Attraktion haben sollte. Im Westen bildete sich längst eine breite Strömung, die den Sozialismus höchst positiv sah. Und die sich dazu bemüßigt fühlte, den Kommunismus zu unterstützen. Eine Art Stimmung, daß die Russen niemals etwas falsch machen könnten. "Uncle Joe" (Stalin) wurde vielfach sogar als "Retter des Westens" angesehen.

Und das ist bemerkenswert gegenüber den 1920er Jahren, wo sich aus dem kulturellen Zusammenbruch 1914-18 heraus im gesamten Westen und auch in England, eine massive antikommunistische Angst und Stimmung ausgebreitet hatte. Weshalb man überall - überall im Westen! - die Entwicklungen in Deutschland ab 1933 als antikommunistische Reformation keineswegs mit Sorge, sondern mit Hoffnung betrachtete. 

Dieser völlige Umschwung hat in den frühen 1940er stattgefunden. Wo sich auch in den USA neue Methoden der Politik, neue Methoden der Betrachtung des Volkes etablierten - im "social engineering", im "ethnic cleansing", im Weggehen von Verwurzelung zu einer bewußten, ideologisch motivierten, propagandaorientierten "neuen Identität", die den Interessen eines Kapitalismus - genau das ist Kapitalismus: Entwurzelung, Konsumismus - dienten. Stalin war immer ein großer Bewunderer des amerikanischen Kapitalismus, die Bauten seiner Ära, sogar die Automobil-Modelle beweisen das. Überall im Westen wurde das "Ende des kommunistischen Schreckgespensts" propagiert. Kein Mensch sprach mehr über die vielen vielen Millionen Toten, die der Kommunismus in den Jahren vor dem Krieg verursacht hatte. 

Kein Wort mehr über die mindestens sechs, wahrscheinlich zehn Millionen Toten des "Holodomor" in der Ukraine, kein Wort mehr über die mindestens drei Millionen direkten Toten, den dutzenden Millionen, die in Lager wanderten, nur allein in den Säuberungen Stalins in den 1930er Jahren. Die übrigens vor allem Säuberungen von Juden waren (was ihm wahrscheinlich 1956 zum Verhängnis wurde - ein anderes Problem).

Putin hat nicht zufällig vor ein paar Jahren in einem Gespräch mit russischen Judenvertretungen "so nebenbei" erwähnt, daß 85 Prozent der kommunistischen Funktionäre Juden waren. Während er im Gespräch mit Oliver Stone "rätselte", warum es in den USA eine so ausgeprägte, dabei irrationale Russophobie gäbe. Wer die wohl vertrete? Vor dem Hintergrund, daß Putin meint, daß die eigentliche Politik der USA nicht vom Präsidenten gemacht werde. Russophobie also zum ständigen Repertoire der USA gehören könnte. War es nicht Solschenizyn, der darüber viel gearbeitet hat, daß die Situation in Rußland die eines Judentums sei, das gegen das Christentum kämpfe? Istenem. Was hier für Zusammenhänge aufplatzen könnten ... lassen wir das also lieber.


Morgen Teil 4) Die Briten wußten um ihr Verbrechen





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