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Freitag, 16. März 2018

Ein Verbrechen - verweigerte Integration - eine erste Enttäuschung des Ostens (2)

Teil 2) Die Sache sieht ziemlich anders aus



Kaum bekannt ist, daß fast 10 Prozent der bei der Invasion der Alliierten in der Normandie gefangengenommenen Soldaten ... Russen waren! Sie hatten schon zuvor eine wichtige (handfeste) Rolle im Aufbau des Atlantikwalls gespielt. Sie haben sich kaum gewehrt, sich sofort ergeben, und nur abgewartet, was nun passiert. Die meisten zudem Zwangsarbeiter und Soldaten in allen möglichen Uniformen. Viele waren Mitglieder der sogenannten "Wlassow-Befreiungs-Armee", die als deutsche Einheit bis zu einer Million Russen zählte, die sich freiwillig gemeldet hatten und gegen Stalin kämpfen wollten. Die Alliierten mußten wissen, was diesen Männern blühte, lieferte man sie aus, und warum Stalin sie unbedingt in seine Finger kriegen wollte. 

Aber der Erfolg der Invasion im Juni 1944 hing maßgeblich davon ab, daß die Rote Armee massiv im Osten angriff - dafür brauchte man Stalins Geneigtheit. Und man bezahlte ihn dafür. Mit dem Versprechen, ihm diese Millionen Russen auszuliefern. Also log man den Gefangengenommenen vor, daß sie in Rußland nichts Böses zu erwarten hätten. Dann sammelte man sie in Lagern in Großbritannien und in den USA, trennte sie bald von den gefangenen deutschen Soldaten. Man müsse, so hieß es, prüfen, ob sie Verstöße gegen sowjetische Gesetze begangen hätten. Verbrechen wie ... Vaterlandsverrat. Daß man sie nicht sofort auslieferte hatte aber nichts mit "Schutz" zu tun, sondern es war nur das klein wenige Zuwarten, um den Verhandlungswert gegenüber Stalin nicht zu verschleudern. 

Von Anfang an war den Alliierten klar, daß sie in die Sowjetunion zurückgestellt, erschossen, bestenfalls in Arbeitslagern vernichtet werden würden. Niemand machte sich da Illusionen, die Dokumente beweisen es. Und kein Beobachter konnte sich Illusionen darüber machen, daß diese Gefangenen aus allen Teilen der Sowjetunion nichts weniger wollten als nach Rußland zurückzukommen. Sie wußten, was ihnen dort blühte. Erst sahen sie die westlichen Alliierten als Mitträger ihres Wunsches nach Freiheit an, als Brüder der Menschlichkeit (wie so viele geglaubt hatten, auch Deutsche.)

Und ahnten nicht, daß man sie brutal täuschte. (Übrigens: eine der nächsten bzw. frühesten Enttäuschungen der osteuropäischen Menschen über den Westen. Nur konnte sich hier die Enttäuschung nicht weitergeben. Denn hier starben alle Enttäuschten.) Die wenigen noch Lebenden dieser Zeit berichten, daß sie extrem zuvorkommend behandelt wurden. Man vertraute ihnen restlos! Niemand konnte sich vorstellen, daß sie an Stalin ausgeliefert werden würden. 

Aber schon im Juli 1944 hatten die Briten den sowjetischen Botschafter informiert, daß sie alle an die Sowjetunion ausgeliefert würden, sobald man in der Lage war, ihren Transport zu organisieren. Und die USA folgte dieser britischen Initiative. Für Millionen Russen im Westen Europas hieß das, daß sie in den nächsten Jahren "repatriiert" werden würden. 

Der Film zeigt die Ursprünge: Als die Deutschen im Juni 1941 die Sowjetunion angegriffen hatte, waren sie von den allermeisten Russen mit Begeisterung und vor allem in der Ukraine (!) als Befreier empfangen worden. Das ist auch ein Grund, warum gerade im Anfang des Unternehmens Barbarossa scheinbar so einfach riesige Armeen, die Stalin im Grenzgebiet zu Deutschland aufgeboten hatte, überwältigt wurden und Millionen Soldaten in deutsche Gefangenschaft gebracht wurden.  Sie erinnerten sich zu gut an den Schrecken, den die Kommunisten über sie gebracht hatten. Nicht wenige dieser Soldaten waren noch dazu Soldaten geworden, um aus der Lagerhaft in einem der GULAGs freizukommen, wie ihnen versprochen worden war.  Leute darunter, die von ihren Vätern berichten, die Priester gewesen waren und denen als erste Maßnahme die Zunge abgeschnitten wurde, damit sie nicht weiter predigen konnten. 

Die meisten wollten fortan sicher nicht gegen die Russen, aber gegen den Kommunismus kämpfen. Ganze Armeegruppen liefen zu den Deutschen über. Darunter die Kosaken, die unter den Zaren besondere Privilegien der Selbstverwaltung genossen hatten, die unter den Kommunisten ab 1917 endeten. Sie alle fanden es taktisch klug, sich mit dem externen Feind - Hitler-Deutschland - zu verbinden, ähnlich wie die Esten, die Letten, die Litauer übrigens, um ihre Freiheit zurückzuerobern. Und wollten an der Seite der Deutschen gegen den Kommunismus kämpfen.

Aber für diese eigentlichen Anliegen des Anti-Kommunismus - als Auflehnung gegen die kommunistische Unterdrückung - war man im Westen blind. Von Anfang an sah man diese um ihre Freiheit kämpfenden Völkerschaften als Feinde an, die in der Uniform ihres eigenen Feindes, Deutschland, auftraten. Die Widersprüche aus geopolitischer Machtstrategie (vor allem Englands) und innerer Unvereinbarkeit schlugen also voll zu. Der Pragmatismus vermag so gut wie nie vernünftige Lösungen zu liefern.

Dabei übersah man gefließentlich, daß nur etwa 15 Prozent der russischen Soldaten in deutschen Uniformen freiwillig, der überwiegende Rest aber gezwungenermaßen so auftrat. Hitler selbst hatte sich außerdem nie für diese Solidaritätsmöglichkeiten interessiert. Er hatte mehrmals geäußert, daß das einzige, was ihn an diesen Völkern interessierte, ihr Öl war. 

(Und die deutsche Strategie war von Anfang an auf "Ernährung aus dem Land" ausgelegt, hatte also bewußt den Hunger der Bevölkerung in den militärisch überrannten Ländern einkalkuliert. Nicht zuletzt, weil der deutsche Bewegungskrieg von Anfang an eine Illusion war, die deutsche Rüstung war noch 1939 viel zu schwach gewesen, es fehlten überall an den Bedingungen der deutschen Kriegsführung, den Transportmitteln, den Fahrzeugen. Man hätte die deutschen Armeen gar nie anders versorgen können - denn durch Raub! Und wie hätte man die fehlenden Arbeitskräfte auch ersetzen sollen, die die Nachschubmittel produzierten, denn durch Sklavenarbeit?)

Schon 1942 waren 2 Millionen Russen nach Deutschland als Zwangsarbeiter in Landwirtschaft und Industrie verschleppt. Genauso sah die deutsche Führung die gefangenen russischen Soldaten, als untermenschliche Sklaven. Eine einzige Täuschung offenbarte sich. Offiziere der Wlassow-Armee selbst versprachen gute Behandlung in deutschen Arbeitslagern. Es waren Horror- und Hungerlager, selbst Kannibalismus breitete sich aus. Kein Wunder, daß die "Freiwilligen" für die Wlassow-Armee stiegen. Die Gefangenen hätten alles gemacht, um nur eine Mahlzeit zu bekommen. Also meldeten sich auch viele für die Arbeitsbataillone, die nun den Atlantikwall errichten sollten. 

Auch ihretwegen, die ab Juni 1944 zu Hunderttausenden in die Hände der Invasoren im Westen fielen, wollten die Alliierten aber nicht in Verhandlungsprobleme mit Stalin kommen, ihre humane Problematik war sogar eine "Gefahr für die große Allianz", wie dokumentiert ist. Da war es einfacher, sie kollektiv schuldig zu sprechen. Und an die Sowjetunion zurückzusenden. Sogar der britische Geheimdienst hatte besorgt beim Premier interveniert, weil die Rücksendung dieser Russen deren sicheren Tod bedeuten würde. 

Stalin hatte auch in einem Schreiben an die Briten noch klargemacht, daß es aus der Roten Armee der Sowjetunion KEINE Kriegsgefangenen gebe. Es gebe in der Roten Armee nur drei Kategorien: Kämpfende Soldaten, Gefallene, und Verräter. Jeder Soldat habe die Anweisung, sich die letzte Kugel aufzubewahren und sich selbst zu töten, ehe er in Kriegsgefangenschaft gerate. In Gefangenschaft zu gehen sei also immer ein Zuwiderhandeln gegen einen Befehl. Ein Kriegsgefangener aus der Roten Armee ist damit immer ein Verräter. Es gab also für Stalin keine "sowjetischen Kriegsgefangenen". Es gab nur Verräter.

Außerdem stellten die Zwangsarbeiter fest, daß es ihnen selbst in den durch den Krieg extrem gewordenen bedrückenden Verhältnissen in Deutschland (und überall im Westen Europas) noch besser ging als vorher in der Sowjetunion. (Das sagt dieser BBC-Bericht, nicht der VdZ.) Und das war für Stalin schon das eigentliche Problem - er wollte nicht, daß Menschen zurückkamen, die gesehen hatten, daß es "auch anders" ging. Er wollte niemanden in der Sowjetunion, der nicht der Doktrine der KPdSU strikt folgen wollte.

Die Todesraten in den russischen GULAGs waren unglaublich. Besonders die Jahre 1948-1950 sind berüchtigt als "Hungerjahre".

(Der VdZ empfiehlt dazu die Lektüre der in den 1930er Jahren auch in Deutschland sehr populären Publikation von Iwan Solonewitsch "Die Verlorenen", die auch literarisch, also nicht nur als "informierendes Sachbuch", höchst wertvoll ist und das Problem des Kommunismus auf für viele vermutlich neue Art begreifen macht. Es zeigt zudem - wie eben Literatur es tut, die nur gut ist, wenn sie auf das Ewige geht - wie analog die Situation der Sowjetunion mit der ist, die wir heute erleben, wo "das Establisment" die Aufgabe der Tscheka deckungsgleich übernommen hat. ES IST IMMER DASSELBE!)


Morgen Teil 3)





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