Die These, die Hilary White vor kurzem öffentlich in der für seinen Franziskus-kritischen Kurs weltweit bekannten US-Zeitschrift The Remnant
 vorstellte, war für viele ein Schock. Und hat sogleich heftige 
Reaktionen in traditionalistischen Kreisen ausgelöst. Denn diese hatten 
sich angesichts eines desaströsen Franziskus-Pontifikats bislang an 
einen Strohhalm geklammert, der "die Kirche retten" sollte: Zwar sei 
Franziskus ein Häretiker, eine wahre Katastrophe für die Kirche, ja eine
 kirchliche Katastrophe, aber der wahre Glaube sei seinem Vorgänger 
noch präsent. Aus diesem Grund gab es auch wildeste Spekulationen, warum
 Ratzinger überhaupt zurückgetreten, oder wieweit die Wahl Bergoglios 
(unter Verweis auf die "St. Gallen-Mafia", also eine Absprache unter 
Kardinälen vor dem Konklave 2013, was laut Kirchenrecht verboten ist und 
eine Papstwahl ungültig macht) überhaupt rechtens und damit für die 
Kirche relevant sei. Gleichzeitig kursierten Gerüchte, daß Benedict in 
seinem Rückzugsort mundtot gemacht, von Franziskus gar totgeschwiegen 
werde. 
Hilary
 White wischt das alles vom Tisch. Das sei Kinderkram, entstanden aus 
einem Wunschdenken der traditionalistischen Seite. Benedict für den 
guten Papa und treuen Freund der Traditionalisten zu halten (nur weil er
 mit der Enzyklika "Summorum Pontifikum" die "Alte Messe" gewissermaßen 
wieder freigegeben habe) war immer eine Selbsttäuschung. In Wahrheit hat
 einfach niemand diesem Benedict XVI. zugehört! In Wahrheit hat niemand 
genau auf seine Taten hingeschaut. So wurde gerade von Traditionalisten 
ignoriert, daß es in der Praxis zu keinerlei Verbesserungen gekommen 
ist. Nach wie vor haben viele Bischöfe die Alte Messe untersagt und es 
gibt keinen Hinweis, daß der Vatikan (beziehungsweise der Papst) diese allgemeine 
Erlaubnis ernsthaft durchsetzen wollte.
Dazu
 kommt ein weiterer Punkt, den bisher jeder übersehen hat, weil gar so 
viele in der Not, die ein häretischer Franziskus als Papst für die 
Theologie wie für die Vernunft bedeutet, in seinem Vorgänger den Felsen 
der Rechtgläubigkeit und des klaren Denkens sehen wollte. Aber auch hier
 hat niemand die Augen aufgemacht. In Wahrheit, so Hilary White,
 sei schon Josef Ratzinger ein klarer Vertreter der "nouvelle theology" 
gewesen, wenn auch nicht so ausgeprägt, wie es sich nun bei Bergoglio 
zeigt. Nie - und er hat es immer betont, auch als Papst! - hat Ratzinger
 aka Benedict XVI. ein Hehl daraus gemacht, daß er voll hinter den 
beim 2. Vatikanum eingeleiteten Umbruch in der Kirche steht, der zu 
einem wahren Zusammenbruch geführt hat. 
Und
 als einer deren ersten klaren Früchte auch der Argentinier gesehen 
werden muß, der sich Papst Franziskus nennt. Ratzinger selbst hat sich nie wirklich davon distanziert, daß er selbst als einer der 
Konzilsteilnehmer und treibenden Kräfte damals klar progressistische 
Positionen vertrat. (Von denen er sich zum Teil allerdings später 
distanziert hat.)
Niemand
 hat zugehört, niemand hat es ernstgenommen, wenn der zurückgetretene 
Benedict XVI. wieder und wieder davon sprach, daß er eine klare Linie 
der Kontinuität sehe, die von ihm zu seinem Nachfolger reiche. Nie hat 
Benedict aka Ratzinger auch nur ein ernsthaftes Wort verlauten lassen, 
mit dem er dem jetzigen Papst in seinem wahren Rausch der Zerstörung in 
den Arm fällt, für notwendig erachtet. Im Gegenteil, wieder und 
wieder hat er diesen gelobt und befördert. Und umgekehrt hat sich 
Franziskus mit vollem Recht als in einer Linie der Kontinuität mit 
seinem Vorgänger gesehen und ständig erklärt. Aber niemand hat 
hingesehen, niemand hat genau zugehört. 
Eine Falle für die Traditionstreuen
Ähnlich
 verhält es sich ja mit den Päpsten zuvor, vor allem mit Johannes Paul 
II. In allen Päpsten seit 1962/65 hat sich eine Linie ausgedrückt, 
die in ständig gesteigertem Maß zu den Verwüstungen und Verwirrungen 
geführt hat, mit denen wir es heute zu tun haben. Und die für viele 
bereits ein ganz schweres Problem darstellen, wieweit die römische Kirche 
überhaupt noch für die wahre, katholische Lehre steht. Wieweit wir
nicht vor der Situation stehen, daß die Kirche drauf und dran zu sein 
scheint, offen Häresien zu verkünden, wie es für viele spätestens seit Amoris Laetitia ohnehin bereits der Fall ist.
White
 geht deshalb einen Schritt weiter. Sie stellt die These in den Raum, 
daß Ratzinger aka Benedict XVI. eine simple Falle war. Die die 
Traditionalisten soweit beruhigen und ködern sollte, als sie den Bruch 
in der Tradition, der sich in der Kirche abspielt, gutmeinend übersehen 
sollten, weil man ihnen hier und dort ein paar wohlschmeckende Knochen 
hinwarf, die beim Hineinbeißen freilich hohl blieben. Aber nicht einmal 
das wollten viele sehen, sondern entwickelten stattdessen alle möglichen
 Dolchstoßlegenden, mit denen erklärt wurde, warum es nicht zu den 
angekündigten Re-Reformen käme, obwohl sie der deutsche Papst doch 
wünsche. 
Morgen Teil 2)
*210318* 
 
