(Aus einem Brief des VdZ aus dem Jahre 2012)
[...] weil ich mich gerade mit Michael Polanyi
befasse, wollte ich einen Schatten, der vielleicht über meinen gestrigen
Ausführungen - ich hoffe, sie haben Dich nicht genervt, was mich nicht
wundern würde, das ist meine Art ... - liegen könnte. Denn ich möchte
unbedingt einen Wall gegen das errichtet wissen, was so durchs Netz
geistert, und das man ebenfalls sehr gut begründen könnte, als
regelrechte "Normalfrucht" des Netzes.
Es geht um die Andeutungen, wie sehr das Netz von
esoterischen, gnostischen Bildern durchformt, ja darauf ausgerichtet
ist. Das führt sich aber nicht auf eben solche Verschwörungen zurück,
die ja nur in Gestalt fassen, was in Wahrheit geistige Bewegung und
Wirkung ist. Deren Zurückführung auf individuelles persönliches
Verhalten allerdings ein Kern ist, der daran häufig stimmt, sich aber
ganz anders aufbaut und entwickelt. So sehr ich manche Gesellschaften
annehme, die bestimmte Ziele verfolgen. Ja, die hat ja wohl jede und
jeder.
Aber es geht um die Grundlage dessen, was wir "Wissen" nennen. Und es geht um die Grundlage der Wissenschaft. Polanyi
(und ich möchte gleich noch das berühmte Buch von Ludwik Fleck nennen,
"Entstehung einer wissenschaftlichen Tatsache", das dasselbe
demonstriert) zeigt, daß jede Forschung nicht einem objektiven
Wahrheitsanspruch genügt oder diesen gar verfolgt, sondern zutiefst auf
den persönlichen Haltungen und Anschauungen der Wissenschaftler selber,
der Personen also, aufruht. Dort ist also der Schlüssel, dort ist die
Nahtstelle, an der Religion und Philosophie ansetzt, und wo sie ihre
wahre Wirksamkeit demonstrieren.
Weshalb man versimplifiziert sagen könnte, daß kein
Wissenschaftler, der nicht die persönliche Wahrheit gefunden hat, auch
"gut" forschen kann. Und umgekehrt - es erklärt, warum (wie ich nämlich
behaupte) ein schon derartig großer Teil der heutigen Wissenschaft
praktisch völlig irrelevant geworden ist. Reine Geld- und
Ressourcenverschwendung. Da muß ich nicht nur die Genforschung zitieren
oder es auf Biologie einschränken.
Hier schließt sich auch der Kreis zum Katholizismus
überhaupt, und zur katholisch-scholastischen Erkenntnislehre. Hier
schließt sich der Kreis in jedem menschlichen Handeln, sohin mit
tragfähiger Kulturtheorie. (Was ich im übrigen in Wachau und Tirol zu
zeigen versucht habe, unbeholfen, mangelhaft, gewiß: wie eine heute
sichtbare Kultur aus religiösen Motiven heraus entstanden ist. Jeder
Tischler, jeder Handwerker, jede Tippse im Sekretariat, weil jedes
menschliche Tun, wird in Wahrheit von den Grundhaltungen der Menschen,
der Individuen, durchwirkt, geformt, und geleitet.
Und natürlich auch die Wissenschaft. Und natürlich
auch das Internet. Und natürlich auch die social media. Alles beginnt im
Persönlichen. Die heutige Sucht nach großen Erklärungsmodellen, nach
Katastrophenszenarien, deren auffällige Gemeinsamkeit die "Globalität"
ist (es ist nicht schwer, als nächsten Schritt der Problemverschärfung
"kosmische Dimensionen" vorauszusagen) ist also eine Flucht vor dem
einzigen, was den Menschen und unsere Kultur wirklich durchwirkt: die
persönliche Entscheidung, das persönliche Wahrheitsfinden.
Wie eng dies alles mit metaphysischen Tatsachen
zusammenhängt, entgeht dem, was ich darüber heute lese, zumeist
vollständig, oder bleibt in oberflächlichem Ahnen. Nur als Hinweis:
ausgehend von der Sohnschaft des Menschen, aus der heraus er am Leben
teilhat, in der Selbstaffektion, wird sein Grundproblem, das
Grundproblem des Sich, zum "Ego" ausdestilliert, mündet in einer
Spaltung seiner Persönlichkeit (ich halte Schizophrenie für das heute
wahrscheinlich größte Problem, das auf uns noch gewaltig zukommen wird).
Ich habe (eben, nur in Andeutungen bleibe ich hier) deshalb z. B. in
meinem Manuskript dem Suchtproblem ein Kapitel gewidmet, weil es so
schön illustriert, was in diesem Punkt gemeint ist: das Erleben der
Mächtigkeit, das für sich gesehen das tiefe Grundwollen des Menschen
wäre, sich aber im Ego(ismus) pervertiert, loslöst, und zwar wieder als
Erlebnis der Mächtigkeit, das dem in Selbsttranszendenz auf Gott
Zugehenden als das Leben selbst begegnet. Sämtliche Irrtümer sind ja auf
eine Weise nur Hindernisse, Rechtfertigungen etc., um diese Offenheit
auf Gott hin zu verbauen, zu verhindern etc., und zwar aus rein
persönlichen Motiven und Unfreiheiten heraus. Man kann da durchaus
Newman zitieren, der meinte, daß jede Sünde, die er begehe, auf Mangel
an Glauben, auf Irrtum zurückzuführen sei.
Und damit wäre der Bogen zu Internet und social
media gezogen. Denn dieses "können-Können" ist eines der Grundprobleme,
wenn nicht DAS Grundproblem, das uns die wahre Natur dieser Technik,
ihre wahre Rolle im Leben, verschleiert. Selbst, wenn wir von
"Vorteilen" sprechen, die das Internet (angeblich) habe, so beziehen wir
uns meist lediglich auf technische Möglichkeiten, als enthielten diese
alleine bereits ethische Qualifikation. Aber das alles sagt nichts über
die wirkliche (ethische) "Dingqualität" aus. Nimm nur "Zeitersparnis" -
Zeit ist aber in der Erkenntnis und vor allem in der Kommunikation ein
entscheidender Faktor! Genauso wie Raum! Sodaß meine Frage nur dahin
zielt zu suchen, wo und ob es Einzelfälle gibt, wo z. B. ein Mail wie
dieses ein Medium wie dieses rechtfertigt, als Einzelfall, wie gesagt.
Im Normalfall, und aus den Erfahrungen, würde ich nämlich sagen: kaum,
vielfach gar nicht! Vieles, manches, was mich übers Internet auf diese
Weise erreicht hat, wäre in anderer Form ganz anders ausgefallen. Selbst
die Kommunikation übers Internet (ich habe reale Beispiele, die das
belegen) zerstört mittel- oder langfristig nämlich wirkliche
Kommunikation. Dieses Medium ist ja deshalb so mächtig, weil es im
wesentlichen ein Medium ist, das die Schwäche stützt und ausbaut ...
Ich hoffe, ich habe was ich meine verständlich
ausdrücken können. Es ging mir darum zu zeigen, daß ich da nicht einer
Verschwörungstheorie (mit ihren pseudoreligiösen Gefühlen, übrigens)
nachjage. Sondern daß das sehr überlegt und im Ganzen eines, wie ich
meine, vernünftigen Weltbildes steht. Aus diesem Grund, aus keinem sonst,
behaupte ich, daß vor allem die social media persönlichem Heilsweg fast
zwangsläufig entgegenstehen.
Da brauche ich nicht erst auf den Verlust der Welt
durch den Verlust ihrer physischen, räumlichen Präsenz hinweisen, wie
das Paul Virilio so schön zeigt: wie nämlich die Wahrnehmung der Dinge
mit der Notwendigkeit von Zeit und Raum zu tun hat. Wie ungeeignet, ja
wie fatal sich da "Information" im Internet auswirkt, das diese
Wahrnehmung (durch das "Kennen") regelrecht verhindert. Aber die
persönliche Antwort, die das Glauben ist, braucht den Anruf Gottes,
durch die Wirklichkeit, durch die Welt, deren Dinge immer Dinge "für"
sind, in Bezügen also stehen. Das Internet aber hat eigene Gesetzesräume
entwickelt, bzw. IST ein solcher. Darin noch Gottes Wirklichkeit zu
suchen halte ich für fast aussichtslos. Und fast sage ich nur,
weil ich bereit wäre, umzudenken, wenn ich Belege für eine solche
Notwendigkeit sähe. Im Internet hält sich die Menschheit die Welt vom
Leibe ... wörtlich. Das Wesen der Erlösung IST aber leiblich, so wie die
Wahrheit.
*270218*