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Sonntag, 11. März 2018

Vom esoterischen Internet zur Heilsferne

(Aus einem Brief des VdZ aus dem Jahre 2012) 
[...] weil ich mich gerade mit Michael Polanyi befasse, wollte ich einen Schatten, der vielleicht über meinen gestrigen Ausführungen - ich hoffe, sie haben Dich nicht genervt, was mich nicht wundern würde, das ist meine Art ... - liegen könnte. Denn ich möchte unbedingt einen Wall gegen das errichtet wissen, was so durchs Netz geistert, und das man ebenfalls sehr gut begründen könnte, als regelrechte "Normalfrucht" des Netzes.


Es geht um die Andeutungen, wie sehr das Netz von esoterischen, gnostischen Bildern durchformt, ja darauf ausgerichtet ist. Das führt sich aber nicht auf eben solche Verschwörungen zurück, die ja nur in Gestalt fassen, was in Wahrheit geistige Bewegung und Wirkung ist. Deren Zurückführung auf individuelles persönliches Verhalten allerdings ein Kern ist, der daran häufig stimmt, sich aber ganz anders aufbaut und entwickelt. So sehr ich manche Gesellschaften annehme, die bestimmte Ziele verfolgen. Ja, die hat ja wohl jede und jeder.


Aber es geht um die Grundlage dessen, was wir "Wissen" nennen. Und es geht um die Grundlage der Wissenschaft. Polanyi (und ich möchte gleich noch das berühmte Buch von Ludwik Fleck nennen, "Entstehung einer wissenschaftlichen Tatsache", das dasselbe demonstriert) zeigt, daß jede Forschung nicht einem objektiven Wahrheitsanspruch genügt oder diesen gar verfolgt, sondern zutiefst auf den persönlichen Haltungen und Anschauungen der Wissenschaftler selber, der Personen also, aufruht. Dort ist also der Schlüssel, dort ist die Nahtstelle, an der Religion und Philosophie ansetzt, und wo sie ihre wahre Wirksamkeit demonstrieren.


Weshalb man versimplifiziert sagen könnte, daß kein Wissenschaftler, der nicht die persönliche Wahrheit gefunden hat, auch "gut" forschen kann. Und umgekehrt - es erklärt, warum (wie ich nämlich behaupte) ein schon derartig großer Teil der heutigen Wissenschaft praktisch völlig irrelevant geworden ist. Reine Geld- und Ressourcenverschwendung. Da muß ich nicht nur die Genforschung zitieren oder es auf Biologie einschränken.


Hier schließt sich auch der Kreis zum Katholizismus überhaupt, und zur katholisch-scholastischen Erkenntnislehre. Hier schließt sich der Kreis in jedem menschlichen Handeln, sohin mit tragfähiger Kulturtheorie. (Was ich im übrigen in Wachau und Tirol zu zeigen versucht habe, unbeholfen, mangelhaft, gewiß: wie eine heute sichtbare Kultur aus religiösen Motiven heraus entstanden ist. Jeder Tischler, jeder Handwerker, jede Tippse im Sekretariat, weil jedes menschliche Tun, wird in Wahrheit von den Grundhaltungen der Menschen, der Individuen, durchwirkt, geformt, und geleitet.


Und natürlich auch die Wissenschaft. Und natürlich auch das Internet. Und natürlich auch die social media. Alles beginnt im Persönlichen. Die heutige Sucht nach großen Erklärungsmodellen, nach Katastrophenszenarien, deren auffällige Gemeinsamkeit die "Globalität" ist (es ist nicht schwer, als nächsten Schritt der Problemverschärfung "kosmische Dimensionen" vorauszusagen) ist also eine Flucht vor dem einzigen, was den Menschen und unsere Kultur wirklich durchwirkt: die persönliche Entscheidung, das persönliche Wahrheitsfinden.


Wie eng dies alles mit metaphysischen Tatsachen zusammenhängt, entgeht dem, was ich darüber heute lese, zumeist vollständig, oder bleibt in oberflächlichem Ahnen. Nur als Hinweis: ausgehend von der Sohnschaft des Menschen, aus der heraus er am Leben teilhat, in der Selbstaffektion, wird sein Grundproblem, das Grundproblem des Sich, zum "Ego" ausdestilliert, mündet in einer Spaltung seiner Persönlichkeit (ich halte Schizophrenie für das heute wahrscheinlich größte Problem, das auf uns noch gewaltig zukommen wird). Ich habe (eben, nur in Andeutungen bleibe ich hier) deshalb z. B. in meinem Manuskript dem Suchtproblem ein Kapitel gewidmet, weil es so schön illustriert, was in diesem Punkt gemeint ist: das Erleben der Mächtigkeit, das für sich gesehen das tiefe Grundwollen des Menschen wäre, sich aber im Ego(ismus) pervertiert, loslöst, und zwar wieder als Erlebnis der Mächtigkeit, das dem in Selbsttranszendenz auf Gott Zugehenden als das Leben selbst begegnet. Sämtliche Irrtümer sind ja auf eine Weise nur Hindernisse, Rechtfertigungen etc., um diese Offenheit auf Gott hin zu verbauen, zu verhindern etc., und zwar aus rein persönlichen Motiven und Unfreiheiten heraus. Man kann da durchaus Newman zitieren, der meinte, daß jede Sünde, die er begehe, auf Mangel an Glauben, auf Irrtum zurückzuführen sei.


Und damit wäre der Bogen zu Internet und social media gezogen. Denn dieses "können-Können" ist eines der Grundprobleme, wenn nicht DAS Grundproblem, das uns die wahre Natur dieser Technik, ihre wahre Rolle im Leben, verschleiert. Selbst, wenn wir von "Vorteilen" sprechen, die das Internet (angeblich) habe, so beziehen wir uns meist lediglich auf technische Möglichkeiten, als enthielten diese alleine bereits ethische Qualifikation. Aber das alles sagt nichts über die wirkliche (ethische) "Dingqualität" aus. Nimm nur "Zeitersparnis" - Zeit ist aber in der Erkenntnis und vor allem in der Kommunikation ein entscheidender Faktor! Genauso wie Raum! Sodaß meine Frage nur dahin zielt zu suchen, wo und ob es Einzelfälle gibt, wo z. B. ein Mail wie dieses ein Medium wie dieses rechtfertigt, als Einzelfall, wie gesagt. Im Normalfall, und aus den Erfahrungen, würde ich nämlich sagen: kaum, vielfach gar nicht! Vieles, manches, was mich übers Internet auf diese Weise erreicht hat, wäre in anderer Form ganz anders ausgefallen. Selbst die Kommunikation übers Internet (ich habe reale Beispiele, die das belegen) zerstört mittel- oder langfristig nämlich wirkliche Kommunikation. Dieses Medium ist ja deshalb so mächtig, weil es im wesentlichen ein Medium ist, das die Schwäche stützt und ausbaut ...


Ich hoffe, ich habe was ich meine verständlich ausdrücken können. Es ging mir darum zu zeigen, daß ich da nicht einer Verschwörungstheorie (mit ihren pseudoreligiösen Gefühlen, übrigens) nachjage. Sondern daß das sehr überlegt und im Ganzen eines, wie ich meine, vernünftigen Weltbildes steht. Aus diesem Grund, aus keinem sonst, behaupte ich, daß vor allem die social media persönlichem Heilsweg fast zwangsläufig entgegenstehen.


Da brauche ich nicht erst auf den Verlust der Welt durch den Verlust ihrer physischen, räumlichen Präsenz hinweisen, wie das Paul Virilio so schön zeigt: wie nämlich die Wahrnehmung der Dinge mit der Notwendigkeit von Zeit und Raum zu tun hat. Wie ungeeignet, ja wie fatal sich da "Information" im Internet auswirkt, das diese Wahrnehmung (durch das "Kennen") regelrecht verhindert. Aber die persönliche Antwort, die das Glauben ist, braucht den Anruf Gottes, durch die Wirklichkeit, durch die Welt, deren Dinge immer Dinge "für" sind, in Bezügen also stehen. Das Internet aber hat eigene Gesetzesräume entwickelt, bzw. IST ein solcher. Darin noch Gottes Wirklichkeit zu suchen halte ich für fast aussichtslos. Und fast sage ich nur, weil ich bereit wäre, umzudenken, wenn ich Belege für eine solche Notwendigkeit sähe. Im Internet hält sich die Menschheit die Welt vom Leibe ... wörtlich. Das Wesen der Erlösung IST aber leiblich, so wie die Wahrheit.


*270218*