Dieses Blog durchsuchen

Sonntag, 1. Juli 2018

Brief an einen Sohn (5)

Teil 5 - Schluß



Bei diesen Andeutungen (was für eine Chuzpe, diese Textmenge noch Andeutungen zu nennen ... ;-) will ich es insofern einmal belassen, als ich natürlich sehr mit Dir in Deinen emotionalen Nöten mitfühlen kann. Vielleicht habe ich erzählt - ich hatte 1980 bis 81 in Graz eine "Beziehung", die für mich desaströs endete. Auch hier hat sie mich verlassen, wenn man Betrug als verlassen sehen will, der es aber ist. Ich war nachher nicht mehr der alte, vielmehr zutiefst verwundet, fast könnte man sagen: Tödlich getroffen. Samt Selbstmordversuchen. Ach ja, ich erinnere mich, ich habe davon erzählt.

Wenn es auch im Detail sicher anders war als bei Dir, vereint uns doch auch in diesem Punkt ein gewisses gemeinsames Schicksal, das wollte ich damit sagen. Was mich sehr berührt. Wobei: Das soll ja bei Vätern und Söhnen keineswegs selten, ja sogar die Regel sein ... Aber aus heutiger Sicht ging es denn doch um dasselbe wie bei Dir: Ich habe nicht die Kraft gehabt, dieser "Beziehung" einen Namen zu geben: Ehe.

Und sie hat das auch abgelehnt, ich hatte es einmal angesprochen. Wobei ich heute denke, daß sie das bereut. Sie lebt heute alleine, hat nie geheiratet. Ich werde sie nie mehr kontaktieren, gewiß nicht. Aber ich habe so eine seltsame Ahnung, daß sie etwas begriffen und vielleicht sogar bereut hat. Und das hat mit "Beziehung" zu tun. Sie wollte "Beziehung", hielt Ehe für unnotwendig. Heute ist sie allein. Wie so extrem viele Frauen übrigens. Beobachte einmal wie viele mit vierzig, fünfzig Jahren oft unter Tränen feststellen, daß sie ihr eigentliches Lebensziel, ihre größten Wünsche - Familie, Ehe, Kinder etc. - NICHT erreicht haben. Trotz Karriere und Volvo in der Garage und Photos von Urlauben in Thailand und Peking, oder weiß der Deibel was. Wobei meist, ja fast immer auch das nicht. Sie haben ihr Leben gelebt, aber es ist nichts Dauerhaftes geblieben.

Irregeleitet waren wir beide, schon damals, 1980/81 in Graz, und das ist gleich wie heute bei Euch Jungen sozusagen. Durch die überall propagierte "neue" Sicht von Mann und Frau, die sich ja alles quasi selbst arrangieren können, weil ja alle so frei sind, vor allem die Frauen. Was für ein Unsinn. Erfüllung gibt es nur in Bindung. Erst Bindung informiert empirische Daten, weil Gestalt erst dann entsteht, wenn sie sich behauptet, und das heißt: abgrenzt, aus dem Chaos heraushebt, im Namen ein "Etwas" macht, weil Informierung "Bindung" ist.

Womit wir auch zurück bei der Physik wären. Erst Form macht aus einem ständig variablen "irgendwie" eine tragfähige Gestalt. Das hat nichts mit "konservativ" zu tun, das ist einfach realistisch. Daß das heute so gar nicht mehr erkannt wird, hat vor allem mit dem Sozialstaat als "Rückversicherung für das Leben" zu tun.

Natürlich weiß ich, daß vor allem die Frauen katastrophal fehlgeleitet (weil auf sich gestellt, "e-manzipiert", also: aus der Hand gegeben oder genommen oder geworfen, je nachdem) sind. Sie betrifft die heutige Verwirrung noch mehr als die Männer. Umso höher wäre also der Männer Verantwortung, die vor allem eine Pflicht zum Widerspruch, zum "Besserwissen" ist. Wer führt MUSZ besser wissen. Eine hohe Verantwortung, vor allem oft ein schweres Kreuz. Aber wer führen will MUSZ dazu den Mut, ja die "Frechheit" haben. Und ohne Führung wiederum gibt es kein Seiendes! Alles lebt aus einer Spitze, einem Haupt - Form, Sinn ist damit sogar Ausdehnungsgrenze - und Beziehung, als Anstoßen von Grenzen.

Deshalb proklamieren die Frauen Ansprüche, die mit dem, was sie wirklich wollen, nicht einmal mehr im Entferntesten übereinstimmen. Anderseits aber muß man genau zuhören, genau zusehen. Denn indirekt - indirekt! - zeigen sie, die viel mehr die fleischliche, sinnenbezogene, und deshalb so leicht zu beeinflussende Komponente des Weltseins sind, oft sehr genau an, worum es ginge. Als Gestalt, als Bewegung des Seins, viel vor allem im Instinkt, nicht als "Denken". Man muß bei Frauen mehr als bei Männern (oder Dingen) ihre Schatten lesen, die sie an der Wand hinterlassen, vor der sie sich bewegen.

So, und nun sind auch die Schienen gelegt für die zweite Variante. Du bist immerhin mein Sohn, und über Ähnlichkeiten haben wir bereits gesprochen. Was wäre, ***, wenn wir beide gar nicht einen "Fehler" gemacht hätten, sondern uns in einer irrtümlichen Annahme über uns und unsere Wünsche, Ziele selbst befunden hätten, wenn das die Frauen sogar gespürt hätten? Und Frauen sind oft tatsächlich sehr handfest-klug, nur wissen sie es meist nicht. Wenn wir also in Wirklichkeit diese "Ehen" deshalb nicht "so richtig" angestrebt hätten, weil wir beide sie ... gar nie gewollt, nur so irgendwie gemeint hatten, sie zu wollen, oder meinten "irgendwas in dieser Richtung" wollen zu müssen, warum auch immer?

Was hätten wir dann beide also verloren?

Gerade wenn Männer sehr geistig orientiert sind, ***, ist die Bedeutung des Fleischlichen - und Ehe, Zweisamkeit ist maßgeblich etwas Fleischliches und wird vor allem dann dazu, wenn wie bei uns beiden der Fall, wir enge körperliche Kontakte (um es so zu umschreiben) mit den Frauen bereits hatten, diese sich gar zur (oh ja, supertollen ...) Gewohnheit ausbildeten - oft sehr sekundär, ja unter Umständen (wie beim Zölibat) gar nicht vorhanden und dem eigentlichen Lebensziel entgegen. Dann ist unsere "Ehe" - und jeder, wirklich jeder Mensch ist auf Ehe angelegt! - doch die Ehe mit einer geistigen "Frau", mit einem Volk, einer Gemeinde, einer Zuhörerschaft, einem Publikum, Angestellten, was auch immer noch Dir dazu einfällt?

Ob das bei Dir so ist, weiß ich nicht. Aber vielleicht solltest Du es erwägen? Versuche nur einmal, es mit Deinen Gedanken zum "Nobelpreis" zusammenzubringen. Mit dem mir gegenüber geäußerten Zielbild, "Wissenschaftler" zu werden. Ich sage nicht, daß das prinzipiell alles unvereinbar wäre, und ich kann Dir gar nicht sagen, wie ich mich über Enkel von Dir freuen würde. Aber sehr oft ist es das. Dann sind unser beider Kinder und Enkel eben ... nicht fleischlicher Art. Nimm es nur als Gedanke, als Möglichkeit, und höre genau, ob sich dazu in Deinem Inneren etwas regt.

Aber auch darüber, darüber, mein lieber Sohn, können wir, wenn Du das willst, bei einem Stadtpark-Spaziergang ausführlicher sprechen. Den wir vielleicht in nicht zu ferner Zukunft abhalten? Die Perspektive, daß wir uns wieder treffen, macht mich sehr froh.

Und so wünsche Dir von ganzem Herzen alles Gute, und viel viel Kraft, die Schmerzen der Trennung von einer "faszinierenden Frau", wie Du es nennst, gut zu verwinden. Arbeit, Aufgabe, Sinn (!) - und Spiel ;-) - ist da ein recht gutes Mittel. Wenn Du deshalb auch nicht ganz vergessen solltest, daß Du recht sicher ein gehörig Maß dazu selbst beigetragen hast.

Vielleicht machst Du Dir dann vor allem keine Vorwürfe, was Du "falsch gemacht" hättest. Vielleicht hast Du gar nichts falsch gemacht. So oder so. Dann wirst Du aus dem Schmerz wenigstens etwas gelernt haben. "Wo Gott eine Tür zuschlägt, macht er ein Fenster auf!"

Und noch einmal: Ich freue mich über Deine geistige Entwicklung und bin stolz auf Dich und die Richtung, in die Du zu gehen scheinst. Gerne habe ich deshalb auch dieses eine Photo, das ich von Dir digital aufgetrieben habe, ich gestehe es, meiner heutigen Lebensgefährtin (in Deutschland) gezeigt. Was für ein Prachtsohn, hat sie gemeint. Ja, habe ich geantwortet, eine kostbare Perle. Und habe ihr ein wenig erzählt. Auch von früher, als Du noch mein kleines, so zerbrechlich empfundenes Söhnchen warst. Auch das wäre ja ein Hinweis auf Geistiges.

Gott, die Ursache von allem Sein (Physik!), das alles Gut (= am Sein Teilhabende, also alles Seiende) treibende (schaffende) Sein selbst also, aus dem alles Seiende heraus in Liebe, in Zustimmung zur Welt "isset" (ist ist ein Aktivum!), möge diesen kostbaren Menschen schützen.

***, ich bete für Dich.

Dein Dich liebender

Vater




*090618*