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Dienstag, 17. Juli 2018

Über das Schreiben und die Kunst - Interview (2)

Teil 2)



Was ist überhaupt Kunst? Und welche Rolle spielt der Künstler dabei?
Schon die scheinbare Notwendigkeit einer Kunsttheorie halte ich für ein Krankheitszeichen. Wenn ich dennoch sage, daß Kunst die explizite Schönheit des Wahren im Guten ist kann das nicht verstanden werden, wenn man nicht weiter ausholt: Nämlich beim Sinn der Schöpfung beginnt, der darin liegt, daß der liebe Gott den Menschen an sich teilhaben lassen wollte. 

Der Mensch hat über das Erkennen am Leben Gottes teil sowie an dessen Eigenschaftlichkeiten. Diese lösen wir im Erkennen über die Sinne ab. Erst die Erbsünde als Erkenntnisbruch schuf die Möglichkeit zur Nicht-Kunst, zum Profanen. Kunst knüpft also an das Paradies an. Der Künstler ist als Raum und Zeit bedingtes Wesen fleischlich geformt, trägt in sich Eigenschaftlichkeiten, hat aber keine dezidierte Figur einzunehmen, ist also nicht primär nützlich - er ist Asket. 

Er trägt die Bilder seiner Umwelt in sich, die sich in ihm entfalten und reiben, ohne von ihnen zu kosten. Er kann dazu - wenigstens als junger - keine Figur sein, die sich an Archeteypen formen könnte, damit er in die Lage kommt, sich von allem zu distanzieren. Er ist also eine Art Seismograph der welttragenden Kräfte, nicht bloßer Faktenerfasser. Er stellt purifiziert dar, was er in der Vergangenheit gesehen hat, läßt zeitbedingten Schein abfaulen wie die Schalen einer Kastanie. Insofern ist er aktuell, aber wie Doderer sagt: Immer einen Schritt hintennach. 

Deshalb hat er in sich eine besondere Berufung zur Wahrheit, die Voraussetzung für die Schönheit und Vollkommenheit seiner Darstellung ist. Da erst wird es zur Frage des Talents. Aus diesem Grund finden sich auch zwei Typen vom guten Künstler: Der besonders naive und der besonders gescheite Talentierte. Ein Mittelding gibt es nicht, bzw. produziert das Mittelmaß eben Mittelmaß. Wo er Ideologie schon gar ernsthaft einzubringen versucht, versagt er. In der Kunst finden sich somit abstrahierte, einerseits vom Konkreten abgelöste, anderseits eben im Konkreten nur darzustellende Züge der Welt. 

Der Künstler wird mit der Zeit zu einem fleischlichen Bündel der Abstraktionen, der Grundzüge der Welt, aus denen sich mehr und mehr Gestalten rekrutieren. Er hat keine andere Aufgabe als immer wahrer zu werden. Deshalb auch ist er zu besonderer Gottähnlichkeit berufen und begabt: Er wird immer universaler, trägt alles in sich, kann alles zeugen. Je klarer erkennbar, also gegenständlich vollkommener ein gültiges, weltformendes, raumgreifendes Allgemeines sich dargestellt findet, umso größer ist das Kunstwerk, das Welt tatsächlich nachschafft. 

Kunst kann somit reiner sein als die faktische Wirklichkeit, und sie hat die immanente Funktion, die Welt der Wahrheit, Schönheit anschaubar zu bewahren, als gewissermaßen Regenerationsstelle des ewig Gültigen für die Menschen. Denn der Mensch ist nach Formen, Bildern gemacht, deren Liturgie die Kunst ist. Der Betrachter hat somit in der Konsumation Anteil an diesem Ewigen, das in ihn übergeht, sein Sein kräftigt. Die Frage nach der Wahrheit der Kunst ist somit eine Frage nach der Wahrheit des Künstlers. Wobei ich das alles sage ohne den Anspruch zu erheben, diesem Ideal schon gerecht zu werden.


Morgen Teil 3)





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