Teil 3)
Ebenfalls für die Fortgeschrittenheit
der Angriffspläne Stalins spricht der Umstand, daß die Waffensysteme an
der Grenze zu Deutschland auf kleinsten Raum konzentriert waren. Im
Verteidigungsfall macht man das genaue Gegenteil. Da stellt man nicht
(wie geschehen) hundert Panzer Stoßstange an Stoßstange, ohne jede Tarnung,
in Reihen dicht nebeneinander. Das tut man wenn man angreifen möchte und
mit eigener Luftüberlegenheit rechnet. So, wie es die Amerikaner 1944
in Frankreich taten. So lassen sich die enormen Materialverluste zu
Beginn des deutschen Angriffs im Mai 1941 erklären. Während die deutsche
Ausrüstung gleich einmal mit riesigen Mengen an Beutewaffen ergänzt
wurde.
Die
horrenden Zahlen an Gefangenen erklärt Suworow anders. Stalin hatte
schon ab 1939 Millionen von Gulag-Häftlingen Freiheit versprochen, wenn
sie die Uniform anzogen und Dienst mit der Waffe taten. Ein Gewehr
genügte dafür. Und Millionen meldeten sich, was hatten sie zu verlieren?
Daß
solche "Truppen" keine Kampfkraft haben liegt auf der Hand. Aber im
Falle eines Angriffs auf den Westen bildeten sie eine durchaus sinnvolle
Nachhut und Besatzungsmacht, die sich aus dem Land ernähren konnte. Als
dann aber doch Deutschland angriff, erfüllten sie einen anderen Zweck,
wie sich herausstellte. Denn sie belasteten den Feind, hemmten den
Vormarsch, und banden große Kräfte. An Soldaten, logistisch, an Material
und Transportmitteln, und vor allem am knappesten Gut der Wehrmacht in
Rußland: An Lebensmitteln. Es war tatsächlich der vielleicht
entscheidende Faktor, daß der deutsche Vormarsch auf Moskau zu langsam
vorankam - daß im Hinterland riesige "Kessel" mit Millionen (an
Kampfkraft wertloser) Gefangenen aufgearbeitet werden mußten.
Die
Berichte über die deutschen Blitzerfolge haben also gar nicht die
deutsche Überlegenheit zur Grundlage, die gab es nicht wirklich. Sie
waren zum überwiegenden Teil der Propaganda beider Seiten zuzuschreiben,
in je unterschiedlicher Richtung. Hitler war interessiert daran,
möglichst erfolgreich dargestellt zu werden. Stalin das Gegenteil: Er
stellte die Gefährdung seines Landes möglichst dramatisch dar, weil er
so riesige Hilfslieferungen der Amerikaner erhoffte - und bekam. Und er
mußte vor allem seine Angriffsabsichten vertuschen. Also mußte er sein
Land als militärisch unvorbereitetes Opfer verkaufen.
Der
russische Historiker und ehemalige hohe Armeeoffizier mit
detektivischem Sinn für Details zeigt sogar Kriegspropaganda-Material,
das bereits im März 1941 angefertigt wurde. Und er weist auf sechs Millionen
deutsch-russischer Kleinwörterbücher für Soldaten hin. Die schon im Mai
1941 gedruckt waren. Und mit was für Phrasen darin! Interessiert sich
ein Rotarmist, der seine Heimat auf Heimatboden verteidigt dafür, wo das
Telegraphenamt ist? Das kann er dann doch in Russisch machen? Aber noch
mehr. Suworow erzählt daß er lange darüber nachgedacht habe, warum
diese Wörterbücher nicht für friedliche Zwecke gedacht sein konnten. Bis
er das nötige Detail gefunden hatte: Die Phrasen hatten sämtlich
Befehlscharakter. Während das Deutsche sich dadurch auszeichnet, daß es
im Frieden für solche Dinge sehr oft "bittet".
Nur
einige von vielen Details, die hier präsentiert werden. Und die Frage
aufwerfen: Kann man da noch glauben daß Stalin von Hitlers Angriff
"überrascht" war?
Morgen Teil 4)
*110618*