Teil 2)
Diese Entwicklung ist in der Geschichte bereits seit dem späteren Mittelalter zu beobachten. Auch hier begann es erst mit dem 11., 12. Jahrhundert, daß man Texte als Wirklichkeit für sich zu sehen begann. Plötzlich tauchen überall Urkunden auf, zum Beispiel, die Realitäten (Herrschaftsansprüche, Besitzverhältnisse etc.) "begründen". Das war zuvor undenkbar! Ohne Tradition, ohne persönlichen Hintergrund war ein Text wertlos, der konnte nie mehr sein als Erinnerung, als Markierung von darüber hinausgehenden Realitäten.
Mit
diesem Schritt der Trennung dieser Kommunikationsmomente aber wurde die
Kirche in die Medienwelt hinein aufgebrochen, und ihre Aussagen wurden
auf dieselbe Ebene eines bloßen Textes gestellt. Erst damit wurde sie
offen für Propaganda und mediale Manipulation. Damit wird zugleich aber
auch die Rolle von Medien als Werkzeuge politisch-ideologischer
Interessensgruppen deutlich relativiert. Denn das eine gründet im
anderen, im Nominalismus eben, diese Prozesse lassen sich nicht
voneinander trennen.
Aber
damit wurde eine ganz neue Entwicklung ausgelöst. Das weitreichendste
Beispiel war das neue Meßbuch, der NOVO ORDO MISSAE, der NACH dem Konzil
(unter der Federführung von Kardinal Bugnini) ausgearbeitet wurde. Und
das ist auch schon das größte Problem des NOVO ORDO: Er entstammt NICHT
der Autorität des Konzils, wie dann behauptet wurde. Denn er hätte nur
INNERHALB DES KONZILS beschlossen werden können. Einfach eine
"Kommission" zu beauftragen, die dieses Heiligste der Kirche festlegt,
ist IN SICH UNMÖGLICH. Und wir sprechen hier von einem dogmatischen
Faktum, nicht von einem "technischen Detail". Im Gegenteil, wurde ja am
Konzil selbst FESTGELEGT, daß DIE LITURGIE NICHT GEÄNDERT WIRD (sieht
man von kleinen Änderungen ab.)
Eine
neue Liturgie festzusetzen war also nicht einfach ein Akt des
Ungehorsams, es war ein DOGMATISCH UNMÖGLICHER AKT. Das neue Missale der
Kirche war NICHT Teil des Zweiten Vatikanums, es ist nachher entstanden. Und
DAS war der Akt, der die Spiritualität der römischen Kirche völlig, und
zwar wirklich völlig zerstörte! Denn damit hat man die Spiritualität
sämtlicher Gläubigen der Welt verändert. Denn die Liturgie ist der
eigentliche, ja der einzige Akt, AUS DEM HERAUS dann auch das
intellektuelle Leben der Menschen geformt wird. Ist die Liturgie aber -
wie geschehen - gar nicht aus dem innersten Herz der Kirche entstanden,
öffnet man sie bzw. öffnet sich ohne jeden Zweifel für das Wirken des
Antichristen, des Teufels.
Denn
dem ist es immer nur um die Liturgie gegangen, sie ist das Herz der
Kirche, und damit der Kultur. Es ist die Liturgie, die den Willen, die
Ausrichtung der Menschen formt, ohne langen intellektuellen Disput
(Gnosis), der für die allermeisten, ja eigentlich für alle ohnehin gar
nicht bewältigbar ist, denn Gott ist unendlich. Und die Liturgie ist
göttlichen Ursprungs! Sie ist damit ein in seiner Umfänglichkeit gar
nie auslotbares Mysterium des Geistes, deshalb kann sie nur über
Tradition und als Gestalt weitergegeben, niemals durch intellektuelle
Leistung "erdacht" werden.
Der
Geist des Westens wurde also mit der Zerschlagung des traditionellen
Ritus definitiv zerstört. Deshalb muß das Zweite Vatikanum als Teil
eines globalen westlichen Bestrebens gesehen werden, die Grundlagen
unserer Kultur zu zerstören. Und dazu mußte man die Quelle dieser Kultur - die Liturgie der Hl. Messe - im Mark treffen.
(Wie gesagt: diese Veränderung kann man nicht durch die "Änderung"
einzelner Vorgänge erfassen, sie geht, wie oben dargestellt wurde, viel
viel tiefer! Sie ist eine Frage des Zugangs zu Gestalt und Inhalt
überhaupt!) Und über die Liturgie hat man auch die Weltanschauung des
Westens ins Mark getroffen.
Was
dann in den 1968ern (die als "Bewegung" eine Orchestrierung des CIA
war; daß er LSD gezielt als Waffe der Auflösung einsetzte, ist
mittlerweile von niemandem bestritten) passierte - Auflösung der
Autoritäten, Rebellion (in der Liturgie der Musik als realer Quelle),
Drogen, sexuelle Befreiung etc. - ist nur als integraler Bestandteil
dieser Gesamtbewegung zu sehen, meint Florian Geyer weiter. Man hat gewissermaßen den "Generator unserer Kultur" desintegriert.
Desintegriert ist das Stichwort für die Auflösung der sozialen Gestalt
der Gesellschaften. Wie die jungen Generationen, die von ihren Eltern
isoliert, aus den Familien desintegriert wurden.
Im Zweiten Vatikanum hat man genau dasselbe gemacht. Sein Endresultat war die
Desintegration der Tradition. Es war die Auflösung von echtem Gold in
Quecksilber (also in Bestandteile, in chemische Elemente), um es im
Terminus der Alchemie auszudrücken. Und als einzelne Elemente wurde es
dann der Herrschaft des "Hexenmeisters" unterworfen. (Und tatsächlich ist es bis heute ein oft gehörtes Argument, daß die Einzelteile der Liturgie des NOM ja alle noch da wären.)
In
allen anderen Bereichen unserer Kultur erleben wir heute genau
dasselbe: Auflösung aller traditionellen Gestalten in seine "chemischen
Elemente". Die Folge ist die Auflösung eines in der Natur verankerten
Moralgesetze zugunsten neuer, technisch definierter Moralgesetze, die
aber eiderdautz eine völlig neue Moral ergeben. Deshalb geht
auch die Argumentation der meisten Kritiker des Zweiten Vatikanums an der
eigentlichen Sache völlig vorbei! Sie setzen sich mit Einzelaussagen,
mit Textinterpretationen auseinander und sehen nicht, daß das
Wesentliche durch die Veränderung der Sprache, durch eine neue Art der
Kommunikation geschehen ist.
In
der Liturgie - sei es in der des Johannes Chrysostomus wie die
Orthodoxie, oder in der des tridentinischen Ritus wie bei den Katholiken
- ist einfach alles Symbol und Träger symbolischer Information. Alles.
Jede Geste, die Architektur, die Ikonographie, einfach alles gibt
"Information" weiter, ist Sprache, ist Kommunikation, ist "Formierung".
Alles ist mit Bedeutung und Sinn aufgeladen, und alles verweist über
sich hinaus ins Transzendente, ins Ewige, in den Himmel. Die Liturgie
ist ein Fenster in den Himmel, der sich hier mit der Erde verbindet!
Deshalb
ist die Liturgie die Manifestation der Herrschaft und des Königtums von
Jesus Christus, die damit irdische Realität werden, als Reich Gottes
auf Erden (Kirche). Damit gibt die Liturgie auch die Form und die Gnade,
die alltäglichsten, kleinsten Verrichtungen - draußen, im Alltagsleben -
zu bewältigen. Und zwar sub auspicii aeternitatis, also in einer
immanenten Ausrichtung auf das Ewige hin. Damit kann, ja damit muß man
sagen, daß die Religion eben die Kultur trägt und formt. So wird die
ganze Erde, in der Bearbeitung durch den Menschen, der von der Liturgie
geformt ist, in der Kultur ins Reich Gottes hineingezogen.
Morgen Teil 3)
*130618*