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Donnerstag, 12. Juli 2018

Stalin wollte ganz Europa unterwerfen (4)

Teil 4)




Als Deutschland den Krieg verloren hatte, wurde der Mißerfolg in Rußland damit begründet, daß die Bedingungen - der harte Winter, die schlechten Straßen, der Schlamm etc. etc. - der Grund gewesen seien. Nur, sagt Suworow, das kann doch niemand ernst meinen? Alle diese Dinge waren doch nicht überraschend!? Man wußte das alles im Voraus! Aber man war einfach nicht darauf vorbereitet, und das ist ein gewaltiges Versäumnis, kein "überraschender Schicksalsschlag". Dennoch unvorbereitet anzugreifen war schlicht ein Versagen. Mit dem Stalin geschickt spekuliert, zu dem er Hitler provoziert hatte. Denn Stalin blieb im Grunde gar keine andere Wahl als Krieg zu suchen, weil es nicht gelungen war, das versprochene Paradies der Arbeiter zu schaffen. Und er hatte dabei die Vordenker des Sozialismus - darunter Chruschtschow - auf seiner Seite, die genau wußten, was sich da abspielte.

Womit hatte man gerechnet? Russen sind doch keine Idioten!? Sie waren die ersten im Weltraum, sie haben die besten Schachspieler, sie fördern am meisten Öl, haben gigantische Rohstoffvorkommen ... Man sollte also Rußland nicht unterschätzen, sondern sich vielmehr fragen, warum es mit diesen Voraussetzungen nicht ganz oben an der Spitze der Welt steht. 

Hitler hat die Russen unterschätzt, und prompt ging er Stalin auf den Leim. Der nun jemanden hatte, den er geschickt benutzen konnte, um seine eigenen Pläne durchzuziehen. Und sie sind ihm auch weitgehend geglückt: Stalin hatte 1945 zwar nicht ganz, aber einen beträchtlichen Teil Europas unter seiner Macht. Etwas anderes hatte er nie vorgehabt. Die Sowjetunion war nach 1945 außerdem Weltmacht, ex aequo mit den USA am ersten Platz, zumindest scheinbar und so lange der Bluff eben ging. Aber die Bösen vor der Weltgeschichte sind trotzdem die Deutschen und ist Hitler. Stalin war weit gerissener, realistischer als Hitler, der sich völlig überschätzte und viele zur gleichen Selbstüberschätzung verführte.

Was Suworow da vorzeigt ist ziemlich interessant. Vor allem, weil er den Blick auf Details lenkt, die überraschen, und auf die man normalerweise nicht schauen würde. Denn Geschichte läßt sich einfach nicht nur durch Dokumente belegen, offizielle Dokumente sind meist nur sehr bedingt aussagekräftig. Also entwirft Suworow einen Thesenbogen, der dem gesamten Geschehen einen Sinn geben soll, und den er durch handfeste Materialien belegt, an die aber niemand denkt. Wer kommt auf die Idee, ein Impressum auf einem Plakat zu suchen, das das Druckdatum enthält? Aber DAS seien Dokumente die weit mehr aussagten, meint er.

Seine Argumentation hat deshalb vor allem "Plausibilitätsfunktion", und die Belege für seine Thesen sind oft verblüffend. Und wirken nicht wenig überzeugend. Außerdem sind sie ziemlich originell und machen Suworow fast zu einem Gestaltseher. Eine Eigenschaft, die man nur schöpferischen Geistern zuschreiben kann.

Nicht verhehlt soll abschließend werden, daß die Ursache für die anfänglich inferiore Rote Armee beim Angriff der Deutschen für die meisten Historiker in den furchtbaren Säuberungen Stalins in den 1930er zu suchen sei. Diese hatte wiederum vor allem höhere, erfahrene Offiziere getroffen. Fieberhaft wurden in Schnellsiedekurse "Offiziere" ausgebildet, die die so entstandenen Lücken füllen sollten. Zusammen mit den enormen Aushebungen an Soldaten, stand im Juni 1941 die Rote Armee in einer Phase eines Neuaufbaus. Es fehlte aber extrem an Offizieren, und die Kampfmoral der Truppen, vor allem der allgemeine Informationsstand, war durch die ständige Drohung, Säuberungen zum Opfer zu fallen, sobald man seine Meinung äußerte, sehr niedrig. Die meisten Historiker sind auch der Ansicht, daß die Sowjetarmee an Waffen zwar zahlenmäßig weit überlegen war, daß aber die meisten Flugzeuge, Panzer, Geschütze veraltet waren. Man hatte sie aber im Dienst gelassen, weil die zusätzlich ausgehobenen Truppen ja irgendwie bewaffnet werden mußten. Der VdZ kennt aber auch keinen Historiker, der der Roten Armee nicht von Anbeginn an eine enorme Mobilität zugeschrieben hätte. Die Ausrüstung mit Lastkraftwagen war also schon 1941 hervorragend. Und selbst deutsche Offiziere konzedierten bereits 1943, daß sie über das Tempo, mit dem die Rote Armee taktisch dazugelernt hatte (und die deutsche Strategie der dynamischen Tiefenverteidigung quasi imitierte), überrascht waren.









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