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Mittwoch, 18. Juli 2018

Über das Schreiben und die Kunst - Interview (3)

Teil 3)



Warum muß dann Kunst erzählen? Sie sprechen ja selber von Bildern?
Weil sich Erkenntnis aus der Bewegung ablöst, aus der Minimalspannung der zeitlichen Abstände. Aus der Dauer wird das Wirken eines Dings und damit seine Eigenschaft ablesbar. Bewegung ist also in erster Linie als Selbstvollzug in der Beziehung zum vorhandenen Wirkenden zu verstehen. Somit sind wir bei den Kriterien der gestalthaften Erkennbarkeit und damit Identifikationsmöglichkeit. Wo diese fehlt haben wir es nicht mit Kunst, sondern mit Unsinn zu tun. Natürlich setzt dies eine Weltsicht voraus, die den Dingen ein im Prinzip unveränderliches Wesen unterlegt, das nach Entelechie drängt, sowie einen prinzipiell freien menschlichen Willen - daraus ergibt sich ja Handlung und Drama.

Sie lehnen also abstrakte Kunst ab?
Ich lehne gar keine Kunst ab - entweder ist sie Kunst oder nicht. Und ich bin auch gegen platt abbildenden Naturalismus, der auch nicht Kunst ist. Vieles, das uns als Kunst verkauft worden ist, ist gar keine, das ist das Problem. Damit hat man der Kunst und ihrer gesellschaftlichen Rolle sehr geschadet. Kunst bemißt sich nach dem, was sie darstellt und dem, wie sie es vermag. Sie ist in gewisser Weise kein Ding an sich, an dem sich experimentieren ließe, also blanker Formalismus. Sie wird auch dort nicht zur Kunst, wo sie Ideologien einbringt, Interpretationen also, die von einer Sollensidee ausgehend die Wirklichkeit dahingehend interpretieren. Ohne Wahrheit ist Kunst nicht denkbar, und Wahrheit ist das einzige, das sich nur aussagen, aber jederzeit verifizieren läßt, an die nicht auf irgendeine fideistische Weise geglaubt werden muß und die der Alltagserfahrung widerspricht. 

Sie kann die Einzelerfahrung bei weitem übersteigen, insoferne den Betrachter erweitern, und gute Kunst tut das auch, aber der sens ratio nicht in strengem Sinne widersprechen. Wo Kunst ihre Erkennbarkeit grundsätzlich verliert, da hat sie sich selbst verloren. So gesehen sind unsere Museen voll mit Dekorstücken. Viele der heutigen Künstler oder die sich für solche ausgeben spekulieren mit dem Effekt des Unbekannten, lediglich Interessanten - das grundsätzlich ja nicht zu beurteilen ist. Und so mancher kommt einem böswilligen Betrüger schon recht nahe: Sie täuschen Welt vor. Aber wie ich schon sagte: Der Künstler muß in sich das Prinzip der Welt tragen, also Wahrheit, und nur insofern ist er auch wahr in seinem Werk. Wenn Experiment, dann hat es seine Notwendigkeit nur in Bezug auf das Ringen um immer bessere und zeitlichere Darstellung dessen, worauf er sich bezieht. Jeder muß seinen eigenen Ausdruck finden. Wahrheit ist universal, ihre Ausformung aber ist individuell und ihre Gestalt hat eine Zeitkomponente. Das macht Kunst prinzipiell unerschöpflich.

Also wird doch Neues?
"Neues" wird im Sinne von "Weiterwerden" in der Vervollkommnung von Eigenschaften, diese Sehnsucht als Sehnsucht nach Teilhabe an Gott, also nach Ewigkeit liegt im Menschen und in allem Lebendigen. So verstanden kann man von "neu" sprechen, es wird ja tatsächlich etwas geschaffen. Die Phantasie ist dabei nicht das entscheidende, sie ist leer, keine Kraft zur "creatio ex nihilo". Ihre Gegenstände sind entscheidend, und die sind der Welt des Bekannten entnommen, die die Phantasie je nach Herzenskräften neu zusammenstellen oder auseinandernehmen. 

Man verwechselt heute vielfach Kreativität mit Formlosigkeit, Uferlosigkeit, Konturlosigkeit, die eher hysterisch denn kreativ zu nennen ist. Alles "Neue" sieht nur so aus, als wäre es neu - es ist Bekanntes, das lediglich in einem Zusammenhang geordnet ist, der bisher nicht so auftrat, aber wirklich schon vorhanden und erfahrbar war und sich nun in eine Gegenwart hinein gestaltet. Selbst in der Technik können Sie das beobachten: Der Mensch schafft "neu", was in ihm schon vorhanden ist, nach seinem Abbild, sonst kann man nicht von Schaffen, sondern muß von Zufall sprechen. Was "neu" ist, muß eben "etwas sein", eine Frage, die ja bei der Konsumation vieler heutiger Kunstwerke eine große Rolle spielt. Wobei ich die Verfremdung hier ausklammern will - denn es wird etwas oft erst sichtbar, wenn es fehlt.


Morgen Teil 4)





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