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Mittwoch, 4. Juli 2018

Warum Religionsfreiheit den Staat und die Religion zerstört (3)

Teil 3)



Damit aber stehen diese Gesellschaftskonzepte im Widerspruch mit genau dem, was zu schützen sie vorgeben: Mit dem Absolutheitsanspruch der Religion. Der nicht substituierbar ist, weil sich sonst das Wesen des Religiösen - das Schöpfen von Legitimität aus dem Absoluten - auflösen würde. Genau so wenig kann jemand, der an ein bestimmtes Absolutes glaubt bzw. daran festhalten will, weil sich sonst seine gesamte Handlungs- und Verhaltensgrundlage ebenfalls auflösen würde, dieses Absolute relativieren und sagen: Gut, der andere hat ein anderes Absolutes, wir wollen ihm mit unserem Glauben nicht ins Gehege kommen, und er sollte das auch nicht.

Solcher Relativismus führt automatisch und unweigerlich zur Auflösung des Konzepts vom Staat. Diese ist nur noch als Zwangsveranstaltung denkbar. Denn die innere Kohäsion löst sich auf. Der Staat selbst wird lediglich zu einer technischen Versorgungsanstalt (und das ist er für den Liberalismus ja in der Tat), der im Namen irgendwelcher Pragmatik (die eine Reduktion sämtlicher religiöser Ansprüche auf eine gewisse Verhaltensregelung ist) bestehen sollte. Er ist deshalb auch jederzeit auflösbar, umgestaltbar, wird aus seinem Zusammenhang mit den konkreten Menschen, dem Staatsvolk also, herausgelöst. Ihm fehlt damit das, was ihn aber einzig zu tragen vermag, und zwar von innen her zu tragen vermag: Die Organizität mit dem Leben selbst.

Weil das aber nicht der Natur des Menschen entspricht, zerfällt so ein Staat unweigerlich in eine Reihe von Parallelgesellschaften, die sich alle nur noch dann und wann "auf der Straße" begegnen. Deren gemeinsamer Nenner aber laufend schrumpft. Das Gemeinsame eines Staatsvolkes also löst sich auf. Dort, auf der Straße nämlich, haben sie von dem abzusehen, was ihr Leben trägt und hält und beseelt: Von der Religion. Ein wirklich religiöser Mensch aber kann das gar nicht! Er käme in unlösbare Widersprüche mit (seinem) dem Absoluten!

Deshalb löst das Konzept der Religionsfreiheit einerseits den Staat auf, und anderseits die Religion. Denn ein Staat ist nur als Gemeinschaftskonzept, als Organizitätsform eines lebendigen Volkskörpers denkbar. Wir erleben ja auch genau das: Wie der Staat die religiöse Betätigung seiner Glieder mehr und mehr einschränkt, ja unmöglich macht. Längst ist religiöse Äußerung fragmentiert, längst ist es nicht gestattet, sein Leben nach seinen religiösen Überzeugungen zu gestalten, sobald sie mit diesem Konzept der A-Religiosität des öffentlichen Raumes (und der beginnt bei jeder zwischenmenschlichen Begegnung) in Konflikt geraten. Der Staat zwingt zu bestimmten Verhaltensweisen, man denke an die Nicht- oder gar Anti-Diskriminierungsgesetze, man denke an Sichtweisen der Gender- und LBGT-Fragen. Und noch weiter: Der Staat mit seinen Institutionen (Schulen, Ämter, Behörden etc. etc.) zwingt seine Bürger, ihre Religiosität aufzugeben, ja gegen diese zu handeln und sich zu verhalten. Er kann auch gar nicht anders, weil sich sonst immer stärkere direkte Konflikte ergeben würden.

Wir wollen die gesamten Konsequenzen gar nicht weiter ausmalen, der Leser ist bestimmt selbst dazu in der Lage, diesen Ansatz weiterzudenken. Der sagt: Das Konzept der Religionsfreiheit, das unsere Staaten (und leider auch die Kirche, die es bis 1965, bis zu "Dignitatis Humanae" des Zweiten Vatikanum besser wußte) bestimmt, führt zur Zerstörung genau dieser Religionsausübung, die zu schützen sie vorgibt.

Und damit schließt sich der Kreis der hier vorgetragenen Argumentation, die natürlich nur im Überflug vorgehen konnte. Denn damit zwingt der Staat in unseren Kulturkreisen die Bürger zu ... Ersatzkonstrukten, wie wir sie ganz am Anfang dieses Textes darzustellen versucht haben. Er drängt die Religiosität auf eine Zweitebene, auf die Ebene der Zweitwirklichkeiten. Die Folge ist zweifellos die Fanatisierung seiner Bürger, denn nun geht es erst recht um die Vorherrschaft eines Absoluten. Und damit steht er in der Situation, daß er, um das Buschfeuer zu löschen, einen Flächen- und Landschaftsbrand auslöste.


Morgen Teil 4)





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