Der russische Historiker Viktor Suworow
wird meist als "umstritten" dargestellt. Denn er hatte vor etlichen
Jahren nach eingehendem Studium der Moskauer Archive die These
aufgestellt, daß es zwar so aussah, als hätte Hitler am 1. September
1939 den Zweiten Weltkrieg vom Zaun gebrochen. Tatsache aber ist, daß er es
nur getan hatte, weil das mit Stalin abgesprochen war. Der aber hatte
längst fertige Angriffspläne laufen, die sich nicht nur auf Deutschland,
sondern auf ganz Europa (!) erstreckten. Diesem Ziel waren die
gigantischen Aufrüstungsprogramme Stalins gewidmet, die dem Westen und
Hitler weitgehend verborgen blieben. Hitler hat selbst einmal zugegeben,
daß er keine Ahnung davon hatte, in welchem Ausmaß die sowjetische
Aufrüstung bereits stattgefunden hatte. Die materiale Überlegenheit der
Roten Armee war einfach gigantisch!
Suworow
argumentiert, daß dies genau darin gründet: Stalin hatte nachweislich
Pläne, in einem Frontalangriff ganz Europa unterwerfen. Nur dann ergeben
die unglaublichen Rüstungsgüter einen Sinn, die vorhanden waren, sowohl
mengenmäßig als auch in der Art, denn es waren Waffen, die nur für
einen Angriffskrieg geeignet waren. Ja, die Rote Armee hatte sogar
enorme Mengen an Kriegsmaterial, das für eine Überwindung des
Ärmelkanals ausgelegt war, um auch England anzugreifen, sowohl als
amphibische Panzer als auch in der zahlenmäßig extrem überlegenen
Luftwaffe und in der Marine.
Mit
einem Verteidigungsfall hatte Stalin vorerst nicht zu rechnen. Weil er
nicht glaubte, daß das damals tatsächlich noch stark unterrüstete
Deutschland (die Wehrmachtsgenerale sprachen von 4 bis 5 Jahren, die
Deutschland noch brauchen würde) einen Angriff auf die Sowjetunion wagen
würde.
Weil
Stalin genau das vorhatte - Europa anzugreifen - störte ihn Polen. Es
würde Deutschland Zeit geben, sich militärisch zu formieren und seinen
Angriff abzuwehren. Also überlegte er, wie er diesen Krieg besser
vorbereiten könnte. Und wer ihn dann beginnen sollte. Da kam ihm Hitler
sehr entgegen. Und der war auf der Suche nach einer Lösung für Danzig
und Ostpreußen. Also machte ihm Stalin den Vorschlag, daß die Lösung
doch wäre, Polen zu überfallen und aufzuteilen? Dann wären auch diese
Korridorprobleme gelöst. Hitler stieg prompt darauf ein.
Selbst
das muß doch auffallen, so Suworow, daß der Nichtangriffspakt in Moskau
unterzeichnet wurde, und nicht einmal durch Hitler selber, sondern
durch dessen Außenminister Ribbentrop, während Stalin sich das Ereignis
selbst nicht entgehen lassen wollte. Heute weiß man, daß Ribbentrop
überrascht davon war, und vor allem davon überrascht war, daß Stalin
überraschend weitere Forderungen auftischte (Baltikum). Erst nach
Rückmeldungen aus Berlin, darauf doch einzugehen um das Abkommen nicht
zu gefährden, unterzeichnete er es. Hitler brauchte es mehr als Stalin,
und der hatte das kühl kalkulierend ausgenützt, während Hitler ein wenig
blind war, nur das kurzfristige Ziel - das Abkommen - sah.
1939
hat Stalin Hitler aber elegant ausgetrickst: Während nämlich noch am
24. August vereinbart war, daß sich beide Länder - Deutschland und die
Sowjetunion - gegenseitig nicht angreifen und Polen aufteilen würden
(und Stalin das Baltikum noch extra kassierte), hatte Stalin behauptet,
daß die Rote Armee zum vereinbarten Termin nicht bereit sei. Das stellte
sich als geschickter Schachzug heraus, denn nun galt Hitler als
Angreifer, dem auch prompt drei Tage später England und Frankreich den
Krieg erklärten, während Stalin erst am 7. September seine Armeen in
Marsch setzte, um Polen von Osten her anzugreifen. Und das ging nun fast
unter. Der böse Mann war fortan ... Hitler. Und diesem überließ er auch
die ganze militärische Drecksarbeit. Bereits am 3. September aber hatte
Hitler den Krieg verloren. Nur wußte er es noch nicht.
Morgen Teil 2)
*110618*