Auf
besonderen Wunsch von Leser R, welcher den Text im Netz fand, bringen wir hier den Wiederabdruck eines
Interviews aus dem Jahre 2000, das der VdZ damals anläßlich der Ersterscheinung
seines Romans "Helena oder: Das Gute ist was bleibt" gegeben hat. Weil der VdZ damals mit dessen in mehreren Zeitungen veröffentlichter Endfassung, auf die er keinen Einfluß hatte, nicht zufrieden war, hat er es nachträglich in "reinerer Form" noch einmal niedergeschrieben, was dann von anderer Stelle im Internet veröffentlicht wurde und seither dort zu lesen steht. Nun also auch hier.
Herr Wagner, warum schreiben Sie?
Die Frage ist ungefähr gleich
sinnvoll wie die an den Tischler, warum er Bänke baut. Sein
Metier ist eben das Tischlern, meines das Wort. Der Unterschied
liegt im behandelten Gegenstand und den Voraussetzungen, die sie
benötigen.
Also vergleichen Sie sich mit
einem Handwerker?
Ja. Insoferne wehre ich mich gegen
eine Romantisierung des Künstlers. Dieses unselige Erbe
schadet den Künstlern ungemein. Denn sie versuchen häufig
ein Bild zu werden und meinen, dann erst schreiben bzw. gut
schreiben zu müssen. Aber sie stehen sich damit im Wege, denn
wie schon Goethe bemerkte, kommt der entscheidende Kick erst dann,
wenn man begreift, daß man schreibt, weil es eines Natur ist,
nicht weil man Kunst produzieren möchte - das ist ein
immanentes Geschehen.
Kunst also als zufälliges
Produkt der Tätigkeit?
In einem gewissen Sinne: Ja. Was
nicht heißt, daß jeder der schreibt Kunst produziert.
Der es aber tut, weiß es nicht wirklich, für ihn gibt es
nur das Kriterium gelungen oder nicht gelungen, seinen Maßstäben
gerecht oder nicht. Künstler zu sein ist immer eine Begabung,
von der der Begabte am allerletzten erfährt. Die Beurteilung,
ob etwas ein Kunstwerk ist oder nicht obliegt dem Kritiker, dem
Betrachter. Der Künstler trägt seine Kriterien in sich,
ist sich gewissermaßen selbst Maßstab, er hat keine
andere Wahl - das ist Krönung wie Crux seiner Zunft. Und so
verstanden ist er unendlich frei, unterliegt streng genommen nicht
einmal der Moral. Wenn er zu dieser Radikalität nicht findet,
bleibt er eine arme Knackwurst.
Somit plädieren Sie für
eine Willkür der Formen in der Kunst?
Keineswegs! Die Formen sind eine der
Wirklichkeit abgerungene Spiegelung, ihre jeweiligen Eigenarten
beziehen sich auf Eigenart und Sinn der Wirklichkeit. Somit wehre
ich mich auch gegen den Ästhetizismus. Hier ist es Zeit, das
Kriterium der Erzählung als Eigentümlichkeit des
Erkennens und damit des Lebens anzusprechen: Jede Kunstform ist
eine Form des Erzählens, weil auch die Wirklichkeit sich
erzählend preisgibt. Schon die Worte sind ja beschreibende
Festhaltungen von den Dingen inhärenten, diese in die Welt
hinaustreibenden Eigenschaften. Darin liegt auch der Anspruch auf
Wahrheit und Schönheit von Kunst begründet. Keinesfalls
darf dabei Schönheit als ästhetisierende Behübschung
verstanden werden, sondern dieser Begriff ist nur vor dem
Hintergrund verstehbar, daß nichts, was es gibt, nichts, das
Sein hat, "schlecht" sein kann! Häßlichkeit
ist stets nur ein Mangel an Vollkommenheit im Selbstvollzug, denn
alles was etwas ist will seiner Art gemäß wirklich
sein.
Morgen Teil 2)
*130618*