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Samstag, 15. Juni 2019

Der Samstag-Nachmittag-Film

Der VdZ kennt kaum jemanden, der "Die Geierwally" dem Namen nach kennt. Aber die meisten haben sie noch nicht gesehen. Sie? Den Film, diese großartige Charakterzeichnung, voller menschlicher Schwäche, Tiefe, Tragik. Hier in der berühmten, volkstümlichen Fassung von 1956, unter der Regie von Franz Cap, mit der beeindruckenden Barbara Rütting in der Titelrolle. Ja, richtig, jene Barbara Rütting, die später durch Dinge wie Koch- und Lebenshilfebücher ihren Ruhm, vor allem aber dessen Charakteristik, die in der Figur der Geierwally zur Darstellung kam, ausschöpfte. Es sei ihr vergönnt, sie hat eigentlich das Richtige gemacht. Denn dem Schauspieler ist die Rolle das Leben und die Wirklichkeit. Was Wunder, wenn er sie als Lebensauftrag sieht?

Eine Frau, die um die Verbindung mit dem Allgemeinen ringt, die sich müht, ihr Vertrauen in die menschliche Gesellschaft zu finden, weil sie an der Einsamkeit zerbricht. Und damit nur enttäuscht wird. Die Menschen sind so banal, so niedrig. Sie haben keinen Sinn für Poesie, für Schönheit, für Wahrheit. Den findet die Geierwally nur noch in der Natur, in der Urwüchsigkeit der Tier- und Bergwelt. Die freilich eine tiefe Sehnsucht hinterläßt. Denn der Mensch ist des Menschen Sendung. Und nur da ließe sich eine "schöne" Welt aufbauen. Wenigstens eine Welt der Schönheit, die in der Zweisamkeit ihre Insel und Oase findet. Aber der erhoffte Spender fällt um, bindet sich an die Niedrigkeit der Gesellschaft, die "durchkommen" will, ohne Schönheit anzustreben. Der Film ist also eine Parabel der Enttäuschung, weil die Menschen die Schönheit verachten, in den Staub treten, und lieber in ihren niedrigen "Zipfelspielen" selbst holen, was sie der Wirklichkeit nicht zutrauen wollen. Denn die würde Größe verlangen, Selbstüberschreitung, Tod des Niedrigen.

Rütting hat diese Verbundenheit des Lebens mit Blut und Boden, diese Verwurzeltheit als Bedingung des Menschseins ganz großartig dargestellt. Ohne einen Moment pathetisch oder gar ideologisch zu werden. Damit hat sie an den Geheimnissen des Lebens gekratzt, in aller Trotzigkeit, in aller Verwundbarkeit, in aller Sehnsucht und Liebe, in aller Widerständigkeit gegen die Kleinbürgerlichkeit als Synonym für Verlust des Menschlichen. Wo vor dem Hintergrund aller Niedertracht der Menschen die poetischen, dem Himmel angelehnten Wirklichkeiten als nur noch schmerzhaft erfahrbar wird.

Wirklich große Schauspieler werden immer eines bestätigen, auch wenn sie lange Jahre allen möglichen Fahnen nachgelaufen sind: Die Größe eines Schauspielers entscheidet sich an dem, was er abgelehnt hat. An dem, wo diese banale Welt nach ihm zu greifen, ihn in kleinbürgerliche Kategorien der Nutzbarkeit einzuordnen versucht hat. Selbst eine Paula Wessely, selbst ein Oscar Werner, selbst eine Christiane Hörbiger haben das erkannt, wenn auch viel zu spät. Als sie sich bereits um diese Angst der Existenz willen verschleudert und tödlich verwundet hatten lassen.







*030419*