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Samstag, 1. Juni 2019

Gnosis im Traditionalismus (1)

Diesen Vortrag von Fr. Chad Ripperger, einem amerikanischen Priester, Psychologen und Exorzisten, kann man nur empfehlen. Auch wenn die Aussagen manchem in die Eingeweide schneiden könnten, so sind sie von sehr allgemeinem Wert, über den expliziten Bezug zum Glaubensleben hinaus. Denn es geht um ein heikles, schmerzhaftes Thema - es geht um die subtile Gnosis dessen, was als "Traditionalismus" bezeichnet wird. Die gravierende Folgen hat. Denn der Traditionalismus ist (vielfach) von einer Sünde des Stolzes begleitet oder ihr sogar entsprungen.

Gnostisch ist es deshalb, weil sich viele Traditionalisten als besonders auserwählte Personen betrachten, die über ein Wissen verfügen, das nur sie haben, oder sie zumindest aus der Masse der Mitmenschen hervorhebt, "besser" macht. Fr. Ripperger führt einige der schwersten Verfehlungen an, die aus dieser Haltung geboren werden.

Dabei ist es vor allem die seelenbezogene Gegenbewegung, um die es bei den gravierendsten Punkten geht, die aus der Haltung des Hochmuts geboren werden und ihr begegnen. Denn Gott läßt für den Stolzen "Gegenmittel" zu (wobei: er läßt zu, nicht daß er es "schicken" würde).

Er läßt deshalb oft zu, daß der Stolze auf besondere Weise in die Sünde der Unkeuschheit fällt. Und so gut sie auch verborgen werden mag, so kennzeichnet sie doch, so Ripperger, weite Teile der traditionellen Katholiken. 

Damit spricht er die Tatsache an, daß erstaunlich oft Traditionalisten auf gravierende Weise von Unkeuschheit geprägt sind, sei es durch Pornographiekonsum, sei es durch sämtliche weitere Sünden gegen das 6. Gebot. Ripperger meint sogar, daß traditionalistische Personenkreise in ihrem persönlichen Leben in dieser Sündenverhangenheit oft um nichts besser, ja sogar übler sind als die Menschen ihrer Umwelt. Sie sind häufig in Pornokonsum gefangen, und ihr Verhalten unterschiedet sich auch sonst in nichts (außer daß es intensiver geheim gehalten oder heuchlerisch geleugnet wird).

Mit weiteren Folgen und daran kann man das dann ablesen: Diese Sünde ist eine "Generationensünde", und wir sehen das an unserer Jugend. Denn das heißt, daß sich über die Sünde der Eltern (die oft besonders und betont traditionelles "Glaubens- und Familienleben" pflegen) diese Sünde auf die Kinder überträgt. Das geschieht nicht einfach direkt, sondern wird implizit in den Haltungen der Eltern weitergegeben. Somit stellt man sogar oft fest, daß Kinder aus traditionellen Elternkreisen schon mit sehr jungen, jugendlichen Jahren besonders heftig in Verhaltensweisen fallen, die gegen das 6. Gebot gerichtet sind.

Ferner wirkt ein Aspekt besonders fatal, und das ist die Tendenz von Traditionalisten, sich von der Welt zu isolieren. Alles, was die Welt macht, ist "böse", schlecht, alles was die Traditionalisten tun ist deshalb ihrer Ansicht nach "gut". Diese schon recht deutlich gnostische Haltung war aber mit Grund nie Teil der katholischen Tradition und richtigen Lebensführung (=Askese)! Zumindest wirkt es sich gegenteilig zu dem aus, was viele Traditionalisten eigentlich zu wollen behaupten: Die Verbreitung des Glaubens, die Durchdringung der Gesellschaft mit dem Heiligen. Denn die (angeblich oder wirklich zu bekehrende) Umwelt reagiert darauf nicht ganz zu Unrecht mit Ablehnung. Wer mag es schon, sich unter Menschen zu begeben, die auf einen hochmütig herabblicken, weil sie sich besser fühlen?

Zurückgezogenheit ist den Klöstern vorbehalten, denn sie soll beitragen, daß sich ein Mensch ausschließlich dem direkten, expliziten Gottesdienst widmet. Das aber ist nicht die Situation, in der sich Familien befinden, die aus sich heraus weltbezogen sein müssen weil dazu berufen sind. Ihre Lebensaufgabe ist ja die Hereinholung der Schöpfung beziehungsweise der Welt in das innertrinitarische Leben. Wie soll das aber gehen, wenn man sich von der Welt absondert? 

Gewiß, die Welt ist gefallen, gewiß, es gibt viel Böses in der Welt. Aber viele Traditionalisten enthalten ihren Kindern legitime Teilhabemöglichkeiten an der Welt vor. Wie wirkt sich das aus? Viele Kinder aus traditionalistischen Familien reagieren so, wie man es bei vielen Kindern der Amish beobachten kann. Die sich, sobald sie die Grenze zur Erwachsenheit berühren, völlig von der Lebensweise und dem Glauben ihrer Eltern abwenden, weil sie deren Weltflucht nicht ertragen, und das nicht zu Unrecht. Als Reaktion wenden sie sich nun zur Gänze von den Traditionen der Eltern ab. 

Weitere Auswirkungen sind, daß man den Menschen vorenthält zu sehen, was es wirklich heißt, in der Tradition zu leben. Nicht als "Vorbild" (dies von sich zu glauben, ist oft nur eine weitere Seite des Hochmuts), sondern weil wir als Teil der Kirche diesen Menschen die Gnade vorenthalten, die nur Heiligkeit für die Kirche erwirken kann. Also ziehen wir die gesamte Kirche nach unten, wenn wir diese stellvertretende Aufgabe durch Isolationismus verweigern und dem ausweichen (weil nicht überwinden wollen), was die anderen Menschen festhält oder hinunterzieht. Es gibt da auch keinen Mittelweg: Man kann nur für die Kirche arbeiten und leben, indem über unsere eigene Heiligkeit Gnade in den gesamten mystischen Körper gelangt, oder wir ziehen die gesamte Kirche nach unten. Denn jeder, der getauft ist, ist Teil des einen mystischen Körpers, der Kirche heißt. 

Aber es gibt noch weitere Probleme, wenn auch alles irgendwie zusammenhängt. Eines davon ist Depression. Denn innerhalb dieser traditionalistischen Kreise wird wieder und wieder und wieder durchgekaut, wie schlimm alles ist, in der Kirche und in der Welt. Das führt zu einer Haltung der Verzweiflung. Nur das Schlechte anzusehen, drückt auch uns nach unten und nichts vermag diese Abwärtsbewegung zu stoppen. 

Eine nächste Falle des Traditionalismus ist, daß über die Kritik oft gewaltiger Ärger entsteht, der vergessen macht, daß wir anderen zu verzeihen haben. Wir sollten dem, was wir als Mangel sehen, aber nicht gestatten, unser eigenes spirituelles Leben zu vergiften. Stattdessen sollten wir doch den Blick auf die "perfekte Kirche" richten, nach der wir uns ja sehnen. Wir sollten nicht zulassen, daß unsere Nächstenliebe tangiert wird.

Und wir sollten auch vermeiden, unser Vertrauen ins Lehramt und seine Vertreter zu schwächen. Vor allem das zerstört unsere Fähigkeit zur wirklichen Frömmigkeit. Wie wollen wir das Heil durch die Kirche erlangen, wenn wir uns permanent gegen die Bischöfe und Priester stellen, die uns - wie auch immer - dieses Heil ja vermitteln müssen? Nur die Gnosis glaubt, daß dieses Heil durch uns selbst zu erlangen wäre. Deshalb sollten wir gut überlegen, wenn wir einen Kleriker kritisieren, ob es für das spirituelle (oder physische) Leben des anderen, dem gegenüber wir diese Kritik äußern, notwendig und gut ist, ob es gerecht ist, oder übertrieben. Das hat oft sogar den Klerus, der sich abgelehnt sieht, gehindert oder gehemmt, uns das zu geben, was wir von ihm (kraft der Sakramentalität des Weiheamts) zu erwarten haben. 

Dazu gehört auch die Kritik am Papst, die dazu führt, daß man zwischen dem Menschen und dem Amt nicht mehr unterscheidet.* Eltern, die ständig respektlos die Autoritäten kritisieren, dürfen sich nicht wundern, wenn ihre Kinder keinen Respekt vor ihnen haben. Die Gnade fließt aber "downhill", sagt Ripperger, sie geht von oben nach unten! Wer möchte, daß die Kinder gehorsam und respektvoll gegen ihre Autoritäten sind (die Eltern), muß sie erleben lassen, daß auch die Eltern den ihnen übergeordneten hierarchischen Stufen gehorsam und respektvoll sind.

Morgen Teil 2) Dieselben Matrizen - 
Traditionalisten als Gleichnis für bestimmte allgemeine Haltungen


*Das betrifft auch das Gegenteil, die vor allem im letzten Jahrhundert zu beobachtende "Sanktifizierung" von allem und jedem, was Päpste sagten und getan haben, also die "Papolatrie". Wir müssen nicht einfach schlucken, wenn ein Papst etwas Falsches, Häretisches sagt, aber es gibt auch andere Mittel - wie die Vermeidung von Berührungspunkten - wenn man wie bei P. Franziskus aus Erfahrung kaum Gutes aus seinen Aussagen zu erwarten meint. Denn sonst wird unser Vertrauen in die Kirche als solche und damit in Gottes Vorsehung geschwächt, was bis zum Glaubensverlust (eben: zugunsten einer gnostischen Umfärbung des Katholischen) gehen könnte.