Das "klauen" wir ihm glatt ;-) Denn Michael Klonovsky spricht hier davon, wie es Deutschen und Österreichern im Ausland oft und oft geht: Dort erleben sie, daß man dort ganz einfach normal sein kann. Dort erleben sie, daß es diese inneren Zensoren nicht gibt.
Stelle man sich zur Gegenprobe einmal vor, was passieren würde, wenn am Wiener Stephansplatz oder am Münchner Marienplatz jemand aufstünde und die Nationalhymne anstimmen würde. Würden die Anwesenden einstimmen, mitsingen, sich an sich selbst erfreuen, wie es hier am Roten Platz in Moskau passiert ist? Denn in diesem Rahmen darf man sich auch solchen "expliziten Nationalismus" durchaus manchmal gönnen. Der zwar keine Existenz inhaltlich trägt, klar, aber doch das Aroma ist, das jeden Menschen durchtränken muß, denn ohne diese strukturelle Durchdrungenheit durch alle Ebenen, vom Kleinsten, Alltäglichsten bis ins Größte, und das ist auch der Staat (worin er nur noch von der Kirche übertroffen wird, aber nur auf eine qualitative, innere Weise, nicht als direkte Gestalt), kann man von Identität gar nicht sprechen.
Der VdZ erlebt es täglich in seiner Wahlheimat Ungarn - es stimmt. Man darf dort alles sagen, alles singen, alles denken. Und es fehlt auch jene Scham, die uns selbst beschämen sollte. Auch die Ungarn singen gerne und zu vielen Gelegenheiten ihre Hymne. Als Ausdruck, nicht als "rechte Provokation". Aber auch in den alltäglichsten Gesprächen hat keiner Bedenken seine Ansichten zu äußern, zu reden, wie ihm der Schnabel gewachsen ist. In aller Blödheit, in aller Klugheit, in aller Weisheit, wie sie so oft der kleine Mann - und auf diese Weise nur er - hat.
Die Hysterie in unseren Ländern, die sich zu einer gewaltigen Massenpsychose ausgewachsen hat, in der sich Bedrückung wie ein schweres Leichentuch über uns gelegt hat, wird nur davon genährt, daß das Sein selbst der Feind ist. Und Sein heißt - Identität haben, "etwas" sein. Mit allem, was daraus folgt, denn was ist (und nur was ist), will bleiben. Und bleiben heißt: Dem Wesensgesetz, das einen in die Existenz trieb, dem Ort also treu zu bleiben, in den man in die Welt kam, und so erst Welt wurde.
Und natürlich hätte es einen seltsamen Beigeschmack, wenn wir in unseren Ländern solche Bilder nicht mit gewissem bitterem Beigeschmack sehen würden. Auch der Vater des VdZ war Soldat im Rußlandfeldzug, und ein Onkel fiel dabei.
Doch auf seine Weise bleibt es in sich schön, und daran dürfen auch wir uns erfreuen, ja daran dürfen wir sogar Maß nehmen, wenn ein Volk sich und seine Geschichte (ohne die die Gegenwart undenkbar ist) noch so zu feiern versteht wie Rußland 2015, als man den Sieg im "Großen Vaterländischen Krieg" (1941-1945) mit einer beeindruckenden Parade, Zeichen des Selbsterhaltungswillens, der Zustimmung zum eigenen Sein, beging. Bewußt sagt der VdZ nicht "feierte", denn was man sehr zustimmend zur Kenntnis nehmen darf ist, daß die Russen solche Gedenken nie ohne einen gewissen tragischen Grundton abhalten, der es nie in bloßes tumbes Siegesgejohle umkippen läßt. Herrlich inszeniert, die Glocken, der Beginn mit dem bekanntesten, beliebtesten, berühmtesten russischen Lied über den Krieg, der bis zu zwanzig Millionen Bürger der Völker der Sowjetunion, also einem Zehntel der Bevölkerung, das Leben gekostet hat.
Aber noch ein Gedanke steigt aus solchen Bildern auf: Kann ein Volk sich aus etwas anderem nähren als aus einem Sieg im Überlebenskampf? Recht sicher kann nämlich jenes Volk nicht bestehen, das nicht in der Lage ist, über eine allfällige Niederlage hinaus (oder historisch etwa: zurück) einen immer noch gegenwärtigen Sieg zu denken und wirksam ins Heute zu rufen, der es für eine eigene Zukunft legitimiert.
Man könnte also durchaus die These in den Raum stellen, daß die Gutmenschen-Krankheit, die unsere Länder befallen hat, und in der wir uns anschicken, der Welt zu enteilen, der Versuch ist, einen Legitimitätsmythos zu schaffen, der fehlt. Versuchen wir doch auch zu verstehen, daß das Böse sich dadurch erkennbar macht, daß es die Legitimität des Begegnenden aufzulösen (und/oder durch neue oder Scheinlegitimität zu ersetzen) versucht.
Aber noch ein Gedanke steigt aus solchen Bildern auf: Kann ein Volk sich aus etwas anderem nähren als aus einem Sieg im Überlebenskampf? Recht sicher kann nämlich jenes Volk nicht bestehen, das nicht in der Lage ist, über eine allfällige Niederlage hinaus (oder historisch etwa: zurück) einen immer noch gegenwärtigen Sieg zu denken und wirksam ins Heute zu rufen, der es für eine eigene Zukunft legitimiert.
Man könnte also durchaus die These in den Raum stellen, daß die Gutmenschen-Krankheit, die unsere Länder befallen hat, und in der wir uns anschicken, der Welt zu enteilen, der Versuch ist, einen Legitimitätsmythos zu schaffen, der fehlt. Versuchen wir doch auch zu verstehen, daß das Böse sich dadurch erkennbar macht, daß es die Legitimität des Begegnenden aufzulösen (und/oder durch neue oder Scheinlegitimität zu ersetzen) versucht.
*190419*