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Dienstag, 4. Juni 2019

Filmempfehlung

Wie schafft man einen Markt für Kokain? Man fixt die Kunden an. Man lädt sie auf ein oder zwei oder drei "Straßen" ein, und binnen kurzer Zeit hat man enorme "Nachfrage". Manchmal genügt schon ein einziger Besuch im Drogentraumland, um einen Dauerkunden zu haben. Ein Drogenbaron meinte einmal, daß fünfzig Dollar reichten, um aus einem Menschen einen Abhängigen zu machen.

Besonders anfällig für diese Fluchtwege in die durch Drogen geschaffene Hochstimmung (die freilich von der Welt abzieht, über die restlichen Folgen wollen wir gar nicht weiter reden) sind Menschen in schwierigen, entwurzelten oder gebrochenen sozialen Lebensverhältnissen und daraus folgender seelischer Schwäche. Also wie in den USA ist Drogengebrauch wie -handel (samt Folgekriminalität) besonders in der schwarzen Bevölkerung weit überdurchschnittlich verbreitet. Wenn auch in den letzten Jahren Latinos, zugleich mit dem Ansteigen ihres Bevölkerungsanteils (bald sind sie die größte ethnische Gruppe der USA), in den Kriminalitätsstatistiken kräftig aufholen. Aus denselben Gründen?

Denn Mitte der 1980er Jahre explodierte in Los Angeles und anderen Großstädten Kaliforniens und bald in den gesamten USA, der Drogenkonsum unter Schwarzen. Samt allen Folgen, zu denen vor allem die Beschaffungskriminalität gehört. Alle möglichen Ursachen wurden dafür genannt. Aber keine war wirklich zutreffend. Was da passiert ist, hat in den 1990er Jahren ein Journalist einer kleinen Provinzzeitung herausgefunden. Seine Geschichte erschütterte die amerikanische Öffentlichkeit, und was er recherchierte, erhellt viel von den Vorgängen in der Welt. Das Schema gilt heute als typisch, und man sollte es nicht vergessen, wenn man über Themen wie Afghanistan (dem weltweit größten Opiumproduzenten), Irak oder Vietnam (man denke an die Heroinwelle in den späten 1960ern, auch hier hat man zwei Fliegen mit einer Klappe erschlagen: Man hat die 68er-Bewegung ausgehoben weil auf Drogen umgelenkt) spricht. Wie lange und wie umfangreich diese Vorgangsweise bereits gepflegt wurde und bis heute wird, kann man nur vermuten.

Der Journalist und Familienvater Gary Webb (im Film gespielt von Jeremy Renner) fand durch Zufall heraus, daß bald nach dem Amtsantritt von Präsident Reagan 1980 der CIA mit vollem Wissen der Regierung begann, vor der Haustüre der USA mit jedem Anti-Amerikanismus aufzuräumen. Erstes Ziel war Nicaragua, das nach einer Revolution von Sozialisten regiert wurde. Man flog in riesigen Mengen Kokain in die Staaten und verkaufte es über ein aufgebautes Drogennetz unter Einbeziehung von Drogenbaronen auf den Straßen kalifornischer Großstädte. Mit den daraus lukrierten Milliarden wurde dann in Nicaragua eine Contra aufgebaut und mit Waffen und Ausbildung versorgt. Sie sollte die (sozialistische) Regierung stürzen. Die offiziellen Stellen der Regierung rechtfertigten dies mit dem Erfolg: Der Zweck heilige die Mittel

Die Mittel? Zehntausende, hunderttausende Schwarze in amerikanischen Großstädten wurden drohgenabhängig gemacht. Eine kriminelle Szene wurde etabliert, um mit den daraus gepreßten Geldern amerikanische Außenpolitik zu finanzieren. Gleichzeitig erschlug man auch hier mit derselben Klappe eine zweite Fliege: Spätestens seit Margaret Sanger (Gründerin von "Planned Parenthood" dreißig Jahre zuvor) in den 1950er Jahren ist die Dezimierung ganzer Bevölkerungsgruppen mit hoher Fertilität durch Verhütung, Abtreibung, familiäre Zerrüttung und Drogenkonsum (dessen Folgekriminalität die Gefängnisse füllt) ein Mittel des "social engineering".

Damit sollte klandestin die protestantisch-jüdische Macht abgesichert werden. Bevölkerungsgruppen, die seit dem späten 19. Jahrhundert mehr und mehr unter Druck gerieten und schon aus demographischen Gründen absehbar ins Hintertreffen geraten würden. Die erste Bevölkerungsgruppe der USA, deren Fertilitätsrate schon Ende des 19. Jahrhunderts unter die ominösen zwei fiel, war die der Protestanten an der Ostküste, gleichzeitig das Finanzzentrum der USA. Diese Angst wurde vor allem nach 1945 immer manifester, und spätestens mit Kennedy (einem Katholiken) real. Also mußten die Mehrheiten innerlich geschwächt, zersetzt, die ethnisch-religiös sehr geschlossenen Gemeinschaften entwurzelt und aufgelöst werden. Hauptzielgruppen waren deshalb die Schwarzen - und die Katholiken. Nur so konnte sich der amerikanistische Liberalismus dieses ersten säkularen Staates der Welt, in dem der Staat die Oberhand über Moral und Religion behalten sollte, also keine Konkurrenten, keine Korrekturen als ihn selbst zuließ, behaupten.

Dies alles geschah (und geschieht) seit den 1940er Jahren mit voller Mitwirkung der Geheimdienste, die weitgehend in CIA und NSA zusammengefaßt wurden. Jemand meinte einmal, daß wenn der CIA dasselbe in den Vierteln von Beverly Hills gemacht hätte, wie ab der Mitte der 1980er mit den Schwarzen und der "Drogenwaffe" geschah, die Nationalgarde ausgerückt wäre, um die Drogendealer von den Straßen zu fegen.

Webb verfaßte nach umfangreicher Recherche den ersten Artikel, der diese direkten Verstrickungen des CIA in den Drogenhandel der Zeit aufzeigte, und seine Zeitung, der kalifornische San Jose Mercury, veröffentlichte ihn. Was dann über ihn hereinbrach, war freilich ein Orkan. Der CIA demonstrierte, was er mit Menschen machen kann, die ihm in die Suppe spucken. Immer tiefer wurde Webb in den Strudel aus Information, die ihm auch aus weiteren Quellen zufloß, und Repressionsversuchen hineingezogen. Zeugen widerriefen plötzlich, Verleumdungen tauchten auf, sein Ruf und schließlich sein gesamtes Leben wurden ruiniert.

Dennoch wurde er 1995 von einer anerkannten Journalistenvereinigung zum Journalist of the Year gewählt. Was er herausgefunden hat, gilt heute als sicheres Wissen und wurde auch offiziell bereits eingestanden. Ein Kongreßausschuß, der schließlich die Sache untersuchte, kam 1998 zum Ergebnis, daß Webbs Recherchen der Realität entsprechen. Zufällig aber durchrauschte zum selben Zeitpunkt der "supergeile" Clinton-Lewinsky-Skandal die Medien. Das Ermittlungsergebnis im Fall Nicaragua-CIA-Drogen wurde von den Medien fast ignoriert. 2004 fand man Webb freilich tot in seiner Wohnung auf. Obwohl er zwei Schüsse im Kopf aufwies, lautete die offizielle Version "Selbstmord".

Der Film "Kill the Messenger" (2014) hat diese Geschichte zur Grundlage. Er ist trotz seiner der sehr dokumentarischen Intention geschuldeten dramaturgischen Linearität halbwegs spannend, zeigt gute Schauspieler, und vermittelt ein zuverlässiges Bild dieser Zusammenhänge. Damit erinnert er, daß was man meint oft nur vermuten zu können keineswegs eine Verschwörungstheorie, sondern nackte Realität ist. Deshalb ist ihn anzuschauen auch ein Stück psychischer Hygiene.







*080319*