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Dienstag, 25. Juni 2019

Wir leben in einem gigantischen Pyramidenspiel

Was ist ein Pyramidenspiel? Es ist ein System, in dem die Last, aus der Gegenwart Gewinn zu erarbeiten, auf eine zukünftige Entwicklung oder auf pures Hoffen und Wünschen verlagert wird. Man nimmt heute, was man hofft morgen zu haben. 

Diese Haltung hat sich schon lange zur Haltung der Staaten, aber auch der Volkswirtschaften und Unternehmen gemausert. Mit der logischen Folge, daß der Zahltag - der Tag, an dem die erhofften Werte auch geliefert werden müssen - in immer weitere Zukunft verschoben wird. Längst geben etwa Staaten Anleihen mit hundertjähriger Laufzeit heraus, um die Löcher in den gegenwärtigen Kassen zu stopfen. Und global agierende Unternehmen grasen Land um Land, Volk um Volk, Staat um Staat ab, um lokale Bedingungen zu nützen, die in anderen Märkten Vorteile bringen, weil mit den dortigen Bedingungen Gewinne nicht mehr erwirtschaftbar wären.

Alles das sind Pyramidenspiele, benennt es auch ein Nobelpreisträger, der Amerikaner Steven Chu. Der darauf hinweist, daß es dringend alternative Modelle bräuchte, die uns ermöglichen, daraus auszusteigen. Denn irgendwann, irgendwann platzen alle diese Systeme. Und je weiter wir ihren Zahltag hinausschieben umso gewaltiger wird der Zusammenbruch. 

Fatal ist vor allem, daß diese Pyramidensysteme, die unser heutiges Wirtschaftsgeschehen bereits dominieren, einen immer höheren Druck und Zwang bewirken, auf die bisherige Weise weiterzumachen, und so die Möglichkeiten schöpferischen Handelns immer weiter einschränken. Sie bewirken darin einen ständig steigenden Zeitdruck, und senken so nicht nur die Lebensqualität, sondern machen das genuin Menschliche zu einem störenden Faktor. Was am Menschen immer ausschließlicher zählt, ist ein spezifischer Nutzen an ihm. Er wird somit immer mehr zum bloßen Mittel. 

Das ist der eigentliche Grund für die Globalisierung der Volkswirtschaften zur "Weltwirtschaft". Und das steckt auch hinter Bestrebungen, "nationale Zusammenschlüsse" immer umfassender zu machen. Es ist der Grund, warum Frankreich einen stärkeren (vor allem monetären) Zusammenschluß der EU fordert, und das ist der Grund, warum Merkel darauf sogar eingeht. 

Wie lange das noch gehen kann, ist nicht abzuschätzen. So ein System lebt nämlich davon, daß es immer weitere Territorien und Felder eingliedert, die "Hoffnung" begründen. Denn ab dem Augenblick, wo keine "Zukunftsphantasie" mehr (glaubhaft) möglich ist, steht der Kassier vor der Tür und verlangt Abrechnung. Dann ist Schluß. 

Interessant in dem Zusammenhang ist, daß sich hier die Katze in den Schwanz beißt. Denn das wichtigste, ja einzige neue Territorium - Menschen, Bevölkerungen - geht auf den Punkt einer Trendwende zu. Anders als behauptet, ist längst absehbar, daß wir in etwa deißig Jahren dem dann neuen Phänomen einer in absoluten Zahlen abnehmenden Weltbevölkerung gegenüberstehen. Der kranke Ruf, die Weltbevölkerung durch Verhütung und Abtreibung, zusammenfaßbar unter "Sterilisierung" der Menschen (wozu auch ein Lebensstil gehört, der uns zwar nicht zu Homosexuellen macht, aber uns wie solche zu leben machen soll; das ist der eigentliche Sinn der "sexuellen Befreiung") zu reduzieren beziehungsweise das Bevölkerungswachstum zu stoppen. Nur Menschen können aber den mit absoluter Sicherheit kommenden Zahltag auch bedienen.

Noch stehen für einige Jahrzehnte Möglichkeiten offen, die absurde Hoffnung, die einem Pyramidenspiel innewohnt, durch Steigerung der "inneren Qualität" aufrecht zu halten. Noch können viele Frauen in die Erwerbsarbeit gedrückt, noch können viele Menschen in noch geringer entlohnte Arbeit gezwungen werden. Noch gibt es die nicht weniger absurde Hoffnung auf Ressourcen im Weltall, die die Kosten für Rohstoffe (die zwar nicht ausgehen, aber immer teurer werden, das kann man jetzt schon sagen) drücken könnten. Dennoch ist ein Ende auch hier absehbar. Aber nicht ein Ende im Sinne eines "alles geht aus", sondern das Ende, das der Zahltag bedeutet, der Tag der Abrechnung. Wenn die Lasten der Gegenwart nicht mehr auf die Zukunft verschoben werden können.*

Deshalb sollten wir uns schleunigst Gedanken machen, so Chu, wie wir die Versprechungen der Gegenwart - ständige Steigerung des Lebensstandards - die global den Menschen als Karotte vor die Nase gehalten wird, durch andere Wirtschaftsmodelle erfüllbar wären. Denn das ist der schwächste Punkt in diesem Pyramidenspiel: Was, wenn die Menschen nicht mehr bereit sind, diesen Versprechungen zu vertrauen? Und was passiert vor allem wenn eintritt, was höherer Lebensstandard erfahrungsgemäß bewirkt: Daß die Fertilität der Menschen unter die Selbsterhaltungsrate zurückgeht? Spätestens dann wird nämlich nichts von dem mehr finanzierbar, auf dem dieser Lebensstandard beruht. Dieses derzeitige System unterminiert sich nämlich somit selbst. Und nimmt durch das, was es zur Erfüllung bringen soll, indem es mit dem Morgen zahlt, was das Heute braucht, auch genau das, was diese Erfüllung einzig garantieren kann.



*Während auch hier ständig die Panik geschürt wird, daß die Menschheit weltweit gesehen explodiert weil unkontrolliert wächst, wird nicht mehr wahrgenommen, daß die größten Völker der Welt, der mittlerweile weit überwiegende Teil der Menschheit bereits in Zuständen lebt, wo die Fertilität pro Frau deutlich unter 1,5 Kindern liegt. Der Umstand, daß die absolute Zahl der Weltbevölkerung nach wie vor steigt, ist bereits ausschließlich einer Erhöhung der Lebensdauer zuzuschreiben. Wer soll aber, nur als Beispiel, in der sich mit völliger Sicherheit vorhersagbaren Verschiebung der Alterspyramiden der Völker die Pensionen dieser Menschen einmal erarbeiten?