Dieses Blog durchsuchen

Freitag, 14. Juni 2019

Ein Heer der Begriffslosigkeit

Was passiert, wenn ein "Flüchtling" um Asyl ansucht, aber dieses Ansuchen abgelehnt wird? Oder wenn er straffällig geworden ist, und somit sowieso jedes Asylrecht verwirkt hat? Er muß zurück (was eh' selten genug passiert). Was passiert aber, wenn er offiziell nicht zurück kann, worin ja noch die Behörde involviert ist? Weil ihn das Herkunftsland nicht annimmt, oder er unmenschliche Behandlung zu erwarten hat.

Er kommt in ein Abschiebelager, wo er eine Grundversorgung (Essen, Kleidung, Unterkunft) gedeckt bekommt. Wie lange? Das weiß keiner. Sie sind in eine seltsame rechtliche Grauzone gefallen, und niemand weiß, was man mit ihnen anfangen soll. Eine Existenz aufbauen können sie sich nicht, in diesen Unterkünften herrscht Anwesenheitspflicht, und eine Arbeit dürfen sie auch nicht aufnehmen, wobei eine zu finden den derzeitigen Asylbewerbermassen ohnehin kaum gelingt.

Solche Abschiebezentren, aus denen nicht abgeschoben werden kann, gibt es europaweit immer mehr. In Österreich existieren zwei, eines in Schwechat bei Wien, eines in Trixlegg in Tirol. Die aus dem Osten Österreichs kommen nach dem westlichen Tirol, die aus dem Westen ins östliche Niederösterreich. Denn sie sollen möglichst weit aus ihren bisherigen sozialen Umfeldern entfernt werden, deutlichstes Signal, daß sie hier keine Wurzeln schlagen können und dürfen. Dänemark hat Aufsehen erregt, weil es solche Zentren sogar auf Inseln angelegt hat.

Überall ist das Problem offensichtlich neu, zumal diese Personen ja schon im Land sind, und rechtlich das nirgendwo geregelt ist. Was nicht zuletzt mit überall in Europa fehlenden Einwanderungskonzepten zu tun hat. Man hat die Grenzen in der EU abgeschafft, aber nie ernsthaft über die Folgen nachgedacht, sondern in typisch liberalem Stil gehofft, daß sich das alles schon irgendwie einpendeln wird. Das zeigt vor allem, daß nirgendwo eine klare Begrifflichkeit von Volk und Staat noch besteht, aus der abgeleitet werden könnte, wie das aussehen soll, und was man will.

Viele von diesen Personen verschwinden mit der Zeit einfach. Sie verlassen diese Zentren, und machen sich auf den Weg. Wohin? Das weiß keiner. Alle hoffen nur, daß sie es in jeweils anderen Ländern versuchen. Derzeit sind das in Österreich 1.800 pro Jahr, allein 2018 betraf es in Deutschland über 30.000 Personen. Das ist immerhin die Hälfte der Personen, die laut Asylbescheid das Land zu verlassen hätten und abgeschoben werden sollten, wenn sie nicht freiwillig gehen, aber aus allen möglichen Gründen nun doch da geblieben sind. 

Derzeit schätzt man, daß sich in der EU rund eine Million Menschen mit diesem Status aufhalten. Die kein Asyl bekommen, Europa aber nicht verlassen. Darüber, was das vor allem in der Zukunft (es werden ja von Jahr zu Jahr mehr) für unsere sozialen Gefüge bedeutet, kann man nur spekulieren. Denn von irgend etwas müssen sie leben, und auflösen können sie sich auch nicht. Da beschleicht einen schon ein seltsames Gefühl. Hier entstehen Millionenheere von Unter-, ja Elendsschichten. Werden wir bald in unseren Wäldern wilde Siedlungen und Sonderräume von Nicht-Bürgern haben?

Hier ein Bericht von Addendum über dieses ungelöste, derzeit sogar unlösbare Problem, das alle Staaten der EU unter den Teppich kehren, weil sie nicht wissen, wie sie damit umgehen sollen.