Seit
Jahrhunderten wird versucht, ein theoretisches Modell aufzustellen, das
"die Wirtschaft" erfaßt, beschreibt und weil zum Mechanismus erklärt,
steuerbar macht. Spätestens seit Friedrich dem Staufer, spätestens seit
der von ihm bereits repräsentierten Renaissance begann der Glaube, daß
Wirtschaft ein Mechanismus sei, der lenkbar und beherrschbar ist. Aber
alle Theorien sind immer wieder gescheitert, und kein Modell war je und
ist in der Lage, "Wirtschaft" zu umfassen. In Einzeldingen - gewiß.
Wie
in der Technik (und die direkten Zusammenhänge mit der Rolle der
Technik in unserer Kultur beziehungsweise in jeder Kultur sind evident - man sehe
das eine an, und kennt das andere) kann man bestimmte Teilbereiche
soweit beherrschen, als man ihre Anschlüsse an das Insgesamt
unterbindet, lähmt, und somit "Wirtschaft" zu einem Laborgeschehen
macht. Das geht eine gewisse Zeit gut, aber irgendwann meldet sich das
Umfassende zurück, das immer auch nach den isolierten Teilabläufen
greift und deshalb immer heftigere Versuche braucht, zurückgedrängt zu
werden: Die Technik hat, wenn sie als Allgemeinzugang zur Welt
verstanden wird, einen unausbleiblichen Ruf nach Gewalt, sonst versagt
sie irgendwann.
Gemeinwohl
ist nicht konkret definierbar, das ist das Problem. Wirtschaft, Denken
über Wirtschaft ist aber ohne diesen Begriff nicht möglich. Sie ist auch
kein isoliert zu betrachtendes Geschehen, von dem man sagen kann, es
sei dem umfassenden Lebensvollzug des Menschen fern vorstellbar. Das ist
es nicht.
Aber
alle diese Versuche gehen fehl. Sie sind Versuche, ein Geschehen, das
in seinem Wesen komplex und vor allem vielfältig ist, durch simple
Glattstreichung zu erfassen. Jede Wirtschaftstheorie ist deshalb auf die
eine oder andere Weise eine Ideologie, ja letztlich damit (denn das ist
jede Ideologie) ein magisches Weltbild. Seine Letztbegründung,
sein Umfassendes wird ins Irrationale abgedrängt. Manche dieser Theorien
sind besonders mächtig geworden, keine Frage. Kommunismus, liberaler
Kapitalismus etwa. Aber sie versagen kläglich, und daß der Kapitalismus
versagt ist uns nur noch nicht bewußt. Weil er sogar die Macht hat,
unsere Anschauungen zu beeinflussen, damit unser Erkennen zu hemmen
(wenn auch nicht ganz zu verhindern).
Es
gibt deshalb nur eine Theorie, eine Herangehensweise, die Wirtschaft
als Ganzes betrifft, ohne je davon absehen zu können, daß Einzelvorgänge
gewisse Regulierung benötigen: Und das ist die Moraltheologie.
Theologie? Wirtschaft? Geht das? Eben, nur so geht es. Denn alles
Wirtschaften als Ausfluß menschlicher Arbeit und Verwirklichung in die
Welt hinein (und damit zur Welt werdend) setzt im Persönlichen an.
Deshalb gibt es auch keine "Wirtschaftstheorie", weil es außer dem sittlichen Verhalten des Menschen keinen Anhaltepunkt gibt, der dieses
Gesamtgeschehen Wirtschaft als umfassender Begriff für "alle" wie einen
technischen Vorgang ausreichend beschreiben könnte. Das ist ein
Grundsatz, kein "irgendwann wird es schon".
Am
besten und umfassendsten ist "Wirtschaft" (wie alles andere, was mit
Leben und Welt zu tun hat) noch dort theoretisch darstellbar, rational
zu durchschauen, wo solche Teilabläufe fehl gehen. Und das kann man von
Teilabläufen in der Wirtschaft sehr wohl sagen.
Und
damit sind wir auch bei diesem Film über Silvio Gesell und seinem
Freigeld angelangt, das der Kopp-Verlag produziert hat. Es zeigt seinen
Fehler, seine ideologische Auswahl bereits in den ersten Sätzen: Wo es
um die Entstehung des Geldes geht. Denn es ist falsch zu behaupten, daß
alles Geld aus dem Kredit entstanden sei.
Auch
dieser Vorgang - "Wie das Geld in die Welt kam" - ist komplex und
vielfältig, aber er zeigt direkt die Zusammenhänge mit Theologie. Denn
Geld (als Preziose, Gold, Silber, Edelsteine, Weihrauch, Kaurimuscheln
...) ist aus dem Kult entstanden. Und dieser Kult war ursprünglich (und
weit bis in unsere Zeit hinein, viel weiter, als die meisten wahrhaben
wollen ist er sogar heute präsent) eine Verbindung von weltlicher und
geistiger Fundierung einer Gesellschaft. Ohne sie wurde keine Stadt
gegründet, kein Haus gebaut, kein Leben geführt.
Daraus
erwuchs der direkte Zusammenhang mit Wert und Wertvollem, und alles
Wertvolle gründet in der Verehrung der Prinzipien - Gott, Fürst, Kult
(als ausgelagerte Königspflicht, sozusagen, deshalb früher immer dem
König untergeordnet, auch bei uns). Die direkte Überführung des
Wertvollen (das seine Werthaftigkeit in der Gottähnlichkeit zeigt, also
im Spiel, im Kult) in das, was dann zum "Geld" wurde, geht über die
"Schönheit".
Deshalb
(das zeigt der Film erstaunlicherweise richtig, meist ist das völlig
ungekannt) die Anfänge des Bankwesens bei den Goldschmieden, bei den
"unnötigen Gewerben" sozusagen, das war vielfach so. Und die haben
verarbeitet, was den Menschen wert schien, in die Nähe des Absoluten zu
kommen. Gold, Silber, Weihrauch, seltene Muscheln, Seide ... und was den
Menschen, die Gott immer schon ähnlich sein wollten, als überhaupt den
ersten Impuls des Menschseins, Gott und der Schönheit ähnlicher machte -
im Schmuck. Schönheit - Schmuck - Macht sind nahezu Synonyme. Alles das
ist aus der Geschichte bekannt.
Somit
ging das Geld als allgemein anerkannter Wertgegenstand (mit einem
Handels- weil Tauschwert) vom Kult aus. Dem Königskult, dem
Priesterkult. Von dort, aus der Bezahlung der "nicht nützlichen, aber
notwendigen und sinnhaften (ja allem Sinn verleihenden, also allem
zugrunde Liegenden) Dienste", die ja von Laien vorbereitet und
zugeliefert werden mußten, kam Geld in Umlauf. Nicht zufällig kann der
Film genau diesen Vorgang nicht erklären, und übergeht ihn sträflich.
Denn dann würde vieles Spätere klarer.
Das
dann wie oben erklärt in eine der heute sehr verbreiteten Theorien
übergeht, die glatte Ideologie sind. Weil sie das Insgesamt - das
Gemeinwohl - zugunsten von Einzelvorgängen ausschließen, lähmen,
Teilvorgänge isolieren. Darin ist manches Richtige gesagt, das wohl.
Auch Interessantes, durchaus Erhellendes. Aber letztlich versagt der
Film kläglich. Nicht zufällig wird die Rolle von Religion und Politik
lange Zeit entweder völlig ignoriert, oder sie wird wie bei der "Rolle
der Regierung" so erklärt, als wäre diese das "arme Hascherl der
Geldverleiher". Was in dieser Form ganz sicher nicht stimmt. Der wie
alle übrigen Theorien versucht, Wirtschaft und Geld so darzustellen, als
sei es ein Mechanismus, den man vor sich hinstellen, betrachten und
organisieren könne.
Ja,
gewiß, Zinsen sind moralisches Unrecht. Warum? Weil sie die Notlage
eines anderen ausnützen. Weil sie Geldleihe von Risiko trennen und zwei
unterschiedliche, unvereinbare Prinzipien (Mathematik des Zinses hier,
das Unwägbare des menschlichen Schicksals dort) verknüpfen. Außerdem
nützt der Kredit meist auf moralisch unzulässige Weise die Schwächen der
Menschen. Fast alle Kredite dienen der Glattstellung oder gar
Ermöglichung von Schäden aus unsittlichem Verhalten. Ja, es gibt
Einzelkräfte, die versuchen in allem Wirtschaftsgeschehen ihr Süppchen
auf Kosten aller übrigen zu kochen. Und noch einiges sonst stimmt
durchaus, was da gesagt wird. Doch eben immer nur begrenzt auf
Teilaussagen.
Morgen Teil 2)
*070319*