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Montag, 3. Juni 2019

Vom Fehler, alles für einen Mechanismus zu halten (1)

Seit Jahrhunderten wird versucht, ein theoretisches Modell aufzustellen, das "die Wirtschaft" erfaßt, beschreibt und weil zum Mechanismus erklärt, steuerbar macht. Spätestens seit Friedrich dem Staufer, spätestens seit der von ihm bereits repräsentierten Renaissance begann der Glaube, daß Wirtschaft ein Mechanismus sei, der lenkbar und beherrschbar ist. Aber alle Theorien sind immer wieder gescheitert, und kein Modell war je und ist in der Lage, "Wirtschaft" zu umfassen. In Einzeldingen - gewiß. 

Wie in der Technik (und die direkten Zusammenhänge mit der Rolle der Technik in unserer Kultur beziehungsweise in jeder Kultur sind evident - man sehe das eine an, und kennt das andere) kann man bestimmte Teilbereiche soweit beherrschen, als man ihre Anschlüsse an das Insgesamt unterbindet, lähmt, und somit "Wirtschaft" zu einem Laborgeschehen macht. Das geht eine gewisse Zeit gut, aber irgendwann meldet sich das Umfassende zurück, das immer auch nach den isolierten Teilabläufen greift und deshalb immer heftigere Versuche braucht, zurückgedrängt zu werden: Die Technik hat, wenn sie als Allgemeinzugang zur Welt verstanden wird, einen unausbleiblichen Ruf nach Gewalt, sonst versagt sie irgendwann.

Gemeinwohl ist nicht konkret definierbar, das ist das Problem. Wirtschaft, Denken über Wirtschaft ist aber ohne diesen Begriff nicht möglich. Sie ist auch kein isoliert zu betrachtendes Geschehen, von dem man sagen kann, es sei dem umfassenden Lebensvollzug des Menschen fern vorstellbar. Das ist es nicht.

Aber alle diese Versuche gehen fehl. Sie sind Versuche, ein Geschehen, das in seinem Wesen komplex und vor allem vielfältig ist, durch simple Glattstreichung zu erfassen. Jede Wirtschaftstheorie ist deshalb auf die eine oder andere Weise eine Ideologie, ja letztlich damit (denn das ist jede Ideologie) ein magisches Weltbild. Seine Letztbegründung, sein Umfassendes wird ins Irrationale abgedrängt. Manche dieser Theorien sind besonders mächtig geworden, keine Frage. Kommunismus, liberaler Kapitalismus etwa. Aber sie versagen kläglich, und daß der Kapitalismus versagt ist uns nur noch nicht bewußt. Weil er sogar die Macht hat, unsere Anschauungen zu beeinflussen, damit unser Erkennen zu hemmen (wenn auch nicht ganz zu verhindern).

Es gibt deshalb nur eine Theorie, eine Herangehensweise, die Wirtschaft als Ganzes betrifft, ohne je davon absehen zu können, daß Einzelvorgänge gewisse Regulierung benötigen: Und das ist die Moraltheologie. Theologie? Wirtschaft? Geht das? Eben, nur so geht es. Denn alles Wirtschaften als Ausfluß menschlicher Arbeit und Verwirklichung in die Welt hinein (und damit zur Welt werdend) setzt im Persönlichen an. Deshalb gibt es auch keine "Wirtschaftstheorie", weil es außer dem sittlichen Verhalten des Menschen keinen Anhaltepunkt gibt, der dieses Gesamtgeschehen Wirtschaft als umfassender Begriff für "alle" wie einen technischen Vorgang ausreichend beschreiben könnte. Das ist ein Grundsatz, kein "irgendwann wird es schon". 

Am besten und umfassendsten ist "Wirtschaft" (wie alles andere, was mit Leben und Welt zu tun hat) noch dort theoretisch darstellbar, rational zu durchschauen, wo solche Teilabläufe fehl gehen. Und das kann man von Teilabläufen in der Wirtschaft sehr wohl sagen.

Und damit sind wir auch bei diesem Film über Silvio Gesell und seinem Freigeld angelangt, das der Kopp-Verlag produziert hat. Es zeigt seinen Fehler, seine ideologische Auswahl bereits in den ersten Sätzen: Wo es um die Entstehung des Geldes geht. Denn es ist falsch zu behaupten, daß alles Geld aus dem Kredit entstanden sei. 

Auch dieser Vorgang - "Wie das Geld in die Welt kam" - ist komplex und vielfältig, aber er zeigt direkt die Zusammenhänge mit Theologie. Denn Geld (als Preziose, Gold, Silber, Edelsteine, Weihrauch, Kaurimuscheln ...) ist aus dem Kult entstanden. Und dieser Kult war ursprünglich (und weit bis in unsere Zeit hinein, viel weiter, als die meisten wahrhaben wollen ist er sogar heute präsent) eine Verbindung von weltlicher und geistiger Fundierung einer Gesellschaft. Ohne sie wurde keine Stadt gegründet, kein Haus gebaut, kein Leben geführt. 

Daraus erwuchs der direkte Zusammenhang mit Wert und Wertvollem, und alles Wertvolle gründet in der Verehrung der Prinzipien - Gott, Fürst, Kult (als ausgelagerte Königspflicht, sozusagen, deshalb früher immer dem König untergeordnet, auch bei uns). Die direkte Überführung des Wertvollen (das seine Werthaftigkeit in der Gottähnlichkeit zeigt, also im Spiel, im Kult) in das, was dann zum "Geld" wurde, geht über die "Schönheit". 

Deshalb (das zeigt der Film erstaunlicherweise richtig, meist ist das völlig ungekannt) die Anfänge des Bankwesens bei den Goldschmieden, bei den "unnötigen Gewerben" sozusagen, das war vielfach so. Und die haben verarbeitet, was den Menschen wert schien, in die Nähe des Absoluten zu kommen. Gold, Silber, Weihrauch, seltene Muscheln, Seide ... und was den Menschen, die Gott immer schon ähnlich sein wollten, als überhaupt den ersten Impuls des Menschseins, Gott und der Schönheit ähnlicher machte - im Schmuck. Schönheit - Schmuck - Macht sind nahezu Synonyme. Alles das ist aus der Geschichte bekannt.

Somit ging das Geld als allgemein anerkannter Wertgegenstand (mit einem Handels- weil Tauschwert) vom Kult aus. Dem Königskult, dem Priesterkult. Von dort, aus der Bezahlung der "nicht nützlichen, aber notwendigen und sinnhaften (ja allem Sinn verleihenden, also allem zugrunde Liegenden) Dienste", die ja von Laien vorbereitet und zugeliefert werden mußten, kam Geld in Umlauf. Nicht zufällig kann der Film genau diesen Vorgang nicht erklären, und übergeht ihn sträflich. Denn dann würde vieles Spätere klarer.

Das dann wie oben erklärt in eine der heute sehr verbreiteten Theorien übergeht, die glatte Ideologie sind. Weil sie das Insgesamt - das Gemeinwohl - zugunsten von Einzelvorgängen ausschließen, lähmen, Teilvorgänge isolieren. Darin ist manches Richtige gesagt, das wohl. Auch Interessantes, durchaus Erhellendes. Aber letztlich versagt der Film kläglich. Nicht zufällig wird die Rolle von Religion und Politik lange Zeit entweder völlig ignoriert, oder sie wird wie bei der "Rolle der Regierung" so erklärt, als wäre diese das "arme Hascherl der Geldverleiher". Was in dieser Form ganz sicher nicht stimmt. Der wie alle übrigen Theorien versucht, Wirtschaft und Geld so darzustellen, als sei es ein Mechanismus, den man vor sich hinstellen, betrachten und organisieren könne. 

Ja, gewiß, Zinsen sind moralisches Unrecht. Warum? Weil sie die Notlage eines anderen ausnützen. Weil sie Geldleihe von Risiko trennen und zwei unterschiedliche, unvereinbare Prinzipien (Mathematik des Zinses hier, das Unwägbare des menschlichen Schicksals dort) verknüpfen. Außerdem nützt der Kredit meist auf moralisch unzulässige Weise die Schwächen der Menschen. Fast alle Kredite dienen der Glattstellung oder gar Ermöglichung von Schäden aus unsittlichem Verhalten.  Ja, es gibt Einzelkräfte, die versuchen in allem Wirtschaftsgeschehen ihr Süppchen auf Kosten aller übrigen zu kochen. Und noch einiges sonst stimmt durchaus, was da gesagt wird. Doch eben immer nur begrenzt auf Teilaussagen.

Morgen Teil 2)





*070319*