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Freitag, 31. Mai 2019

Das absolute Eigentum schützt nur das Unrecht (1)

Zwar kann man jede Sympathie dafür haben, die Regierenden scharf zu kritisieren, aber man darf dabei nie vergessen, doch genauer zu denken als in pauschalen Hinhackbewegungen alles in Grund und Boden zu stampfen, was an Vorschlägen und Gedanken kommt. Denn sonst werden wir für Dinge nützliche Idioten, die genau das bewirken, was wir eigentlich kritisieren, weil es uns das Leben zur Hölle macht. Sehr geschickt darin, solche berechtigten Gefühle in falsche Richtungen zu lenken, sind die Liberalen, der sprach- und denkverwirrende Kuschelarm des Kapitalismus.

Da findet sich etwa auf Tichys Einblick ein empörter Artikel, wie Politiker allen Ernstes überlegen können, Immobilien zu enteignen, weil es an Wohnraum fehlt. Und das nur, weil die Wohnraumpolitik kläglich versagt habe. Nun, Herrschaften, hier geht es um etwas sehr Prinzipielles. Und zwar um etwas, das wir längst als Normalität geschluckt haben, das aber in sich falsch ist. Es geht um die Frage nach dem Wesen des "Eigentums". 

Ja, es ist richtig, ein Staat muß Eigentum schützen. Aber Eigentum als ungestörte Nutznießung an einem Gut ist nicht absolut, und es ist auch nicht unbeschränkt möglich. Denn mit jedem Eigentum gehen auch soziale Verbindlichkeiten einher. Eine Gesellschaft hat sehr wohl das Recht, und die Politik die Pflicht, einen groben Verstoß gegen diese Pflichten zu korrigieren. Deshalb ist Eigentum niemals "absolut", wie es die Liberalen gerne hätten.

Wie entstand dieser Begriff des absoluten Eigentums? Wir machen es kurz, denn detailliertere Aussagen dazu finden sich auf diesen Seiten häufig genug: Er entstammt der Neuzeit. Und hängt in Europa (und nur dort bzw. dann in den USA, dem Musterland des Liberalismus, entwickelte er sich in dieser Form) genau mit der Zeit der Reformation zusammen. Als sich die Fürsten und Könige über die Kirche erhoben und sie enteigneten, um sich selbst daran zu bereichern. Bis ins Mittelalter war der Begriff von Eigentum immer nur als Leihgabe von Gott her (repräsentiert über die Obrigkeit, die aber ebenfalls über kein absolutes Eigentum verfügte, sondern alles, das ja Gottes Eigentum war, nur verwaltete) verstanden. Entsprechend stand der bei weitem größte Teil von Produktionsmitteln (Land, Werkzeug) allgemein zur Verfügung. Besonders das Kircheneigentum (und die Kirche besaß im 15. Jahrhundert rund die Hälfte aller Vermögenswerte und Landflächen) war und ist nur so zu verstehen: Es dient der Allgemeinheit. "Unter dem Krummstab ist gut leben" war ein allgemein verbreiteter Satz. 

Das änderte sich mit der Politik, mit der Natur mancher Menschen. Ihre Lebensweise wurde aufwendig, und die Könige und Fürsten verbluteten ihre Finanzen durch Kriege und Auseinandersetzungen. Denn im späten Mittelalter veränderte sich das Gesicht der Politik. Der Grundsatz, daß ein Fürst oder König nur so weit Politik betreiben konnte, als sein Privatvermögen reichte, wurde immer unangenehmer und trieb die Fürsten und Könige europaweit in immer höhere Schulden. Dem verfiel als erster der englische König Heinrich VIII. - die Engländer waren durch ihre Kriege um und gegen Frankreich notorisch schwer überschuldet - auf die Idee, den Konflikt mit der Kirche rund um seine Ehen (wo sich die Kirche nicht mehr willfährig zeigen wollte) zum Anlaß zu nehmen, sie überhaupt zu entmachten. Und das geschah durch Einziehung ihres Vermögens. Darin fand er in den englischen Adeligen willige Helfer und Kumpane, die es ihm gleichtaten.

Um dieses Raubgut zu sichern, wurde das Eigentum per Gesetz absolut gestellt. Das ist das ganze Geheimnis um diesen Punkt. Und diese Struktur wurde mehr und mehr von ganz Europa aufgegriffen, die Problematik war überall dieselbe. Das relative Eigentum, das bis dorthin geherrscht hatte und so gut wie jedem normalen Bürger ein relativ sorgenfreies Auskommen ermöglichte, und das das Mittelalter zu einer so bunten, prosperierenden Zeit gemacht hatte, stört. Es kommt skrupellosen, egoistischen Kräften nicht gerade entgegen, ja es verhindert den unsozialen Bereicherungswunsch schlechter Charaktere. Es verhindert ferner, daß kulturfremde Kräfte sich beliebig in anderen Gemeinwesen austoben können, dessen Eigenarten bezogen auf ihre Ziele sie ausnützen, dessen Notwendigkeiten sie aber ignorieren.*

Das absolute Eigentum, das uns täglich als Grundpfeiler unserer Gesellschaft eingeredet wird, hat in sich deshalb den Charakter eines Gesetzes, das den ungerechten Mittelerwerb absichern soll. Das ist das ganze Geheimnis. Es ist deshalb nicht der Grundpfeiler des Gemeinwohls, sondern die Basis eines liberalistischen Kapitalismus, der zwar allen "Freiheit" vormacht, aber die Freiheit des Brutaleren, Egoistischeren meint, den Schwächeren oder den in seinem Herzen Besseren zu mißachten. Es sichert eine Art des Wirtschaftens ab, in der jeder so viel zu horten versucht, wie ihm möglich ist, ohne Rücksicht auf lästige soziale Verbindungen nehmen zu müssen.  Während das aber noch weitgehend dem moralischen Gebot unterliegt (und moralische Gutheit ist nicht per Gesetz "verordnenbar"), wird es zur Notwendigkeit eines rechtlichen Eingriffs dort, wo es "sozial schädlich" ist. Und dagegen soll der Liberalismus es als die große Lüge der Freiheit und des Gemeinwohls absichern.

Deshalb- deshalb! - braucht so eine Gesellschaft auch eine schwache moralische Instanz, also eine schwache Kirche. Und genau das ist mit der Reformation eingeleitet, und seither auch im katholischen Bereich mehr und mehr vervollkommnet worden. Natürlich oft genug unter Mithilfe schlechter Kirchenfürsten, keine Frage, die die Gelegenheit gerne aufgegriffen haben, sich mehr um sich und ihre Karriere als um die Gläubigen und deren Seelenheil zu kümmern. Das Schlechte bekommt immer durch die Schwäche der Guten seinen Siegesraum.


Morgen Teil 2) Der Ausweg ist weder Liberalismus noch Totalitarismus





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