Zwar kann man jede
Sympathie dafür haben, die Regierenden scharf zu kritisieren, aber man darf
dabei nie vergessen, doch genauer zu denken als in pauschalen Hinhackbewegungen
alles in Grund und Boden zu stampfen, was an Vorschlägen und Gedanken kommt.
Denn sonst werden wir für Dinge nützliche Idioten, die genau das bewirken, was
wir eigentlich kritisieren, weil es uns das Leben zur Hölle macht. Sehr
geschickt darin, solche berechtigten Gefühle in falsche Richtungen zu lenken,
sind die Liberalen, der sprach- und denkverwirrende Kuschelarm des
Kapitalismus.
Da findet sich etwa auf
Tichys Einblick ein empörter Artikel, wie Politiker allen Ernstes überlegen
können, Immobilien zu enteignen, weil es an Wohnraum fehlt. Und das nur, weil
die Wohnraumpolitik kläglich versagt habe. Nun, Herrschaften, hier geht es um
etwas sehr Prinzipielles. Und zwar um etwas, das wir längst als Normalität
geschluckt haben, das aber in sich falsch ist. Es geht um die Frage nach dem
Wesen des "Eigentums".
Ja, es ist richtig,
ein Staat muß Eigentum schützen. Aber Eigentum als ungestörte Nutznießung an
einem Gut ist nicht absolut, und es ist auch nicht unbeschränkt möglich. Denn
mit jedem Eigentum gehen auch soziale Verbindlichkeiten einher. Eine
Gesellschaft hat sehr wohl das Recht, und die Politik die Pflicht, einen groben
Verstoß gegen diese Pflichten zu korrigieren. Deshalb ist Eigentum niemals
"absolut", wie es die Liberalen gerne hätten.
Wie entstand dieser
Begriff des absoluten Eigentums? Wir machen es kurz, denn detailliertere
Aussagen dazu finden sich auf diesen Seiten häufig genug: Er entstammt der
Neuzeit. Und hängt in Europa (und nur dort bzw. dann in den USA, dem Musterland
des Liberalismus, entwickelte er sich in dieser Form) genau mit der Zeit der
Reformation zusammen. Als sich die Fürsten und Könige über die Kirche erhoben
und sie enteigneten, um sich selbst daran zu bereichern. Bis ins Mittelalter war
der Begriff von Eigentum immer nur als Leihgabe von Gott her (repräsentiert
über die Obrigkeit, die aber ebenfalls über kein absolutes Eigentum verfügte,
sondern alles, das ja Gottes Eigentum war, nur verwaltete) verstanden.
Entsprechend stand der bei weitem größte Teil von Produktionsmitteln (Land,
Werkzeug) allgemein zur Verfügung. Besonders das Kircheneigentum (und die
Kirche besaß im 15. Jahrhundert rund die Hälfte aller Vermögenswerte und
Landflächen) war und ist nur so zu verstehen: Es dient der Allgemeinheit.
"Unter dem Krummstab ist gut leben" war ein allgemein verbreiteter
Satz.
Das änderte sich mit
der Politik, mit der Natur mancher Menschen. Ihre Lebensweise wurde aufwendig,
und die Könige und Fürsten verbluteten ihre Finanzen durch Kriege und Auseinandersetzungen.
Denn im späten Mittelalter veränderte sich das Gesicht der Politik. Der
Grundsatz, daß ein Fürst oder König nur so weit Politik betreiben konnte, als
sein Privatvermögen reichte, wurde immer unangenehmer und trieb die
Fürsten und Könige europaweit in immer höhere Schulden. Dem verfiel als erster
der englische König Heinrich VIII. - die Engländer waren durch ihre Kriege um
und gegen Frankreich notorisch schwer überschuldet - auf die Idee, den
Konflikt mit der Kirche rund um seine Ehen (wo sich die Kirche nicht mehr
willfährig zeigen wollte) zum Anlaß zu nehmen, sie überhaupt zu entmachten. Und
das geschah durch Einziehung ihres Vermögens. Darin fand er in den englischen
Adeligen willige Helfer und Kumpane, die es ihm gleichtaten.
Um dieses Raubgut zu
sichern, wurde das Eigentum per Gesetz absolut gestellt. Das ist das ganze
Geheimnis um diesen Punkt. Und diese Struktur wurde mehr und mehr von ganz
Europa aufgegriffen, die Problematik war überall dieselbe. Das relative Eigentum,
das bis dorthin geherrscht hatte und so gut wie jedem normalen Bürger ein
relativ sorgenfreies Auskommen ermöglichte, und das das Mittelalter zu einer so
bunten, prosperierenden Zeit gemacht hatte, stört. Es kommt skrupellosen,
egoistischen Kräften nicht gerade entgegen, ja es verhindert den unsozialen
Bereicherungswunsch schlechter Charaktere. Es verhindert ferner, daß
kulturfremde Kräfte sich beliebig in anderen Gemeinwesen austoben können,
dessen Eigenarten bezogen auf ihre Ziele sie ausnützen, dessen Notwendigkeiten
sie aber ignorieren.*
Das absolute Eigentum,
das uns täglich als Grundpfeiler unserer Gesellschaft eingeredet wird, hat in
sich deshalb den Charakter eines Gesetzes, das den ungerechten Mittelerwerb
absichern soll. Das ist das ganze Geheimnis. Es ist deshalb nicht der Grundpfeiler
des Gemeinwohls, sondern die Basis eines liberalistischen Kapitalismus, der
zwar allen "Freiheit" vormacht, aber die Freiheit des Brutaleren,
Egoistischeren meint, den Schwächeren oder den in seinem Herzen Besseren zu
mißachten. Es sichert eine Art des Wirtschaftens ab, in der jeder so viel zu
horten versucht, wie ihm möglich ist, ohne Rücksicht auf lästige soziale
Verbindungen nehmen zu müssen. Während das aber noch weitgehend dem
moralischen Gebot unterliegt (und moralische Gutheit ist nicht per Gesetz
"verordnenbar"), wird es zur Notwendigkeit eines rechtlichen
Eingriffs dort, wo es "sozial schädlich" ist. Und dagegen soll der Liberalismus
es als die große
Lüge der Freiheit und des Gemeinwohls absichern.
Deshalb- deshalb! -
braucht so eine Gesellschaft auch eine schwache moralische Instanz, also eine
schwache Kirche. Und genau das ist mit der Reformation eingeleitet, und seither
auch im katholischen Bereich mehr und mehr vervollkommnet worden. Natürlich oft
genug unter Mithilfe schlechter Kirchenfürsten, keine Frage, die die
Gelegenheit gerne aufgegriffen haben, sich mehr um sich und ihre Karriere als
um die Gläubigen und deren Seelenheil zu kümmern. Das Schlechte bekommt immer
durch die Schwäche der Guten seinen Siegesraum.
Morgen Teil 2) Der Ausweg ist weder Liberalismus noch
Totalitarismus
*150319*