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Montag, 27. Mai 2019

Wir gehören immer Kreisen an

Wenn das "Fegefeuer" einfach das Reingebranntwerden in der Begegnung mit dem richtenden und rettenden Herrn ist, wie kann dann ein Dritter einwirken, selbst wenn er dem anderen noch so nahesteht? Bei solchem Fragen sollten wir uns klarmachen, daß kein Mensch eine geschlossene Monade ist. Unsere Existenzen greifen ineinander, sind durch vielfältige Interaktionen miteinander verbunden. 

Keiner lebt allein. Keiner sündigt allein. Keiner wird allein gerettet. In mein Leben reicht immerfort das Leben anderer hinein: in dem, was ich denke, rede, tue, wirke. Und umgekehrt reicht mein Leben in dasjenige anderer hinein: im Bösen wie im Guten. So ist meine Bitte für den anderen nichts ihm Fremdes, nichts Äußerliches, auch nach dem Tode nicht.

 Papst Benedikt XVI. in der Enzyklika Spe Salviso  

Kann man also für Verstorbene beten, soll man das sogar? Die Antwort ist eindeutig: Ja. Wir sind zwar als Person Individuum, aber immer individuell als "Mensch in Schichten", in Kreisen, denen wir (stellvertretend in beide Richtungen) ebenso wie die Menschen in diesen Kreisen angehören. Was immer wir also tun, wie immer wir also sind, beeinflußt auch das Gemeinwohl. 

Es ist damit immer eine Zugehörigkeit, die der Ort ist, an dem wir uns "selbst verwirklichen" müssen oder können und die unsere Identität ausmacht. Nimmt man alle diese Kreise weg, löst man, isoliert alle diese Zugehörigkeiten auf, bleibt nichts als gestaltlose Unbestimmtheit, der das Fluidum zum Weltsein - und das ist ein Aktivsein, eine Selbsttätigkeit als "auf - zu" - fehlt.

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Das Schlimmste ist also die Isolationshaft. Schon gar, wenn der Häftling Atheist ist. Aus den Erfahrungen damit, aber auch aus Experimenten mit Studenten, die man von jeder Sinneswahrnehmung (als Verbindungstaue zur Welt) abschloß, weiß man, daß an deren Ende Wahnsinn weil völlige Zerrüttung entsteht. Es ist immer eine Verbindung zu einem Du, die erst geistig-seelische Ordnung (die eine Gerichtetheit ist, die dann im Gemeinsamen Bestand hat) ermöglicht.

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Die grundlegende, den anderen auslöschen sollende Dimension der Verweigerung von Kommunikation und Umgang zum Beispiel mit Andersdenkenden wird zwar meist vergessen, aber sie macht solch eine Tat so schwerwiegend und böse. Und dumm. Denn sie übersieht zudem, daß gravierender Schaden auf beiden Seiten entsteht. Gleichzeitig wird auch die gemeinschaftszerstörerische Funktion der Lüge oder der geheuchelten, sachlich falschen Zustimmung (oder vorgetäuschte, weil vermeintlich nützliche Ablehnung) deutlich. Auch sie ist Verweigerung eines Gemeinsamen, selbst wenn man in dessen Beurteilung zu anderen Schlüssen kommt. Aber dadurch wird das Gemeinsame anerkannt, das immer eine Sache ist, die freilich jeder von einer anderen Warte aus sieht.

Gemeinsamkeit, Zubehörigkeit und damit Identität als konkretes "In-der-Welt-als-Welt-sein" entsteht und besteht nur in Sachlichkeit. Volle Gemeinschaft damit nur in der Wahrheit. Damit wird auch von dieser Seite klar, daß es Gutheit und Erlösung nur aus der Wahrheit heraus gibt. So können wir uns in der Taufe mit Jesus in einer Gemeinschaft - einem "Kreis" - wissen, den er stellvertretend vor Gott den Vater bringt. Und damit auch uns, sofern wir mit ihm (als der Wahrheit, also in persönlicher Zugeordnetheit) verbunden sind. Er läßt uns dadurch am innertrinitarischen Leben (in Analogie beziehungsweise im Geist, der aller Welt zugrunde liegenden Kraft) teilhaben.




*170119*