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Donnerstag, 30. Mai 2019

Schön langsam wird es nagelfest

Die Leistung des Gert Schmidt, Journalist und Mitherausgeber der Internetplatform "eu-infothek.com" ist beachtlich. Er hat binnen nicht einmal zweier Wochen einen auf den ersten Blick völlig undurchschaubaren Fall - den Fall des "Ibiza-Videos" um Heinz-Christian Strache und Johann Gudenus, das für manchen zum Anlaß wurde, die österreichische innenpolitische Lage auf den Kopf zu stellen - von kleinsten Indizien ausgehend bis zu einem Punkt aufgeklärt hat, der vor den Toren Wiens zwar vorerst endet, aber das Geschehen selbst immer deutlicher erkennbar macht. 

Es wurde eingestanden: Die Falle war nicht nur bis ins Detail durchinszeniert, sondern damit die beiden FPÖ-Politiker ihren gesollten Part einnehmen, wurden sie unter Drogen gesetzt

Vor allem ist nun auch klar, daß die Gefügigmachung durch Drogen tatsächlich eine große Rolle spielte. Und nachdem zwar bei Gudenus bekannt war, daß er Drogen nicht immer abgeneigt war, hat man Strache durch Beimischung in Getränke unter den Einfluß von Kokain gesetzt, das noch dazu in einer Reinheit eingesetzt wurde, die marktunüblich ist und die bekannten Wirkungen des Kokains - Größenwahn (statt gehobenem Selbstgefühl), Euphorie (statt gesteigertes Wohlbefinden), Selbstüberrumpelung (als Fallen aller Schranken) - deutlich übersteigert. Das ist kein Gerücht, keine Dolchstoßlegende, sondern eine von den Video-Machern eingestandene Tatsache.

Es ist Schmidt gegenüber, der in eigener Recherche die hauptsächlich involvierten Personen ausfindig gemacht hat, die dann erstaunlich kooperativ waren, auch eingestanden worden, daß der Lockvogel, eine Studentin aus Bosnien, die perfekt Russisch spricht und eine Tagesgage von sechs- bis siebentausend Euro erhalten hatte, während des siebenstündigen Gesprächs mindestens zwanzig Mal den Raum verlassen hatte, um sich neue Direktiven über das nun zu Fragende und den Fortgang der Dramaturgie aus Wien (!) zu holen, von wo jemand live zugeschaltet war.

Es wäre unbedingt wichtig, meint Schmidt, das GANZE Video zu sehen, nicht nur die paar verwerteten Stellen, die nur aus jedem Zusammenhang herausgerissene Einzelaussagen enthalten. Denn dann würde mit Sicherheit auch klar, wie geschickt und über stundenlange, geschickte Fragestellung (samt Drogeneinfluß) die beiden FPÖ-Politiker "weichgemacht" wurden. Schmidt meint, daß dann die herausgegriffenen Aussagen, die kolportiert wurden, recht sicher in einem ganz anderen Licht gesehen würden. Wahrscheinlich würde dann auch der im Verlauf der sieben Stunden zunehmende Drogeneinfluß erkennbar.

Die Absicht hinter dem durchdachten Plan, dieses Ibiza-Videos in der Form anzufertigen, ist ziemlich geklärt: Es war ein Geschäftsmodell einer Ermittlungsfirma, die kurz vor der Pleite stand. Und überlegte, wie sie mit ihren Ressourcen Informationen fabrizieren könnte, die potenten Kunden viel Geld wert sein könnten.

Klar ist damit auch, daß ALLE Parteien Österreichs (außer die FPÖ) davon wußten, daß die meisten Zeitungen davon wußten, und daß auch sonst involvierte Personen (wie einem der Eigentümer der STRABAG, dem größten Bauunternehmen der Infrastrukturbranche, also auch dem größten Auftragnehmer der Politik), die als zahlungskräftige potentielle Interessenten angesprochen wurden, seit 2017 bekannt war. Aber alle hatten damals abgelehnt, diese Aufnahmen zu übernehmen bzw. zu verwerten (und dafür zu bezahlen). 2019 waren die Produzenten auf die Idee gekommen, es noch einmal zu probieren - diesmal jedoch "über einen Rat aus Kreisen einer Wiener Partei" in Deutschland - die kompromittierende Inszenierung an den Mann zu bringen. Und prompt war der "Verein für Politische Schönheit" aufgesprungen. Ob und wie weit hier Hintermänner im Spiel waren, die eventuell die geflossenen 600.000 Euro gestellt haben, ist derzeit noch ungeklärt.

Der Herausgeber der Zeitung "Österreich", Wolfgang Fellner, der sich über die Homepage seines Tagesblatts mit einem TV-Programm, und darin insbesonders mit dem Format "Fellner! live", ein beachtliches Forum aufgebaut hat, das durch Offenheit und Freie Sprache besticht und insofern wahrlich Seltenheitswert in der heutigen Medienlandschaft genießt, und er auch dieses Interview führt, ist freilich ein bißchen vorschnell, wenn er in diesem Gespräch immer wieder davon spricht, daß "der Fall nun aufgeklärt" sei. Und dabei manche Feinheit überhört, oder in seinem Mitteilungsbedürfnis niederredet.

So die, daß Schmidt, der bewundernswert sachlich und dezent bleibt, darauf hinweist, daß auch die "Neos", die liberale Klein- und Saubermannpartei (die Schmidt als Partei bezeichnet, "die sich der STRABAG-Eigentümer Haselsteiner hält") von diesem Video gewußt haben.

Alles das, was er da mittlerweile herausgefunden habe, könne er beweisen und belegen. Das dürfen wir wohl annehmen, denn der Mann wäre sonst für alle Zeit erledigt oder gar tot. Umso mehr als es - wie der geschaßte Innenminister Kickl (FPÖ) ebenfalls andeutete, (auch dieses Video von Fellner! live ist wirklich sehenswert) - über den sogenannten "BVT-Skandal" Hinweise auf Verbindungen zu jener Partei gibt, die Sebastian Kurz ja gar nicht mehr zu vertreten behauptete, ehe er auszog, um mit deren Basis den Kanzler zu gewinnen (und gleich wieder zu verlieren). 

Was ist der BVT (Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorbekämpfung)? Es ist einer der (zahlreichen!) Geheimdienste Österreichs, der als ÖVP-nahe gilt und sich mit Verfassungsschutz befaßt. Dort war eine vom Innenministerium verhängte Hausdurchsuchung abgelaufen, wenige Monate, nachdem Kickl im Amt war. Wie man nun annehmen darf, war erstens bekannt, daß es "ein brachiales Video" über H. C. Strache gab, und daß zweitens der BVT zumindest indirekt irgendwie damit verbunden gewesen sein dürfte. Die Macher des Ibiza-Videos haben das jedenfalls eingestanden, behauptet Schmidt: Sie haben (auch schon zuvor, aber auch diesmal) mit diesem österreichischen Geheimdienst zusammengearbeitet.

Die Frage erhebt sich also auch, warum die ÖVP in den letzten Jahren, ja Jahrzehnten, so dahinter war, in ihren Koalitionen immer das Innenministerium zu stellen. Und die Frage steht im Raum, ob in dieser Konstellation nicht schon lange Geheimmaterial über Personen in Österreich angefertigt und zu Erpressungszwecken benutzt wurde. Kickl meint sogar, daß zu untersuchen sei, ob nicht verschiedene Rücktritte in der politischen Vergangenheit Österreichs mit solchen Machenschaften zu tun haben.

Selbst der Ex-Grüne und linke "Jetzt"-Aufdecker Peter Pilz schrieb in einer Aussendung vom letzten Samstag, daß die Spuren ins BVT so deutlich sind, daß man mögliche Verbindungen des Ibiza-Videos mit dem ÖVP-Netzwerk innerhalb dieser Geheimdienstorganisation untersuchen müsse.

Auch diesmal schien es Ex-Kanzler Kurz (wohl unter dem Druck der Männer, die wirklich in der ÖVP das Sagen haben, und dazu gehört nicht Kurz, der ist nur das bunte Etikett für unveränderte ÖVP-Macht im Land) nur darum gegangen zu sein, das Innenministerium wieder zurückzugewinnen. Dafür hat er - wohl unter massivem Einfluß von ÖVP-Granden aus den Bundesländern, allen voran denen von Niederösterreich (deren Landeshauptmann eine ehemalige ÖVP-Innenministerin ist) und die Steiermark - sogar die Koalition mit der FPÖ gesprengt.

Das Argument, so Kickl, daß ein FPÖ-Minister die Aufklärung von Rechtsverfehlungen durch Strache behindert hätte, ist deshalb nicht zutreffend, weil Kickl selbst (um jedem möglichen, zukünftigen Vorwurf vorzubeugen) von Anfang seiner Ressortleitung an die Verantwortung für Korruptionsbekämpfung in die Hände der ÖVP- und EU-Mandatarin Edtstadler gelegt hatte. Es mutet schon jetzt seltsam an, daß das nunmehrige Innenministerium (das wie alle Minister der Übergangsregierung von ÖVP-Vertrauensleuten geleitet wird) keine Anstalten zu treffen scheint, die Vorgänge um die (strafrechtlich relevante, illegale) Video-Produktion aufzuklären.

Hier wird es aber nun erst wirklich spannend, Fellner ist zu früh. Das Eigentliche ist erst aufzuklären. Und das könnte höchst brisante Details ans Tageslicht bringen. DANN aber wird der Fall erst aufgeklärt sein.







*290519*