Es wird gerne erzählt, daß es die Welt ist, die
die Juden haßt. Ohne der Frage nachzugehen, wie das denn möglich
sei, und vor allem warum sich so eine Haltung gebildet haben könnte,
wird die Erklärung vielleicht einsichtiger, wenn man die
Angelegenheit vom Kopf auf die Füße stellt. Denn sind es nicht die
Juden, die mit dem Vorwurf des Antisemitismus, mit dem sie die
gesamte Welt überziehen, den sie überall wittern und zu sehen
meinen, den sie zum vielleicht sogar obersten Moralkriterium der Welt
stilisiert haben, sich selbst (bei aller Frage, wer denn "die
Juden" überhaupt sind, wobei interessanterweise die Juden
selbst zu angeblichen rassisch-genetischen Zusammenhängen greifen)
zu Antagonisten der Welt machen? Die überall Feinde wittern und
jeden dieser Feindschaft anklagen?
Und wo könnten die Gründe dafür liegen? Nicht
vielleicht in einer tief liegenden Ahnung einer gewaltigen Schuld dem
Sein, also Gott gegenüber? Denn es ist immer der Schuldige, und es
ist eine Schuldbewältigungsstrategie, den anderen einer Schuld zu
bezichtigen, die das eigene unruhige Gewissen treibt, dem man sich
aber nicht zu stellen wagt, weil seine Forderung zu gewaltig scheint?
Und vor allem das eigene Dasein auf eine Weise erhellen würde, die
sehr sehr viel verlangt, um durchgestanden zu werden.
Mit dieser Gewissenslage aber sind sie in die Welt
gegangen, weil vertrieben worden. Warum sind sie aus Palästina
vertrieben worden? Weil sie notorische Revolutionäre waren,
notorisch gegen jede Ordnung aufstanden, in dem verzweifelt
festgehaltenen und gepflegten Sendungsbewußtsein, als Gottes
auserwähltes Volk, von dem das Heil für die Welt kommt. Welchen
Status keine Tat in ihren Augen und als Behauptung je verändern
hätte können. Dieses mit trotzigem Willen aufrechterhaltene
Sendungsbewußtsein war es, das die Juden überall und zu allen
Zeiten in einer Haltung verharren, diese Haltung pflegen ließ, daß
sie außerhalb jeder menschlichen Gesellschaft standen. Man könnte
sagen: Außerhalb aller christlichen Kulturen. Aber das wäre zu kurz
gegriffen, denn auch im Islam sehen sie die notorischen Judenhasser
und auch diesem unterstellen sie, daß das grundlos und unbegründbar
sei. Und es ist dasselbe Sendungsbewußtsein, das sie zur Haltung
geführt hat, daß dies die tiefere, ja vor Gott gültige
Legitimation des Staates Israel sei.
Die Frage ist also, bei aller Ungreifbarkeit der
Juden sui generis, ob es einen Grund geben könnte, warum man "die
Juden" haßt. Warum sich eventuell dieser Haß von einigen auf
alle ausgedehnt hat, die sich selbst (sic!) als Juden definieren.
Denn nur das begründet das Judentum: Die Selbstdefinition, wie sie
dann im Talmud, dem zweitwichtigsten Buch des Judentums, ab dem 2.
Jahrhundert festgelegt wurde. Die das Judentum eigentlich grundlegend
als "Anti" definiert, als Gegenentwurf, und für manche der
Moment der Neugründung einer Religion bedeutete, die man fortan
"Judentum" nennt.
Es wirkt damit umso seltsamer, wenn Roy H. Schoeman
in seinem Buch "Das Heil kommt von den Juden - Gottes Plan für
sein Volk" auf eine Sendung zurückgreift, die im Alten
Testament ergangen ist, die er zugleich aber dann an das "Blut"
bindet. Um nicht nur in einer grotesken, äußerst selektiven
Geschichtsverklitterung die Menschheitsgeschichte neu zu schreiben,
sondern auch das heutige Judentum zur Quelle allen weiteren Heiles,
ja zum Schlüssel des eschatologischen Schicksals der Welt sogar zu
erklären. Und zwar nicht nur, weil Jesus Christus dem Blute nach
Jude gewesen war, sondern weil auch das von der Kirche erwartete Heil
- als Wiederkunft Christi am Jüngsten Tag, also am Tag des Endes der
Welt - von den Juden komme, Christus also als Jude und aus den Juden
kommen werde.
Wobei er sich hier leider einiger der schlimmsten
Entgleisungen der katholischen Theologiegeschichte bedienen kann.
Nicht nur durch die dogmatisch unhaltbare Formulierung des Zweiten
Vatikanums, daß die Kirche Christi in der Katholischen Kirche
"subsistit", also "auch" in ihr sei, nicht als
das einzige Heilswerkzeug, die das Reich Gottes ist, sondern auch
durch einen emeritierten Papst, der nach wie vor seine germanische
Korrumpierung (wieder: Schuldbewußtsein) nicht ablegen konnte und
noch 2017 neuerlich die Quadratur des Kreises versuchte, indem er
zwar schon die Kirche als DAS Heilswerkzeug Gottes definierte (anders
wäre der dogmatische Irrtum zu gewaltig gewesen), jedoch gleichzeitig
davon spricht, daß die Juden als das auserwählte Volk Gottes nach
wie vor zu betrachten wären. Aber das ist falsch, und zwar aus
mehreren Gründen.
Natürlich bedient sich Schoeman dieser Wendungen,
die er mit untrüglichem Instinkt ausgegraben und aufpoliert hat.
Sodaß man sich nach der Lektüre der 300 Seiten des Eindrucks nicht
erwehren kann, daß hier ein Jude versuchte, den Katholizismus zu
judaisieren, und zu einem "Katholizismus in jüdischer Art"
umzudeuten. Er kann sich des Beifalls der protestantisierenden
Freikirchen, charismatischen Gruppierungen und neotheologisierender
"Katholiken" sicher sein.
Damit wäre eigentlich schon alles über dieses
Buch und über den "messianischen Judaismus" gesagt, dem
Schoeman angehört. Fast zumindest. Juden bräuchten, schreibt er,
keine Bekehrung (und da stimmt er mit päpstlichen Aussagen der
letzten Jahre überein), denn das Christentum würde wie der Deckel
auf den Topf passen, und das Judentum zu seiner Vollendung führen.
Sie merken, werter Leser, womit wir es hier zu tun
haben. Mit einem subtilen Täuschungsversuch. Der sich der
Äquivokation bedient (also einzelne Aussagen herausgreift, sie
als "inhaltlich deckungsgleich" vorzustellen, aber in einen anderen Horizont verschiebt), um völlig
überraschend zu ganz neuen Aussagen zu führen, die eine Prämisse hat: Verehrt die Juden! Sie sind nach wie vor Gottes
auserwähltes und seit je bevorzugtes Heilswerkzeug, ja heute noch
mehr als früher. Und sie sind jene, die die Welt in Ordnung bringen
- Tikun Olam, der Boden des Sendungsbewußtseins der
Juden seit je. Bis hin zu seinem durch die Geschichte geisternden Erfüllungspunkt, dem "Zionismus"*, der gleich noch den Staat Israel selbst sakrosankt stellt. Gleich vorweg: Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun.
Heute nennt sich Schoeman katholisch. Und manch
einer könnte zu dem Schluß kommen, daß er das tut, um unter der
Mogelverpackung "katholisch" das Judentum, den Zionismus in
die Kirche einzuschleusen. Ja, manch einer könnte das als ...
leider, aber man muß es so nennen ... typisch jüdische Operation
der Subversion sehen. In jedem Fall muß man den Bezug zur Utopie als
Wesen des Judentums sehen. Denn er erklärt auch, warum sich Juden
weltweit in utopischen Visionen dermaßen stark engagiert haben.
Nicht zuletzt im Kommunismus. Der mit mindestens 120 Millionen Opfern
endete. Aber auch diese Themen vermeidet Roy Schoeman, und das hat
alles seinen Grund. Aber versuchen wir systematischer vorzugehen. Nur
so läßt sich der Verwirrung, die Schoeman bei so manchen
verursachen könnte, beikommen.
Und deshalb werden wir hier noch auf einiges Weitere
eingehen. Denn wir müssen Begriffe klären. Was ist nämlich Volk?
Wer gehört dazu? Wer ist das Volk der Juden heute? Worauf bezieht
sich eine Verheißung an ein Volk? Auch das gleich vorweg: Ein Volk
definiert sich sicher nicht über sein Blut, und Juden sind nicht mehr Gottes Volk als Buddhisten, Muslime, Chilenen oder Angolaner. Der Umstand, daß
Gott in Jesus als Jude inkarnierte, hat ganz andere Gründe als die, eine jüdische Blutsverwandtschaft sakrosankt zu stellen. Und wir werden auch klären, warum das mit
Auferstehung und Himmelfahrt definitiv bedeutungslos wurde.
Morgen Teil 2) Ein historischer Zwischenschritt
*Was ist mit Zionismus gemeint? Es ist die
Berufung auf die Verheißung, die seit Abrahams Aufbruch aus der
arabischen Halbinsel ins "gelobte Land" auf Israel ruhte,
in der Gott den Juden ein Land, wo Milch und Honig fließen,
versprochen hat. Dieser Gedanke wurde ab dem 19. Jahrhundert intensiv
wieder aufgegriffen (wobei er nie erloschen war), und zu einem Recht
umgedeutet wurde, Palästina in Besitz zu nehmen und zu beherrschen.
Die Gründung des Staates Israel steht also im Rahmen einer
Eschatologie, eines notwendigen Tuns, um das Kommen des Messias und
das Ende der Welt - mit einem Anbruch eines irdischen Paradieses, wo
friedlich das Lamm neben dem Löwen lagert, vorzubereiten.
Behalte der Leser dabei die wesentliche Dimension
des Judentums im Auge, wie es auch von Jesus selbst, und später von
den Aposteln verurteilt wurde, weil sie, wie unzählige
Schriftstellen belegen, eben NICHT der Torah gefolgt sind, wie sie
behaupten. So daß es die Ankunft des Messias mit konkreten, irdischen
Utopie-Bedingungen gleichsetzte und gleichsetzt. Exakt jene Haltung
also perpetuiert, die zur Ablehnung von Jesus Christus führte. Denn
alle diese paradiesischen, handfest-irdischen Zustände hat dieser
nicht gebracht. Es gab nach wie vor Leid, Krankheit, Tod, es gab nach
wie vor Kriege und Anfeindungen. Und er selbst war am Kreuz gelandet.
Das war kein Messias, der jüdischen Erwartungen entspricht. "Steig
herunter vom Kreuz," riefen sie ihm deshalb zu. Ewiger König
bist Du sonst nicht. Kein König aus Davids Geschlecht endet als
Versager und Verbrecher.
Ein König, wie man ihn am Sonntag vor dem
Paschafest noch gefeiert hatte, und der dann jene enttäuschte, die
eben nicht die Gebote der Väter seit Abraham befolgten, denn sonst
hätten sie ihn erkannt. Stattdessen haben sie sich von ihm, der so
viele Wunder gewirkt hat - die zu verschweigen er wieder und wieder
aufgefordert hatte, um eben diese falschen Voraussetzungen nicht zu
nähren - ein irdisches Paradies mit Brot und Fisch und Wein bis
zum Abwinken, geschaffen aus dem Nichts, ohne den Fluch der Arbeit
und ohne Mühe, die Heilung von Krankheiten und das Austreiben der Dämonen erwartet.
Daß die Kirche ein Reich des Heiligen Geistes
ist, das notwendig den Tod des Erlösers brauchte, der in den Himmel
auffahren mußte, um die Herrschaft des Geistes zu eröffnen. Als
reale Anwesenheit jener geistigen, wirklichen Wirklichkeit der
Grammatik der Schöpfung, die aus und in Liebe Welt weil Gestalt im
Rahmen einer Gesamtordnung aus Gott, dem reinen Geist, hervortreibt.
Die dann zu Pfingsten anbrach. Weil diese Welt durch die Erbsünde
und die Herrschaft Satans notwendig untergehen muß, es also eine
Neuschöpfung braucht, eine Wiederkunft Christi, in der im Jüngsten
Gericht die Bösen und der Satan aus der Welt geworfen werden müssen.
Dann, ja dann wird es auch wieder die Ganzheit aus Geist und Fleisch
geben.
Das war und ist den Juden zu wenig. Sie suchten
den Anbruch der Zeit der Erlösung in der vorhandenen, faktischen,
gegebenen Welt. Und sie tun das bis heute. Dahinter stehen ganz
konkrete, metaphysische Schlüsse und deren Folgen, die letztlich auf
einen Pan-Entheismus, ja auf Polytheismus hinauslaufen. Damit werden
wir uns später noch befassen. Denn Roy H. Schoeman liefert mit seinem Buch noch eine große Menge weiterer falscher Blüten, die eine nach der anderen gepflückt werden wollen.