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Dienstag, 7. Mai 2019

Warum Ökonomie keine Wissenschaft ist (2)

Teil 2)



Einer benennt auch die Mitverantwortung der Regierung. Die immer nur Wachstum verlangt, und in dem Moment, wo das nicht eintrifft, sofort mit Maßnahmen reagiert. So hat man die Zinsen immer wieder gesenkt und gesenkt, und damit Geld immer leichter verfügbar gemacht. Noch dazu hat man die Subprimes (Hypothekaranleihen für Schuldner, die eigentlich die Darlehen niemals oder sehr wahrscheinlich nicht zurückzahlen können) insofern gefördert, als man eine Rückbelehnung beim Staat für die Banken ermöglicht hat. Die Banken haben da gerne zugegriffen, denn mit so schlechten Hypotheken läßt sich aufgrund der schlechten Bonität viel Geld verdienen: Sie werden niedriggestuft, aber durch die Rückbelehnung zur vollen Höhe besichert. Gleichzeitig lassen sich daraus hervorragende Risiko-Wertpapiere schaffen, die aufgrund der hohen Gewinnchancen bei gleichzeitig niedrigen Zinsen reißende Nachfrage fanden.

Mancher Quant hat auch ein schlechtes Gewissen. Er selbst hat in den Zeiten, wo ihre Berechnungen hoch im Kurs standen, viel Geld verdient. Und nichts verloren, als alle die Anleger verloren haben. Sie fühlen sich ein wenig mit schuldig, denn das Vertrauen in die Finanzprodukte wurde mit ihren Berechnungen geschaffen. Anderseits hat man auf sie nicht gehört, weil man gar nicht hören wollte, wie riskant die wirklichen Geschäfte waren.

Hat sich etwas geändert? Ja, einen Monat lang war man vorsichtiger. Aber dann ging man zu jener Praxis über, wie sie bis 2008 herrschte, änderte höchstens den einen oder anderen Produktnamen. Und der Einfluß der Mathematik ist um nichts geringer, er ist sogar gestiegen. Die Studentenzahlen steigen, alle versprechen sich den Wunderschlüssel für ihre Karriere. Denn nun kommen Formen wie "algorithmisches Marketing" etc. auf, wo man überall Mathematik braucht. Und die Rolle von High Frequency Trading steigt und steigt. Wo binnen Tausendstel-Sekunden gigantische Beträge verschoben werden. Das geht nur auf der Grundlage von Modellen, die sagen, wie sich was entwickeln wird. 

Heute versuchen Hedgefonds sogar, ihre Computer rein räumlich so nahe wie möglich an die Rechner der Börse zu stellen, weil das Signal zwischen ihren Computern und denen der Börse Zeit (!) braucht, die entscheidend sein kann. Und wir reden hier fast von Lichtgeschwindigkeit! Wo die Büros sind ist mittlerweile egal, in der Wallstreet selbst gibt es kaum noch Finanzbüros. Der Crash 1987 hat noch einen Tag gebraucht, ehe er da war. Der nächste Crash könnte innerhalb von wenigen Minuten ablaufen. Und niemand kann mehr etwas machen, weil ein Mensch nicht mehr in der Lage ist zu verstehen, was sich da überhaupt abspielt. Er kann sich nur auf die mathematischen Modelle verlassen. 

Das größte Problem beim High Frequency-Trading ist, daß sich das Urteilsgewicht immer mehr auf den Preis, nicht aber auf den Wert verschiebt. Ob also ein Papier diesen oder jenen Wert überhaupt "hat", den der Preis ausweist. Es geht nur noch darum, teurer zu verkaufen als man gekauft hat. Und auch für die Unternehmen ist oft nur noch wichtig (und zwar real), was die Aktienkurse machen, egal warum. Die New Yorker Börse selbst wird von manchen nur noch als "Museum" bezeichnet, wo man sich anschauen kann, wie es einmal war. Der wirkliche Börsenhandel heute vollzieht sich im Untergrund, und nur noch zwischen Computern. Und wer sich die besten Programmierer und Mathematiker leisten kann, hat den entscheidenden Wettbewerbsvorteil.

Das Bankgeschäft hat sich allgemein zu einem reinen Glücksspiel entwickelt, in dem es nur darum geht, egal wie möglichst viel zu verdienen. Daß hinter allen Zahlen aber Menschen stehen, spielt keine Rolle mehr. Und das ist nicht nur tragisch, das ist gefährlich. Denn auch wenn sich das Finanzgeschehen völlig von der Realwirtschaft abgekoppelt hat, wirkt es sich auf sie aus. Umgekehrt aber immer weniger. Der Fall der United Airlines ist legendär geworden. Wo innerhalb eines Tages eine grundgesunde Fluglinie vor dem Bankrott stand. Weil Börsenhandels-Computer sich verselbständigt und durchgedreht haben.








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