"Macht Euch die Erde untertan!" Diese
Aufforderung stünde nicht in der Genesis der Bibel, wenn sie nicht einen
Grundantrieb im Menschen aussagen würde: Den, sich die Erde zu
unterwerfen, sie zu ordnen, sie zu gestalten, und so zum Teil
menschlicher Kultur als Insgesamt seines Lebensvollzugs auf der Erde zu
machen. Diese Gedanken werden neu bewußt, wenn man sich die
interessanten Forschungen des Stadtplaners und Architekten Klaus Humpert
ansieht.
Der beim Studium der Bebauungskarten seiner Heimatstadt Freiburg im Breisgau auf Regelmäßigkeiten stieß, die ihn verblüfft haben. Immer mehr konnte er sich des Eindrucks nicht erwehren, daß sich unter dem heutigen Antlitz der Stadt, viel deutlicher in ihren mittelalterlichen Strukturen, soweit sie erhalten oder nachvollziehbar sind, ein Plan stehe.
Der beim Studium der Bebauungskarten seiner Heimatstadt Freiburg im Breisgau auf Regelmäßigkeiten stieß, die ihn verblüfft haben. Immer mehr konnte er sich des Eindrucks nicht erwehren, daß sich unter dem heutigen Antlitz der Stadt, viel deutlicher in ihren mittelalterlichen Strukturen, soweit sie erhalten oder nachvollziehbar sind, ein Plan stehe.
Damit
widerspricht er den gängigen Ansichten der meisten Historiker, wie sie
in dem interessanten Film in der Gestalt des em.
Universitätsprofessors und Kunsthistorikers Günther Binding auftreten.
Die davon ausgehen, daß unsere Städte im Mittelalter rein zufällig und
pragmatisch entstanden sind, ohne daß ihnen ein Gesamtplan zugrunde
gelegen wäre. Auch gibt es keine überlieferten Pläne, die belegten, daß
jene 300 Städte, die zwischen dem 11. und 14. Jahrhundert im gesamten
mitteleuropäischen Raum gegründet worden waren, geplant und nach einer
vorgegebenen Ordnung aufgebaut worden wären.
Das
mag sein, entgegnet dem Humpert, aber das kann ganz andere Gründe
haben. Tatsache ist, daß er bei seiner insgesamt 15-jährigen
Forschungsarbeit meint eindeutige Belege gefunden zu haben, daß nicht
nur diese Städte zum allergrößten Teil nach einem Bebauungsplan
errichtet wurden, sondern daß diese Pläne auch von Vorbildern ausgingen,
die zum Teil in Italien lagen, die aber Freiburg im Breisgau vielleicht
sogar als "Mutter aller deutschen Städte" sehen läßt. Denn hier zeigt
sich das Grundschema am deutlichsten, und ist anhand heutiger
Straßenverläufe und Häuserfronten so deutlich zu erkennen, daß es nicht
verstehbar wäre, diese Indizien zu ignorieren.
Nun,
ein wenig kann man Humpert da schon helfen. Denn abstrus ist sein
Gedanke, daß das Mittelalter die Erde als göttliche Geometrie auffaßte,
keineswegs, sondern im Gegenteil: Es ist das Grundverständnis von Welt
überhaupt, das uns im speziellen über Griechen, Römer oder Ägypter (etc. etc.) längst bekannt
ist. Man lese dazu etwa die maßstäblichen Klassiker von Fustel de
Coulanges, oder Mircea Eliades "Das Heilige und das Profane". Niemandem
wäre es bis ins späte Mittelalter - und in der Renaissance schon erst
recht nicht, dort freilich beginnt sich das Ganze zu pervertieren, um
schließlich ganz zusammenzubrechen - eingefallen, ein Haus und schon gar
eine Stadt zu bauen, ohne sie auf göttlichen Willen hin auszurichten,
ja in diesem zu fundieren.
Deshalb
war eine geheiligte Urstätte sowohl bei den Römern das erste, was man
tat, ebenso wie das spätere christliche Abendland, das anfänglich zu
einem guten Teil ganz real aus den Ruinen römischer Städte entstand, es
sich nehmen ließ, seine Städte und Siedlungen als Ensemble rund um eine
zuerst bestimmte Kirche (Altar, Allerheiligstes etc.) zu gruppieren.
Jeder Stadtteil, jedes Haus, jedes geplante Berufsviertel, jedes Verwaltungsgebäude hatte dabei
seine Ordnung und Stellung in dieser Ordnung, die eine Stellung
innerhalb des göttlichen Weltplanes war.
Was nicht in dieser Ordnung Platz hatte, hatte auch in der Stadt keinen Platz. Unreine Gewerbe (Färber, Schlachter) waren da ebenso gemeint wie Freuden- oder Krankenhäuser. Jede Himmelsrichtung hatte dabei ihre Bedeutung, und kein Tor war zufällig gesetzt, alle hatten eine mit ihnen metaphysisch verbundene Sinnstellung. Ebenso wie die Märkte und das, was auf ihnen gehandelt wurde. Erst in zweiter Linie war die Topographie von Bedeutung, oder entnahm man ihr Hinweise.
Was nicht in dieser Ordnung Platz hatte, hatte auch in der Stadt keinen Platz. Unreine Gewerbe (Färber, Schlachter) waren da ebenso gemeint wie Freuden- oder Krankenhäuser. Jede Himmelsrichtung hatte dabei ihre Bedeutung, und kein Tor war zufällig gesetzt, alle hatten eine mit ihnen metaphysisch verbundene Sinnstellung. Ebenso wie die Märkte und das, was auf ihnen gehandelt wurde. Erst in zweiter Linie war die Topographie von Bedeutung, oder entnahm man ihr Hinweise.
Auch
die Distanzen zwischen diesen Bereichen waren nicht zufällig, sondern in Geometrie bzw. Zahlenverhältnisse gefaßte, darin erkennbare Beziehung. Freilich
gelingt es Humpert nicht - und daß er diesen Gedanken nicht näher
ausführt oder gar kennt verwundert einigermaßen - die Maßzahlen, auf
die er immer wieder gestoßen ist, in der Metaphysik zu verankern, denn
darin waren sie begründet. Er würde vermutlich noch viel mehr entdecken.
Und (man möge es nicht falsch verstehen, aber doch sollte es gesagt werden) er hat auch nicht überprüft, ob diese Kreise und Positionen, die er fand, nicht mit Planetenkonstellationen (also der damals noch untrennbar verbundenen Astronomie und Astrologie) zu tun haben. Denn nach aristotelischem Weltbild sind die Planeten die urstofflichsten, bis auf Gott schon äußersten, allem quasi zugrundeliegenden, gröbsten, aber alles gleichermaßen und in gleicher Art (fraktal, also ein Schema in allem, vom Kleinsten bis zum Größten) durchwirkend wie davon durchwirkt.²
Und das ist wohl auch die größte Schwäche seiner Argumentation, die sogar das, was er herausgefunden hat - die mittelalterliche Stadt, Fundament so gut wie aller unserer heutigen Städte, war allem Anschein nach streng durchgeplant, und keineswegs eine zufällig entstandenen Aneinanderreihung von zufällig hier anlandenden Menschen - ein bißchen doch wie zufällig aussehen läßt. Sodaß auch verstehbar ist, wenn Binding meint, daß man in jeder Anhäufung von Punkten und Orten, wenn man lange genug sucht, eine Systematik entdecken kann. Dieser Teil seiner Arbeit scheint unvollendet, dabei wäre es der Grundstein.
Und (man möge es nicht falsch verstehen, aber doch sollte es gesagt werden) er hat auch nicht überprüft, ob diese Kreise und Positionen, die er fand, nicht mit Planetenkonstellationen (also der damals noch untrennbar verbundenen Astronomie und Astrologie) zu tun haben. Denn nach aristotelischem Weltbild sind die Planeten die urstofflichsten, bis auf Gott schon äußersten, allem quasi zugrundeliegenden, gröbsten, aber alles gleichermaßen und in gleicher Art (fraktal, also ein Schema in allem, vom Kleinsten bis zum Größten) durchwirkend wie davon durchwirkt.²
Und das ist wohl auch die größte Schwäche seiner Argumentation, die sogar das, was er herausgefunden hat - die mittelalterliche Stadt, Fundament so gut wie aller unserer heutigen Städte, war allem Anschein nach streng durchgeplant, und keineswegs eine zufällig entstandenen Aneinanderreihung von zufällig hier anlandenden Menschen - ein bißchen doch wie zufällig aussehen läßt. Sodaß auch verstehbar ist, wenn Binding meint, daß man in jeder Anhäufung von Punkten und Orten, wenn man lange genug sucht, eine Systematik entdecken kann. Dieser Teil seiner Arbeit scheint unvollendet, dabei wäre es der Grundstein.
Aber
prinzipiell hat er sicher recht. Nicht nur, daß zumindest bis
zum Weißwurschtäquator und nach der Völkerwanderung, also nach dem
Abzug der Römer über die Alpen, zumindest nach dem Verlust deren
kultureller Vormachtstellung, viele Orte (als "noch nicht Städte") buchstäblich auf römischen Ruinen
errichtet wurden. Dabei wurden die Straßenverläufe ebenso oft
übernommen, wie Gebäude. Ja, viele heutige Altstadtkerne sind sogar
direkt in römische Großbauten (wie Amphitheater) eingebaut worden, um
diese zu nützen. So, wie man die Bauten abtrug, um deren Baumaterial zu
verwenden.
Sopron (Ödenburg), ehedem Scarbantia, wo der VdZ wohnt, ist ein typisches Beispiel dafür: Das Stadtzentrum folgt noch heute mehr oder weniger präzise der römischen Stadtplanung. Obwohl der Wohlstand der späten Renaissance architektonisch gewaltig umgerührt hat, folgen die meisten Straßen und Ausgänge aus der Altstadt, die von dem ehedem weiten Glacis ("Graben") umgeben ist, ihrer römischen Erstanlage. Mit seinem Tor im Osten, Westen, Norden und Süden, mit denen jeweils auch Funktionen verbunden waren.*
Sopron (Ödenburg), ehedem Scarbantia, wo der VdZ wohnt, ist ein typisches Beispiel dafür: Das Stadtzentrum folgt noch heute mehr oder weniger präzise der römischen Stadtplanung. Obwohl der Wohlstand der späten Renaissance architektonisch gewaltig umgerührt hat, folgen die meisten Straßen und Ausgänge aus der Altstadt, die von dem ehedem weiten Glacis ("Graben") umgeben ist, ihrer römischen Erstanlage. Mit seinem Tor im Osten, Westen, Norden und Süden, mit denen jeweils auch Funktionen verbunden waren.*
Der
aus der Antike herüberkommende Mensch hat sich bis ins späte
Mittelalter kein Leben ohne festen, in Gottes Plan gegründeten Ort
vorstellen können. (Und er hatte damit ja zutiefst recht! Wie gut wäre es, wenn wir uns dieser Wahrheit heute wieder bewußter würden.) Tief religiös, hat sich niemand, wirklich niemand
ein willkürliches, zufälliges Leben vorstellen können, wie es mit dem Subjektivismus
der Renaissance schließlich allgemein wurde. Ort, Platz gibt Legitimität. Gott hat in der Schöpfung prinzipiell ja eigentlich den Raum
geordnet, und DAMIT (Raum = Welt = Beziehungsordnung) geschaffen. Und deshalb war der konkrete Raum Ausdruck und Schauplatz des göttlichen
Weltenplanes, und damit des Menschen. Nur so war Segen zu erwarten: Wenn man an seinem Platz
stand. Und das gilt natürlich bis in persönliche Verhältnisse hinein.**
Morgen Teil 2)
²Diese Janusgesichtigkeit ist für den Verstand das größte Problem mit der Astrologie. Sie ist Spiegel wie selbst Gestalt, Gewirktes wie Wirkursache zugleich. Also kann sie von da her auch kein Orientierungspunkt sein, und sie zu betrachten gerät allzu leicht in die Todesfalle dessen, das in sich hineinsieht, weil das, WAS sieht auch das ist, WAS MAN sieht (=Invertiertheit). Siehe dazu Walter Hoeres "Reflexivität".
*Der überlieferte Streit von Romulus mit Remus, der den soeben von Romulus gezogenen Graben für die Stadtmauer übersprang, wird erst so verständlich. Remus hat die Ordnung aufgelöst. Auf der allein eine Stadt zu gründen war. Denn nur eine Ordnung ist ein "Etwas". Also mußte Remus erschlagen werden, denn er gefährdete die nur vom Menschen zu errichtende Welt. (Gott hat das Material gestellt, sozusagen, und seine Eigenart in Orten festgelegt, in die jeweilige Beziehungs-Typiken - "Dinge", "Etwasse" - treten.) Ohne Ordnung gibt es nur das Nichts amorpher, a-welthafter Potenz.
**Auch Ehe und alles was aus ihr folgt ist ein Ort, und damit erst Form von Beziehung.