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Sonntag, 12. Mai 2019

Ein Akt der Konterrevolution (2)

Teil 2)


Moderne Kunst zeigt damit eine Welt der Sinnlosigkeit, in der der Betrachter zunehmend alleine gelassen. auf sich zurückgeworfen wird. Am deutlichsten sieht man das in den Strömungen des "De-Konstruktivismus", in dem aus dem fehlenden Objekt heraus der Betrachter angeregt werden soll, sich der Bilder und Ideen in sich zu bedienen bzw. sich ihrer aus den nunmehr offenen Beziehungssträngen der "Objekte" bewußt zu werden. Was er sieht ist nur Konstruktion in ihm selbst. Beispiel (eine Installation von Valie Export, die der VdZ gesehen hat): Aus einer Aufnahme einer Nische im Park, in der man ahnt, daß hier eine Bank zu stehen kommt, fehlt genau die Bank. Die Bank wird dargestellt, indem sie fehlt.

In der Architektur ist es ähnlich gelaufen. Wenn die bewußte Umgehung oder Zerstörung jeder Form, deren Kompletion man sich somit (als eigentlichen Akt der Rezeption) "denken" muß, oder Fassaden zu Glasfronten werden und jede Gestalt verweigern. Oder nur noch die Umgebung spiegeln, sodaß der Mensch, der dieses Haus betritt, als jemand gesehen wird, der nur die Außenbilder mit sich bringt, und das Innere des Hauses in diesem Licht sieht, auch wenn es nicht da ist. (Siehe das "Haas-Haus" am Wiener Stephansplatz.)

Das ist freilich eine Stufe in einer Entwicklung, die in den 1920er Jahren begann, als die Macht einer ordnenden Stilquelle durch die Auflösung der Monarchien verdunstete und damit alle Schranken fielen. Da nahm endgültig eine Entwicklung, die sich im Jugendstil freilich bereits vorgebildet hatte (das erste Wiener Jugendstilhaus, das "Loos-Haus", steht nicht zufällig am Michaelerplatz, direkt gegenüber des Eingangs zur Hofburg) ihren ungebremsten Lauf: Im Bauhaus wurde auf Form gezielt verzichtet. Alles unterzog man der brutalen Funktion. In Wien entstand das erste Hochhaus nach New Yorker Vorbild.

Diese koinzidierte mit einer nach dem Zerfall der Monarchien sich ausbreitenden Idee eines totalitären Staates. Hier drückt sich endgültig diese totale Macht des Staates aus, die einen zerbrechen und dominieren und zur Funktion reduzieren will. Der Mensch in seiner Ganzheit (und ohne die ist er nicht Mensch) ist in ihr verloren, er geht ja selber in Funktionen auf, wie die Naturwissenschaften sagen. Der logos des Bauhaus ist damit der logos der Aufklärung: Technik, Funktion, Nutzen. Ein Kampf gegen den logos, der jedem Juden als Grundhaltung innewohnt. Wir haben es heute mit einer Übernahme unserer Kultur durch Mächte zu tun, die Anti-logos-Kräfte sind.

Im Nußknacker aber wird wieder als Ahnung deutlich, was Kunst überhaupt ist. Diese Ballettmusik von Peter I. Tschaikowsky ist nicht ohne Grund in USA populärer als in Rußland. Dort starb die Kunst in der Revolution - und wurde in den USA wiedergeboren. Ballett wurde somit zu einem Akt der Gegenrevolution, ähnlich wie das Homeschooling, der Unterricht der Kinder im Elternhaus. Eine wirkliche Graswurzelbewegung, wenn auch unbewußt. Jones erwähnt dabei auch eine Reaktion von Eltern, die ihre Töchter ins Ballett gaben. Und nach dem Grund befragt geantwortet haben: Sie wollten, daß ihre Töchter wieder feminin werden.

Kurz geht Jones auch auf eine wesentliche Unterscheidung hinsichtlich der Homosexualität ein. Denn wie läßt sich das Theorem des Konterrevolutionären angesichts einiger Proponenten, die bekanntermaßen homosexuell waren (wie Tschaikowsky) aufrechterhalten? Jones erklärt, daß auch von Tschaikowsky selbst sein (geheim gehaltener) Lebensstil als Sünde gesehen wurde, und von der Umgebung, der Gesellschaft als Haltung, als Schwäche aufgefaßt wurde, die man bekämpfen muß (denn der Mensch ist eine Amplitude, er ist nie in einem Zustand, in dem er "er selbst ist", sondern "sein" ist immer im Streit, ein Aktivum also, oder es ist nicht).

Das unterscheidet sich ganz klar von der Sichtweise, die man über Homosexualität heute propagiert. Wo es als Haltung zu einem definierten Lebensstil und sogar zur Norm gemacht wird. Ist sie dort noch eine Sünde, und wir sind alle Sünder, wird sie nun - als zu erstrebender, zumindest aber gleichberechtigt zu wählender Lebensstil, dem "Normalität" zugeschrieben wird - plötzlich definitiv böse.







*240219*