Was Gerhard Polt hier auf die Bühne legt, geht auch dem Zuschauer in die Knochen und macht nicht mehr ganz unterscheidbar, was Bühne und was Realität ist. Der Leser möge also ein bißchen gewarnt sein, es könnte ihm so gehen wie dem Polt. Der ein Bild heraufbeschwört, das die Frage aufwirft, wieweit man sich der Gegenwart überhaupt noch nähern kann, ohne so viel auszublenden, daß man nicht mehr sicher sein kann, ob wir nicht alle in einer Scheinwelt leben, um es noch auszuhalten.
Vielleicht aber liegt es an etwas ganz anderem. Was Polt hier nämlich macht, und wenn er es bewußt macht, kann man endgültig nur den Hut vor ihm ziehen, ist, daß er eine Wirklichkeit provoziert, die zeigt, in welchem Maß wir bereits in einer reinen Medienwirklichkeit leben, einer Zweitwirklichkeit, einer Pseudologie. Die damit arbeitet, bzw. daraus besteht, daß die Teilaussagen wahr sind.
ABER ihre Relevanz für das reale, gelebte Leben ist anders. Medienwirklichkeiten sind nämlich nur ein Teil, ja meist nicht einmal ein relevanter Teil unseres wirklichen Lebens. Das ursprünglich aus einer Umgebung genährt wird und sich darauf bezieht, die auf Selbstverständlichkeiten und nonverbaler Kommunikation beruht. Aus Riten, aus Kulten, aus Gesten, aus Ritualen. Das läßt sich in Polts Vortrag sehen - er beginnt nämlich mit "früher", mit seiner Zeit als Lausbub.
Was sich seither verändert hat? Aus einer nonverbalen Welt des Hinwaberns auf eine gesunde, gesamte Persönlichkeit inmitten einer mitmenschlichen Welt wurde eine Welt des medialen, pseudologischen Bewußtseins. Das uns von den eigentlichen Lebensgrundlagen wegzieht. Dort ist dann jeder Fanatismus, jede Hysterie überhaupt erst zuhause.
Solange wir in unserer unmittelbaren Umgebung verwurzelt sind, bleibt alles ruhig. Alles hat noch seinen Platz, und diese erste, "früher" erlebte Welt ist der Boden, der Rahmen in dem alles spätere seinen Platz erhalten wird. Ist dieser Rahmen fest und gut gefügt, ruhen wir gewissermaßen in einem geordneten Nonverbalen, das auch unsere Umwelt mitträgt wie zurückgibt, hat somit auch das, was uns als Erwachsener passiert, seinen Ort, wird erträglich, weil es im Ganzen gesehen relativ wird. Und zwar, weil es vom Leben, der Gesamtwirklichkeit selbst aufgesogen und an der richtigen Stelle eingeordnet wird.
Machen wir aber alles von der reinen Logik abhängig, soweit sie uns nämlich zur Verfügung steht, geraten wir in einen Sog der Unausweichlichkeiten. In dem wir wissen, daß etwas - mit uns! - nicht stimmt, aber wir nichts mehr haben, um gegenzusteuern. Denn durch die Gedanken, die Wortdynamik selbst ausgelösten Handlungsimpulsen steht kein Werkzeug mehr zur Verfügung. Kurz angedeutet: Die Gedanken (und das muß vor allem auch als Medienkritik verstanden werden) stammen aus Kreisen, die gar nicht unseren Lebenskreisen entsprechen.
Worin sich das zeigt? Darin, daß wir erschreckend oft von Dingen reden, an die wir sogar unsere Identität verhängen, für die wir streiten, kämpfen, ja sterben, von denen wir im Grunde nicht den Funken von Ahnung haben. Die wir deshalb auf einige Aspekte reduzieren, jene Aspekte nämlich, die unserem eigenen Lebenskreis entstammen (ihm aber in Wirklichkeit gar nicht entsprechen, was sich am Mangel an Reziprozität beweist). Daran, als Beispiel, daß wir über "Politik" alltäglich quatschen, ohne daß uns das entscheidende zur Verfügung steht, um politisch reden zu können: Daß wir selbst Politiker sind, und die Politiker wählen, weil wir sie real kennen. Sodaß sich in unserer Medien- und Scheindemokratiewelt immer offensichtlicher unsere Gesellschaftsform als Blindgänger, als Schein und als Katze erweist, die sich in den eigenen Schwanz beißt und meint, die Maus zu haben. Die eine "Meritokratie" geworden zu sein vorgibt, als Katzenlohn, den wir uns gönnerisch vorschmeißen, weil wir meinen, am Schluß doch mehr davon zu haben als der andere.
Worin sich das zeigt? Darin, daß wir erschreckend oft von Dingen reden, an die wir sogar unsere Identität verhängen, für die wir streiten, kämpfen, ja sterben, von denen wir im Grunde nicht den Funken von Ahnung haben. Die wir deshalb auf einige Aspekte reduzieren, jene Aspekte nämlich, die unserem eigenen Lebenskreis entstammen (ihm aber in Wirklichkeit gar nicht entsprechen, was sich am Mangel an Reziprozität beweist). Daran, als Beispiel, daß wir über "Politik" alltäglich quatschen, ohne daß uns das entscheidende zur Verfügung steht, um politisch reden zu können: Daß wir selbst Politiker sind, und die Politiker wählen, weil wir sie real kennen. Sodaß sich in unserer Medien- und Scheindemokratiewelt immer offensichtlicher unsere Gesellschaftsform als Blindgänger, als Schein und als Katze erweist, die sich in den eigenen Schwanz beißt und meint, die Maus zu haben. Die eine "Meritokratie" geworden zu sein vorgibt, als Katzenlohn, den wir uns gönnerisch vorschmeißen, weil wir meinen, am Schluß doch mehr davon zu haben als der andere.
Diese Zusammenhänge selbst können schon nur noch rationalisiert werden, und zu rationalisieren ist nicht denken! Es ist nur ein Selbst-Rechtfertigen. Denken ist nämlich das Ordnen von Begriffen, deren Beziehung zueinander ... aus dem Nonverbalen, dem "unsichtbaren Dahinter" kommt. Erst dort, in der Wirklichkeit der Beziehungen, in der Grammatik, gibt es keine Irrationalität (was nur scheinbar ein Paradox ist). Die wir also begriffen (nicht "verstanden", denn das ist wieder nur rationalisieren) haben. Somit baut sich eine psychogene Energie auf, die aber nicht abgeführt werden kann, weil sie dem Handlungsrahmen (Stand, Ort, Beziehungspunkt) des Menschen nicht entspricht. Der Mensch beginnt "durchzudrehen". Deshalb muß man sogar sagen: Was Polt hier in seinem zum Anfall gesteigerten Wortschwall sagt, ist nur scheinbar richtig. Es ist im Ganzen gesehen aber falsch.
"Früher. Da hat es keine Politik und keine Umwelt gegeben," sagt Polt. Sagt er es aus besagten Gründen? Dann große Verneigung vor dem Meister. Und möglich wäre es ja. In Polts Lebenswerk zeigt sich (v. a. im Spiel mit dem Absurden) eine Linie, die durchaus dorthin hätte führen können.
*060319*