Dieses Blog durchsuchen

Donnerstag, 23. Mai 2019

Eine elegante und folgenreiche Finte

Auf einen sehr interessanten Aspekt an der Ibiza-Affaire weist Fritz Goergen auf Tichys Einblick hin. Der die Frage beantworten könnte, warum das zwei Jahre alte Video genau jetzt, eine Woche vor dem Wahlgang zum EU-Parlament lanciert wurde. (Wo sich niemand um den Umstand gekümmert hat, daß die Art, wie es zustande gekommen ist, z. B. gegen deutsches Recht verstößt und seine Verbreitung strafbar ist.) Die Folge dieser Kompromittierung war nämlich einerseits absehbar, anderseits hat die Reaktion von Kanzler Kurz dessen Stoßrichtung erst konkretisiert, indem er nicht nur die Koalition aufkündigte und Neuwahlen ausrief, sondern durch die Forderung nach dem Rücktritt des FPÖ-Innenministers Kickl dem ehemaligen Koalitionspartner das Messer an die Brust setzte. Der FPÖ blieb gar nichts anderes übrig als sofort die Zusammenarbeit aufzukündigen. Und das war wohl Teil der Taktik, denn nun hat der Bundespräsident sämtliche FPÖ-Minister des Amtes enthoben (sieht man von der parteilosen Außenministerin Kneissl ab, die als einzige blieb) und überraschend schnell eine Interimsregierung ernannt. In der natürlich kein FPÖ-Mann mehr vorkommt.

Die einzige Frage ist derzeit noch, ob Kanzler Kurz durch einen Mißtrauensantrag ebenfalls zurücktreten muß, denn alleine hat er im Parlament keine Mehrheit mehr, die Opposition könnte ihn nunmehr stürzen. Um das zu verhindern, hat Kurz der SPÖ deshalb angeboten, die Kandidaten für die Übergangsregierung mit auszuwählen. Und das ist nicht ohne Bedeutung!

Denn worauf Goergen hinweist ist gar nicht so sehr die Beeinflussung des Ausgangs der bevorstehenden EU-Wahl (wo bei einem Mißtrauensantrag die Frage im Mittelpunkt steht, ob Kurz für den Wahlkampf im Herbst den Kanzlerbonus hat oder nicht). Der nominelle Schaden durch Stimmeneinbußen für die FPÖ könnte Umfragen gemäß zudem erstaunlich gering, der Zugewinn für die ÖVP nicht umstürzend und relevant sein. Ja, für die neu anzusetzende Nationalratswahl (man nimmt den September oder Oktober als Termin an) könnte der Schuß sogar nach hinten losgehen, zumindest für die ÖVP von Kanzler Kurz. Das war auch absehbar. Es muß also um etwas anderes gegangen sein. Und sieht da, Goergen stellt es in den Raum:

Was nämlich in den Wochen und Monaten nach dem EU-Wahlgang folgt, ist die Neubestellung der Leitungsgremien der EU, namentlich der EU-Kommissare. Es wird oder könnte also der Fall eintreten, daß es für die Verhandlungen um die Bestellung dieser tatsächlich einflußreichen Posten - das Parlament selbst ist ja weitgehend ohne realpolitische Bedeutung, hat eher symbolische Bedeutung, denn es kann ja gar nichts rechtsverbindlich beschließen - KEINE ÖSTERREICHISCHE REGIERUNG gibt. Es könnte sein, daß zu diesen Verhandlungen der Bundespräsident mit den von ihm selbst bestellten "Interimsministern" (natürlich alles hochkompetente Fachleute ...) nach Brüssel fliegt, um dort im Namen Österreichs zu verhandeln. In welche Richtung deren Verhandlungsintention geht muß nicht näher ausgeführt werden.

Auf jeden Fall gibt es auf einige Monate keine österreichischen Verhandlungspartner, die politisch den Wahlergebnissen gemäß entscheiden würden. Plötzlich würde sogar ein Grüner (van der Bellen war langjähriger Obmann der Grünen in Österreich) das Verhandlungsteam leiten, obwohl die Grünen seit 2017 gar nicht mehr im österreichischen Parlament vorkommen.

Man hat also den unerwünschten politischen Einfluß mit der Lancierung dieses Strache-Videos GENAU ZU DIESEM ZEITPUNKT - unter vorhersehbaren Auswirkungen auf die Situation der Regierung UND auf die Reaktion von Sebastian Kurz - ganz elegant ausgeschaltet, und das heißt in dem Fall: Vor allem den "rechtspopulistischen" Einfluß auf dieser Ebene neutralisiert, und auf Gesamt-EU-Ebene geschwächt. Von dem zu erwarten war, daß er gegen den Zentralismus in Brüssel auftreten wird. Die ÖVP trifft es insofern nicht, als deren Position ohnehin der gewünschten Linie des Zentralismus entspricht (man höre nur, was deren EU-Spitzenkandidat Karas von sich gibt.)*

Genau dieses grüne Licht für mehr Zentralismus wird aber in den kommenden Jahren die größte Bedeutung haben. Und zwar in den Bereichen Militär (EU-Armee), Klimapolitik (Steuern), und vor allem Finanzen (gemeinsames Budget der EU-Staaten). Dabei geht es nicht nur um real zu treffende Entscheidungen, sondern auch um große Teile des Informationsflusses, von dem die FPÖ ebenfalls ausgeschaltet wäre.

Eine nächste Entwicklung ist, meint wieder Goergen, noch nicht abschätzbar. Denn im Eindruck der Erschütterung durch die Affaire ist auch in der SPÖ ein Machtkampf ausgebrochen. Und hier gibt es eine interessante Alternative zur derzeitigen Vorsitzenden, in Gestalt des Landeshauptmannes des Burgenlands Doskozil. Mit ihm aber könnte sich die SPÖ sogar einen Weg öffnen, auch mit der FPÖ nach den nächsten Wahlen die Regierungshöhen wieder zu erklimmen. Denn die Schnittmengen in sozialen Fragen sind hier sogar größer als mit der ÖVP unter Kurz. 

Derzeit freilich, so Goergen, ist der Gewinner dieser Angelegenheit eindeutig Kurz und die ÖVP. Ob man das aber nicht relativieren müßte, meint der VdZ? Denn der Gewinner ist noch viel mehr ... die derzeitige EU.





*Die Frage um den Zentralismus hat eine weit größere Bedeutung, als es aussieht. Ihr Motiv ist sehr ernst. Denn einen Ausweg aus der monetären Krise, in der speziell Frankreich (und letztlich auch Deutschland) stecken, und die sich zuspitzt, kann es eigentlich nur geben, wenn man in die Richtung der immer öfter in der Diskussion auftauchenden Neuen Geldtheorie (MMT) geht. Wie sie sich in Japan bereits seit 20 Jahren zeigt, und in China am Weg ist. Die seltsame Nähe, die Merkel zu Macron in den letzten Monaten gesucht und sogar festgelegt hat wäre ein klares Indiz für solche Überlegungen. Und wir müssen uns vor Augen halten, daß das derzeitige System Unsicherheiten oder Crashs nicht mehr verträgt - es geht buchstäblich ums Ganze.

Weil so in einer phantastischen Frohrechnung erlaubt wäre, über Inlandsverschuldung beliebig weitere (und noch höhere) Kredite aufzunehmen. Der Staat druckt Geld, das er zu Null-Zinsen ausgibt. Während er dafür Anleihen anbietet, die Zinsen bringen. Die Folge ist eine rechnerische Vermehrung des Sparvermögens einer Bevölkerung (bzw. der Banken), das als buchhalterischer Abgleich für die Staatsschulden dient. Weil zudem das nunmehr steuerbare(re) Wirtschaftswachstum (getragen durch Staatsintervention und -ausgaben, vor allem in der Infrastruktur, siehe Japan) einen "Mehrwert" gegenüber den zusätzlichen Schulden ergäbe. Es muß nur eine zu hohe Sparquote über Steuern jeweils wieder abgeschöpft werden. Immerhin ist unter diesen Annahmen Nullzinspolitik und geringe Inflation - theoretisch - möglich. Diese Wege sind übrigens ohnehin bereits beschritten.

Dabei wäre ein "Helikoptergeld" gar nicht die entscheidende Maßnahme. Geld an alle zu verteilen würde nur wenig und nur kurzfristig als Konjunkturantrieb wirken. Hier könnte sich die strategische (und wirkliche) Bedeutung der "Energiewende" (als Brechstange zu totaler staatlicher Wirtschaftslenkung, denn "Klimaschutz" ist ja eine lächerliche Falschbehauptung) erweisen. Denn solch ein Weiterschreiten in die Schuldenmechanik verlangt eine totale Beherrschung der Wirtschaftsvorgänge, und ein Ausweiten der Staatsabhängigen: Beamte, "Klimaforscher", und all die Pseudoagenden wie "Gender", vor allem aber die  horrenden Staatsausgaben für "Förderung alternativer Energien", die ja nur dem Zweck dient, Geld unter die Leute zu bringen. Gerade die "Energiewende" ist ja dermaßen hirnrissig, daß man daraus andere Schlüsse ziehen muß, so dumm können die Führungen ja gar nicht sein?! Und auch die Massenmigration könnte unter diesem Gesichtspunkt gesehen werden: Es geht überhaupt nicht um Fachkräfte usw. usf. Es geht nur um ausreichende Zahl von (vom Staat bezahlten) Konsumenten. Ist nicht das alleine bereits "Helikoptergeld"?

Immerhin wäre damit auch erhellt, warum das Großkapital (Stichwort "woke capital") so massiv hinter einer Politik steht, die doch eigentlich auf eine Einschränkung der Freiheit - auch des unternehmerischen Wirtschaftens - hinausläuft. Ein System des Etatismus garantiert aber nicht einfach irgendwelche Renditen, die sind fast nebensächlich. Das Großkapital, die Großfinanz braucht die Stabilität des technisch-fiskalischen Staatssystems, weil nur innerhalb dessen ihr Kapital und damit ihre Macht erhalten bleibt. Eine Fabrik, die produziert ist viel wert, ist hohes Vermögen. Aber wenn sie nichts produziert ist sie wertlos. Aber daß wir uns nicht täuschen: Den wirklich Großen geht es nicht um Einkommen oder Profit. So denken nur die armen Leute, oder die Emporkömmlinge, weil es ihnen tatsächlich darum geht. Deshalb sind die auch die "erwünschte Menschenklasse". Wer wirklich Geld hat denkt anders. Bei den Großen geht es um große Ideen, Utopien, eine in ihrem Sinn bessere Welt. So daß sie vor allem eines brauchen: Funktionierende Systeme, die dem Großkapital ihren Einfluß bewahren, um die Welt zu verändern. In der sie Gott gleich sind.




*220519*