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Dienstag, 10. Dezember 2019

Eine siegreiche Schlacht und ihre Helden (1)

Über die kriegsstrategische Bedeutung und Einschätzung des österreichisch-ungarischen Sieges in der Schlacht von Limanova-Lepenko, die vom 1. bis 14. Dezember 1914 dauerte, gehen die Meinungen der Historiker weit auseinander. Für die einen war es der letzte originäre, rein österreichisch-ungarische, also gelb-schwarze Sieg der Geschichte, der in einer genialen Strategie einen Durchbruch der Russen über die Karpaten nicht nur stoppte, sondern diese zu einer Rücknahme ihrer Frontlinie zwang. Die dann eine perfekte Ausgangslage für den k.u.k.-deutschen Sieg im darauffolgenden Sommer bei Tarnów bildete, der die Russen fast aus Polen hinausgeworfen hat.

Das mit dem letzten gelb-schwarzen Sieg stimmt übrigens nicht ganz. Es war auch eine deutsche Division beteiligt. Ob es stimmt, daß es einer der größten Siege der k.u.k.-Armee im Ersten Weltkrieg war, da sind sich die Historiker nicht einig. Dem Österreicher ist es ohnehin egal, er nimmt meist nicht einmal mehr zur Kenntnis, daß er eine Geschichte hat, und daß die direkt mit ihm zu tun hat. Den Ungarn ist es schon weniger egal, dort ist auch das Geschichtsbewußtsein ausgeprägter. Wie und warum das in diesem Fall mehr als sonst zutrifft, sagen wir unten.

Zurück zu Limanova-Lepenko. Es war klar, daß die Russen das Ziel verfolgten, mit ihren massierten Heeren, die die doppelte Zahl von Divisionen aufwiesen wie die k.u.k.-Armee und mit ihrem Aufmarschtempo alle überrascht hatten, über die Karpaten Budapest und Wien einzunehmen. Und so den deutsch-österreichischen Bund zu sprengen, und Deutschland entscheidend zu schwächen. Mit ungeheurer Wucht hatten sie im September 1914 in Galizien angegriffen, und waren bis Ende November 300 Kilometer tief in das Territorium der Monarchie eingedrungen. Nun standen sie vor den Karpaten, und hielten nur an, um umzugruppieren und frische Truppen heranzuführen. 

Generalfeldmarschall Franz Graf Conrad von Hötzendorf
In dieser Zeit gruppierte auch der österreichische Oberbefehlshaber Franz Graf Conrad von Hötzendorf um. Das war ihm durch das hervorragende Eisenbahnnetz im Raum südlich von Krakau leicht möglich. Und am 1. Dezember griff er für die Russen überraschend mit der 3. und 4. Armee an. Der Vorstoß der nördlicheren 4. Armee lief bestens, aber der der südlicheren 3. verlief zäh, und das Operationsziel, die belagerte Festung Przemysl zu entsetzen, mußte bald aufgegeben werden. Erst allmählich aber wurde deutlich (die Kommunikationsmöglichkeiten und Nachrichtengeschwindigkeiten waren damals noch weit schlechter), daß zwischen den beiden Armeen eine Kluft von gut dreißig Kilometern klaffte. Das wäre die perfekte Einladung an die Russen gewesen, hier durchzustoßen. Dann wäre Ungarn, Böhmen, ja Schlesien offen gewesen. 

Insgesamt standen sich auf beiden Seiten am 1. Dezember je 250.000 Mann gegenüber, mit leichten quantitativen Vorteilen bei den Russen (die k.u.k.-Armee war zu Anfang des Krieges sehr schlecht ausgerüstet, es fehlte an Gewehren, an Maschinengewehren, an Kanonen, an Munition ... das wurde erst ab 1916 besser; warum nicht früher? weil man in Wien mit Rüstungsaufträgen zögerte, denn man dachte, daß der Krieg doch bald zu Ende sein würde). Die Russen landeten außerdem weitere 200.000 Mann in den nächsten Tagen an, die aber nicht mehr in die Schlacht eingriffen. So die eine Version. Die andere meint, es sei eine typisch Hötzendorfsche Übertreibung und Ausschmückung gewesen, in Wahrheit habe es sich um ein zweitrangiges Gefecht in Limanova gehandelt, wo einige Zehntausend in (nicht: um) der bizarren Landschaft der dortigen Ölförderanlagen kämpften. Insgesamt war alles so chaotisch, daß die österreichischen Kampfverbände in Bahnhöfen ausgeladen wurden, die die eigenen Vortruppen erst eine Viertelstunde zuvor erobert hatte. Am Ende gab es rund zehntausend gefangene Russen, und hundert erbeutete Geschütze. Dennoch, das bestreitet niemand, die Offensive der Russen war erstmals zum Stehen gekommen.

Soproner Husarenregiment Nr. 9 - Traditionstreffen
Die ungarische Legende sieht das naturgemäß anders, sagen wir: paprizierter. Und weil wir die archetypische Wahrheit prinzipiell höher schätzen als gezählte Erbsen, wollen wir sie gerne an die Österreicher und Deutschen weitergeben, wo mittlerweile ein Gedenken an Heldentaten fast zur verdammenswerten bösen Tat wurde und Myriaden von Gutmenschen nach schwarzen Bommeln suchen, die jeden aromavollen Tee versalzen sollen. Dabei fehlen doch gerade diesem Land die Helden! Und ein Volk, dem die Helden fehlen, geht zwangsläufig in den Barbarismus über.

Die Ungarn, die um Wert und Wesen von Identität besser wissen, sehen das auch so. Ihre Variante der Schlacht von Limanova hat deshalb ihre Helden, deren man auch regelmäßig, ja jährlich gedenkt. Sie beschreibt, was mit dem Angriff der k.u.k.-Armeen geschah, die nun voneinander gefährlich getrennt waren. Denn weil rasches Handeln nötig war, wurden ungarische Husaren, darunter das 9. Husarenregiment aus Ödenburg/Sopron, sowie ungarische Honved-Truppen damit beauftragt, diesen Raum so rasch als möglich zu füllen. 

Oberst Othmar v. Muhr, HR 9
Durch dichtesten Schneefall kämpften sich die ungarischen Reiter durch die Winterstürme der Karpaten, und tatsächlich gelang ihnen noch vor den Russen, die beiden Armeen wieder zu vereinen. Besonders die vierhundert Reiter des 9. Regiments unter Oberst Othmar von Muhr taten sich mit der Eroberung des Hügels von Jabloniec hervor. Othmar von Muhr fiel dabei. Ihm ist im heutigen Soproner Deak-Ter, dem größten Park der Stadt und dem längsten Stadtpark Mitteleuropas, eine erst vor einigen Jahren aufgestellte Büstenstele gewidmet.

Die legendäre Bedeutung dieser militärischen Heldentat wird aber schon dadurch unterstrichen, daß es noch ein zweites Denkmal in eben diesem Park gibt, das der Schlacht bei Limanova gedenkt. Wo es, so die ungarische Lesart, dem heldenhaften Kampf der Husaren des 9. Husarenregiments, stationiert in Sopron, und den Honved-Truppen aus dem Raum Sopron-Szombathely zu verdanken ist, die im gesamten Kriege alleine über achttausend Tote zu beklagen hatten, daß die Heimat Ungarn schon 1914 vor den Russen gerettet worden war. 


Morgen Teil 2) Die Armee der Donaumonarchie hatte andere Probleme. 
Und selbst die Kaiser in Berlin und Wien brauchten einen Sieg.