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Dienstag, 3. Dezember 2019

Vater sein dagegen sehr (1)

An neun Tagen im Advent, jeweils Dienstag und Donnerstag, findet der Leser eine Kolumne des VdZ für eine Boulevardzeitung, die als Serie im Jahre 1995 geschrieben worden war. Er tut dies auf Bitten von Lesern, die diese Texte ausgegraben haben. Damals lebte der VdZ zwar in ziemlich anderen Umständen als heute, aber die angesprochenen Themen sind abstrakt gesehen ungebrochen aktuell.


VATER SEIN DAGEGEN SEHR ...

Die regelmäßige Kolumne eines ab und an schon mal genervten Familienoberhaupts

I

Meine Frau und ich haben jetzt überlegt, doch einen Chauffeur einzustellen. Immerhin ist meine Frau vier Nachmittage in der Woche schon unterwegs, um die Kinder entweder irgendwohin zu bringen oder von irgendwo zu holen. Am Donnerstag ist ihr Programm so dichtgedrängt, daß sich die einzelnen Termine überschneiden, und sie anhand eines richtigen Zeitplanes ein System entwerfen mußte, wie sie die jeweiligen Touren verknüpft: Wenn die Kinder aus der Klosterschule gekommen sind, ist das erste zum Fußballtraining zu fahren. Von dort muß sie gleich Benedict vom Gymnasium holen. Denn noch im Bus, sind die Mädchen zur Jungscharstunde fertig. Schnell die Kleinen eingepackt und mitgenommen, denn nun ist niemand mehr zu Hause, der auf sie aufpassen kann.

Nun bleiben meiner Frau ganze vierzig Minuten, die sie entweder in der Kirche verbringt, was der Pfarrer mit großer Begeisterung quittiert, oder für ein paar Besorgungen in der Stadt nutzen kann. Nach Hause zu fahren zahlt sich nicht mehr aus. Mit den wieder eingeladenen Mädchen muß Sebastian vom Fußballtraining geholt werden, möglichst rasch, denn nun beginnen die Flötenstunden für ihn. Währenddessen ist bereits der Klavierlehrer ins Haus gekommen und Benedict hatte schon seinen nächsten Kulturschub. Nun beginnt der Unterricht für Julia und Angelika, während nun das Fußballtraining für Benedict beginnt, wohin ihn auch meine Frau bringen muß.

Am Abend komme ich dann nach Hause, wenn noch der Klavierlehrer mit seiner Frau seinen Kaffee trinkt, meine Frau sitzt nur halb am Sessel, immer wieder aufgerufen, die kleinen Katastrophen entweder zu verhindern oder zu beseitigen. Es ist grässlich, in einem unaufgeräumten Haus zu wohnen, das sage ich Ihnen. Aber trotzdem habe ich die drei älteren jetzt auch zum Zeichenkurs an der Volkshochschule angemeldet, denn ich glaube, daß sie Talent haben. Und Zeichnen ist gut, um zu lernen, von sich wegzusehen, zu beobachten, zu erkennen. Da wird man dann später nicht so egoistisch.

4. Oktober 1995