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Montag, 30. Dezember 2019

Wer nur glättet, rührt Explosivstoff an

Es gehört zur Aufmerksamkeitspflicht skeptisch zu werden, wenn irgendeine Entscheidung von Liberalen* hochgejubelt wird. So wie mit der Verleihung des Friedens-Nobelpreises 2019 an den äthiopischen Ministerpräsidenten Abiy Ahmed Ali. Und wenn der VdZ auch über die Situation in diesem ostafrikanischen Land nicht wirklich informiert ist, so lassen die Nachrichten darüber, die von angeblichen bedeutenden Fortschritten dort berichten, gehörige Bedenken aufsteigen. Hört man auf diese, wird außerdem klar, warum gerade Liberale so begeistert über die jüngere Geschichte dieses alten Landes sind, das von manchen gar als eine der Wiegen der Menschheit bezeichnet wird.

Denn was man hört, klingt verdächtig nach exakt dem liberalen Konzept der Weltverdunstung. Alle Konflikte aufzulösen, wie dem noch ziemlich jungen Ahmed Ali (hier hat auch das Alter seine Bedeutung) zugeschrieben wird, kann nämlich auch dadurch gelingen, daß man nicht die Konflikte löst, sondern die Kontrahenten "auflöst", indem man ihr Selbstsein auflöst. Ganz so, wie es die heutige "Psychotherapie" also tut. Eine Wirtschaft in die Prosperität zu bringen (wofür als Beleg die aktuellen Wirtschaftsdaten herangezogen werden, also Statistiken) kann auch etwas ganz anderes heißen, als das Aufstehen eines (einen Staat konstituierenden) Volkes zu Weltwirklichung und Lebensfülle. Es kann auch heißen, daß es dem liberalistischen, globalisierten Weltwirtschaftssystem rückhaltlos geöffnet wird. Es kann heißen, daß Lebenstiefe aufgegeben und durch Konsummentalität ersetzt wird.

Daß der VdZ mit seiner Einschätzung nicht ganz in der Luft hängt, zeigen Nachrichten, die belegen, daß es in breiten Teilen der äthiopischen Völker großen Widerstand gegen Abiy gibt. Erst 2018 mußte er einem Putsch durch Militärs zuvorkommen, und große Teile der Armeeführung auswechseln. Ist also da wirklich "Friede im Land"?

Es spricht auch das somit für die Befürchtung, daß Ahmed Ali sein Land lediglich auf den (von London nach Afrika transferierten) liberalistischen Kurs gebracht hat, der auch die europäische Kultur bereits so zersetzt hat, daß man von Kultur in Europa kaum noch sprechen kann (es sind nur noch die musealisierten Ruinenlandschaften, die diese Illusion aufrechthalten). Dafür spricht auch ein weiterer Beleg für die angeblich so wunderbaren Änderungen in Äthiopien, zu denen nicht nur die Ausweitung des "Zugangs zu Bildung" durch exorbitante Ausweitung universitärer Einrichtungen gehört, sondern auch die Nachrichten über die "Gleichstellung der Frau", die so sehr auf der Agenda dieses Absolventen einer Londoner Universität steht, daß er sogar die Hälfte seiner Regierungsmannschaft mit Frauen besetzt hat. Ein Mann, dessen gesamte Herkunft, dessen gesamter Werdegang somit im Zeichen von revolutionären Bewegungen und Gedanken steht, ja dessen Name selbst - Abiy - "Revolution" heißt. 

Ein Mann, dessen religiöse Positionierung von Asfa-Wossen Asserate (der einer Adeligenfamlie entstammt, die den engsten Kreisen um Kaiser Haile-Selassie angehört hatte, dem dennoch der VdZ bei aller Sympathie für dessen Liebe zur Form, nicht unbedingt klaren Blick in Hinsicht auf eine realistische Einschätzung der politischen Gegenwart beimißt) als "am ehesten pfingstlerisch-freikirchlich" bezeichnet, denn welcher Religion er genau angehört, wenn überhaupt, ist nicht klar festzustellen. Was nicht gerade für ihn spricht.

Es spricht also sehr viel dafür, daß wir es bei dem frischgebackenen Friedensnobelpreisträger mit einem nächsten Liberalisten und (rationalistischen) Relativisten zu tun haben, der die Welt glättet, indem er ihre Eigenart und Identität nimmt oder zumindest entwurzelt, und damit zwar kurzfristig Erfolg hat. Aber mittel- und langfristig das schönste Explosionsgemisch anrührt, das dann seine Nachfolger (die dann eigenartigerweise sein "Format" nicht mehr haben werden) und natürlich die Völker Äthiopiens durch Gewalt und Terror ausbaden werden müssen.

Und es steht noch mehr zu befürchten, daß er durch diese Nobelpreisverleihung zum Vorbild gestärkt ein übles Vorzeichen für ganz Afrika an die Wand malt. Dem eine große Zukunft dann vor Augen gestellt wird, wenn es den gleichen Weg der liberalistischen Selbstauslöschung und Anpassung an die rationalistischen, relativistischen Konzepte der Aufklärung geht. Der Konflikte nicht löst, sondern Identitäten auflöst und damit kurzfristig auslöscht. Bis die gottgegebene und -gewollte Lebenskraft der Menschen sich wieder meldet. Wo der Zweck alle Mittel heiligt.

Das ist aber kein Konzept. Das ist lediglich ein Trick aus der Zauberkiste, der für jede Kultur toxisch wirkt, weil er den Menschen durch Wohlstandsversprechung und Scheinpazifizierung zur Seinsschwäche verführt. Und Seinsstärke ist ja nicht gerade das, was Afrika im Übermaß hat. 

Wenn diese Bedenken also zurecht bestehen, ist Abiy Ahmed Ali kein Friedensbringer, sondern ein Agent eines Neokolonialismus, den der Liberalismus seit zweihundert Jahren verbreitet, um dem brutalen Gesetz des Stärkeren jede substantielle Gegenwehr aus dem Weg zu räumen. Und deshalb alle Identitäten, die in ihrem ontologischen Grund noch mehr verschüttet werden, verwischt, um die Oberfläche sauber zu halten. Aber den tiefen Grund ins Irrationale verweist, wo er seine Kräfte sammelt, bis es zum Ausbruch des Vulkans kommt.



*Und der verlinkte Andreas Unterberger ist ein relativistischer Liberaler. Der sich wie so viele Liberale zwar gerne als "konservativ", ja "rechts" ausgibt, aber das nur aus Bequemlichkeit und Denkschwäche tut. Und zum Beleg anführt, daß er "gegen" so viele Mißstände auftritt. Wir haben es schon oft gesagt: Liberale haben die Gesichter von Chamäleons. Sie jammern immer dann und darüber (und deshalb in regelmäßigen Abständen von ein paar Jahrzehnten, wo die Liberalen ihre Positionen neu konstituieren, weshalb liberale Konzepte alle zwanzig Jahre völlig wechseln), und dann treten sie als "konservativ" und "voll Menschenverstand" auf, wenn ihnen die Umstände, die sie selbst zu verantworten haben, auf die Zehen fallen.